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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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den Befehlshabern, sowie zu Excessen und Raufereien unter der Mannschaft.
Diese Schlägereien nahmen oft die großartigsten Dimensionen an und ver¬
wandelten sich in förmliche Gefechte, wie z. B. im Juli 1849 jene im Lager
der Artillerierescrve bei Ocsa, woselbst die von den Grenzern angefallenen Ar¬
tilleristen, mit den zu ihrem Beistande herbeigeeilten Pionieren und Cheveaux-
legers vereint, in förmlicher Schlachtordnung, mit abgeprotzten Kanonen und
geladenen Gewehren, ihre Gegner erwarteten und nur durch die aufopferndsten
Bemühungen mehrer, höheren Offiziere der Friede wiederhergestellt werden
konnte. Aehnliche Auftritte ereigneten sich um dieselbe Zeit bei der in Sla¬
vonien stehenden Armee des Barus. Und Solches geschah beinahe im Ange-
sichte des Feindes! Das Beste und Bezeichnendste war aber der Umstand, daß
sich bei solchen Gelegenheiten unter den andern slavisch'östreichischen Truppen
auch nicht die geringste Sympathie für die stammverwandten Grenzer kundgab,
sondern daß vielmehr Alle, Czechen und Polen, Krainer und Ruthenen. sich mit den
Deutschen, Magyaren und Italienern vereinten, um auf "die Kroaten" loszugehn.

Bei der italienischen Armee, wo sich die disciplinirtcren Feldbataillone be¬
fanden, benahmen sich die Grenzer etwas besser und standen darum auch in
besserem Ansehen. Aber die in den andern östreichischen Provinzen befindlichen
Truppen, welche größtentheils erst während und nach der Wiener October-
revolution mit den Grenzern zusammentrafen, hatten keine besondere Ursache,
sich der Verbindung mit diesen, bisher ihnen nur dem Namen nach bekannten
Waffengenossen zu freuen. Auf die Unterstützung ihrer Offiziere und auf den
mächtigen Schutz ihres Abgottes, des damaligen Bars Jellachich bauend, ver¬
übten die Grenzer vor und in Wien sowie während des folgenden Feld¬
zuges die ärgsten Excesse. Mehre kaiserliche Offiziere, welche ohne von
ihren Soldaten begleitet zu sein diesem Unwesen Einhalt thun woll¬
ten, wurden verhöhnt und insultirt, ja einige wurden sogar entwaffnet und
ausgeplündert! Kaiserliche Kassen wurden von den Grenzern erbrochen und die
sich diesem Beginnen widersetzenden Polizei- und Finanzwachsoldaten verwun¬
det und verjagt. "Wir haben unsere Offiziere und brauchen Euch Schwaben
nicht," riefen einst einige Seressaner einem deutschen Stabsoffizier zu, welcher
die Plünderung eines armen Landmannes verhindern wollte. Und dieses ge¬
schah beinahe unter den Augen des Bars, welcher, wo er nur konnte, mit
unerbittlicher Strenge einschritt. Ist auch Vieles, was man von den Gräuel-
thaten der Seressaner erzählt, erdichtet, so bleibt doch immer noch genug übrig,
um diese "Rothmäntel" den Baschkiren und Irokesen würdig zur Seite stellen
zu können.

Doch muß man andrerseits den damaligen kriegerischen Leistungen vieler
Grenztruppen volle Anerkennung zollen. In den meisten Schlachtberichten
wurde ihnen die ehrenvollste Erwähnung zu Theil.


den Befehlshabern, sowie zu Excessen und Raufereien unter der Mannschaft.
Diese Schlägereien nahmen oft die großartigsten Dimensionen an und ver¬
wandelten sich in förmliche Gefechte, wie z. B. im Juli 1849 jene im Lager
der Artillerierescrve bei Ocsa, woselbst die von den Grenzern angefallenen Ar¬
tilleristen, mit den zu ihrem Beistande herbeigeeilten Pionieren und Cheveaux-
legers vereint, in förmlicher Schlachtordnung, mit abgeprotzten Kanonen und
geladenen Gewehren, ihre Gegner erwarteten und nur durch die aufopferndsten
Bemühungen mehrer, höheren Offiziere der Friede wiederhergestellt werden
konnte. Aehnliche Auftritte ereigneten sich um dieselbe Zeit bei der in Sla¬
vonien stehenden Armee des Barus. Und Solches geschah beinahe im Ange-
sichte des Feindes! Das Beste und Bezeichnendste war aber der Umstand, daß
sich bei solchen Gelegenheiten unter den andern slavisch'östreichischen Truppen
auch nicht die geringste Sympathie für die stammverwandten Grenzer kundgab,
sondern daß vielmehr Alle, Czechen und Polen, Krainer und Ruthenen. sich mit den
Deutschen, Magyaren und Italienern vereinten, um auf „die Kroaten" loszugehn.

Bei der italienischen Armee, wo sich die disciplinirtcren Feldbataillone be¬
fanden, benahmen sich die Grenzer etwas besser und standen darum auch in
besserem Ansehen. Aber die in den andern östreichischen Provinzen befindlichen
Truppen, welche größtentheils erst während und nach der Wiener October-
revolution mit den Grenzern zusammentrafen, hatten keine besondere Ursache,
sich der Verbindung mit diesen, bisher ihnen nur dem Namen nach bekannten
Waffengenossen zu freuen. Auf die Unterstützung ihrer Offiziere und auf den
mächtigen Schutz ihres Abgottes, des damaligen Bars Jellachich bauend, ver¬
übten die Grenzer vor und in Wien sowie während des folgenden Feld¬
zuges die ärgsten Excesse. Mehre kaiserliche Offiziere, welche ohne von
ihren Soldaten begleitet zu sein diesem Unwesen Einhalt thun woll¬
ten, wurden verhöhnt und insultirt, ja einige wurden sogar entwaffnet und
ausgeplündert! Kaiserliche Kassen wurden von den Grenzern erbrochen und die
sich diesem Beginnen widersetzenden Polizei- und Finanzwachsoldaten verwun¬
det und verjagt. „Wir haben unsere Offiziere und brauchen Euch Schwaben
nicht," riefen einst einige Seressaner einem deutschen Stabsoffizier zu, welcher
die Plünderung eines armen Landmannes verhindern wollte. Und dieses ge¬
schah beinahe unter den Augen des Bars, welcher, wo er nur konnte, mit
unerbittlicher Strenge einschritt. Ist auch Vieles, was man von den Gräuel-
thaten der Seressaner erzählt, erdichtet, so bleibt doch immer noch genug übrig,
um diese „Rothmäntel" den Baschkiren und Irokesen würdig zur Seite stellen
zu können.

Doch muß man andrerseits den damaligen kriegerischen Leistungen vieler
Grenztruppen volle Anerkennung zollen. In den meisten Schlachtberichten
wurde ihnen die ehrenvollste Erwähnung zu Theil.


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[0082] den Befehlshabern, sowie zu Excessen und Raufereien unter der Mannschaft. Diese Schlägereien nahmen oft die großartigsten Dimensionen an und ver¬ wandelten sich in förmliche Gefechte, wie z. B. im Juli 1849 jene im Lager der Artillerierescrve bei Ocsa, woselbst die von den Grenzern angefallenen Ar¬ tilleristen, mit den zu ihrem Beistande herbeigeeilten Pionieren und Cheveaux- legers vereint, in förmlicher Schlachtordnung, mit abgeprotzten Kanonen und geladenen Gewehren, ihre Gegner erwarteten und nur durch die aufopferndsten Bemühungen mehrer, höheren Offiziere der Friede wiederhergestellt werden konnte. Aehnliche Auftritte ereigneten sich um dieselbe Zeit bei der in Sla¬ vonien stehenden Armee des Barus. Und Solches geschah beinahe im Ange- sichte des Feindes! Das Beste und Bezeichnendste war aber der Umstand, daß sich bei solchen Gelegenheiten unter den andern slavisch'östreichischen Truppen auch nicht die geringste Sympathie für die stammverwandten Grenzer kundgab, sondern daß vielmehr Alle, Czechen und Polen, Krainer und Ruthenen. sich mit den Deutschen, Magyaren und Italienern vereinten, um auf „die Kroaten" loszugehn. Bei der italienischen Armee, wo sich die disciplinirtcren Feldbataillone be¬ fanden, benahmen sich die Grenzer etwas besser und standen darum auch in besserem Ansehen. Aber die in den andern östreichischen Provinzen befindlichen Truppen, welche größtentheils erst während und nach der Wiener October- revolution mit den Grenzern zusammentrafen, hatten keine besondere Ursache, sich der Verbindung mit diesen, bisher ihnen nur dem Namen nach bekannten Waffengenossen zu freuen. Auf die Unterstützung ihrer Offiziere und auf den mächtigen Schutz ihres Abgottes, des damaligen Bars Jellachich bauend, ver¬ übten die Grenzer vor und in Wien sowie während des folgenden Feld¬ zuges die ärgsten Excesse. Mehre kaiserliche Offiziere, welche ohne von ihren Soldaten begleitet zu sein diesem Unwesen Einhalt thun woll¬ ten, wurden verhöhnt und insultirt, ja einige wurden sogar entwaffnet und ausgeplündert! Kaiserliche Kassen wurden von den Grenzern erbrochen und die sich diesem Beginnen widersetzenden Polizei- und Finanzwachsoldaten verwun¬ det und verjagt. „Wir haben unsere Offiziere und brauchen Euch Schwaben nicht," riefen einst einige Seressaner einem deutschen Stabsoffizier zu, welcher die Plünderung eines armen Landmannes verhindern wollte. Und dieses ge¬ schah beinahe unter den Augen des Bars, welcher, wo er nur konnte, mit unerbittlicher Strenge einschritt. Ist auch Vieles, was man von den Gräuel- thaten der Seressaner erzählt, erdichtet, so bleibt doch immer noch genug übrig, um diese „Rothmäntel" den Baschkiren und Irokesen würdig zur Seite stellen zu können. Doch muß man andrerseits den damaligen kriegerischen Leistungen vieler Grenztruppen volle Anerkennung zollen. In den meisten Schlachtberichten wurde ihnen die ehrenvollste Erwähnung zu Theil.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/82>, abgerufen am 05.02.2025.