Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.eines Bezirkes von zwei- bis dreitausend Seelen und ist oft einige Stunden Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen der chrcnwerthestcn Art, und es eines Bezirkes von zwei- bis dreitausend Seelen und ist oft einige Stunden Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen der chrcnwerthestcn Art, und es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114394"/> <p xml:id="ID_275" prev="#ID_274"> eines Bezirkes von zwei- bis dreitausend Seelen und ist oft einige Stunden<lb/> von den cindern Offizieren seiner Compagnie entfernt. Umgeben von seinen<lb/> Untergebenen ist er fast nur auf die Gesellschaft des gewöhnlich höchst unwis¬<lb/> senden Popen, der Verwaltungsbeamten und eines allenfalls in demselben<lb/> Orte wohnenden pensionirten Militärs angewiesen. Es sieben ihm keine<lb/> Bibliothek, keine Unterrichtsanstalten höheren Ranges, keine wissenschaft¬<lb/> lichen Vereine, kein Theater, ja nur selten einige bessere Journale zu Gebote,<lb/> und er findet bei seinen Gesellschaftern keine Anregung zu einer geistigen Be¬<lb/> schäftigung, sondern wird von denselben oft mit Gewalt in den Strudel ihrer<lb/> Alltagsvergnügungen, Spielen und Trinken, hineingezogen. Es gehört wahrlich<lb/> eine große Charakterstärke dazu, wenn ein junger Mann unter solchen Berhäl-<lb/> nissen nicht binnen kurzer Zeit ganz verbauern und sich den Karten, der Flasche<lb/> und dem wüstesten Umgange nut den Weibern und Töchtern seiner Untergebenen<lb/> ergeben soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_276" next="#ID_277"> Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen der chrcnwerthestcn Art, und es<lb/> find manche ausgezeichnete Generale aus der Militärgrenze hervorgegangen. Aber<lb/> die Mehrzahl der Grenzervfsiziere steht unbestritten ihren übrigen Kameraden<lb/> der östreichischen Armee in rein militärischer, wissenschaftlicher und geselliger<lb/> Bildung weit nach. Ein anderer Grund der Deprimirung des Offiziercorps<lb/> liegt in den gedrückten Familienverhältnissen vieler Mitglieder desselben. Wäh¬<lb/> rend bei den übrigen Offizieren der östreichischen Armee streng auf den Erlag<lb/> der vorgeschriebenen Heirathscaution gesehen, und — wenn die überaus be¬<lb/> schränkte Zahl der Berehlichten überschritten ist — die doppelte und dreifache<lb/> Caution gefordert, ja selbst jede Bewilligung absolut verweigert wird, ertheilt<lb/> man den Grenzerofsizieren gegen Erlag der einfachen, oft nur fingirten<lb/> Caution, häufig mit gänzlicher Nachsicht derselben, die Bewilligung zur Ehe,<lb/> ohne, wie es bei andern Truppen üblich ist, die nöthigen Erkundigungen<lb/> über den guten Leumund und die standesgemäße Erziehung der Braut einzu¬<lb/> holen. In neuester Zeit hat man sogar die Grenzcroffizicre, welche die Töch¬<lb/> ter anderer Grenzoffizicre ehelichen, von der Leistung der Caution gänzlich ent¬<lb/> hoben. So gibt es denn in der Grenze viele gänzlich mittellose und mit zahl¬<lb/> reicher Familie behaftete Offiziere. So lange dieselben in der Grenze, welche<lb/> wegen der Wohlfeilheit aller gewöhnlichen Lebensbedürfnisse bekannt ist, statio-<lb/> nirt sind, finden sie noch ein erträgliches Auskommen; werden sie aber in eine<lb/> andere Provinz versetzt, so sind Sorgen und Entbehrungen ihr Loos, und es<lb/> spielt bann der arme, durch die Nothwendigkeit zur größten Sparsamkeit ge¬<lb/> zwungene „Kroatenoffizier" eine sehr traurige Figur neben seinen lebenslustigen<lb/> und oft reich begüterten Kameraden der Linie. Auch werden bei keiner Truppe<lb/> so oft Offiziere, trotz ihrer sonstigen Verdienste, bei der Beförderung zu höhe¬<lb/> ren Stellen blos ihrer Familienverhältnisse wegen übergangen. Mancher brave</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
eines Bezirkes von zwei- bis dreitausend Seelen und ist oft einige Stunden
von den cindern Offizieren seiner Compagnie entfernt. Umgeben von seinen
Untergebenen ist er fast nur auf die Gesellschaft des gewöhnlich höchst unwis¬
senden Popen, der Verwaltungsbeamten und eines allenfalls in demselben
Orte wohnenden pensionirten Militärs angewiesen. Es sieben ihm keine
Bibliothek, keine Unterrichtsanstalten höheren Ranges, keine wissenschaft¬
lichen Vereine, kein Theater, ja nur selten einige bessere Journale zu Gebote,
und er findet bei seinen Gesellschaftern keine Anregung zu einer geistigen Be¬
schäftigung, sondern wird von denselben oft mit Gewalt in den Strudel ihrer
Alltagsvergnügungen, Spielen und Trinken, hineingezogen. Es gehört wahrlich
eine große Charakterstärke dazu, wenn ein junger Mann unter solchen Berhäl-
nissen nicht binnen kurzer Zeit ganz verbauern und sich den Karten, der Flasche
und dem wüstesten Umgange nut den Weibern und Töchtern seiner Untergebenen
ergeben soll.
Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen der chrcnwerthestcn Art, und es
find manche ausgezeichnete Generale aus der Militärgrenze hervorgegangen. Aber
die Mehrzahl der Grenzervfsiziere steht unbestritten ihren übrigen Kameraden
der östreichischen Armee in rein militärischer, wissenschaftlicher und geselliger
Bildung weit nach. Ein anderer Grund der Deprimirung des Offiziercorps
liegt in den gedrückten Familienverhältnissen vieler Mitglieder desselben. Wäh¬
rend bei den übrigen Offizieren der östreichischen Armee streng auf den Erlag
der vorgeschriebenen Heirathscaution gesehen, und — wenn die überaus be¬
schränkte Zahl der Berehlichten überschritten ist — die doppelte und dreifache
Caution gefordert, ja selbst jede Bewilligung absolut verweigert wird, ertheilt
man den Grenzerofsizieren gegen Erlag der einfachen, oft nur fingirten
Caution, häufig mit gänzlicher Nachsicht derselben, die Bewilligung zur Ehe,
ohne, wie es bei andern Truppen üblich ist, die nöthigen Erkundigungen
über den guten Leumund und die standesgemäße Erziehung der Braut einzu¬
holen. In neuester Zeit hat man sogar die Grenzcroffizicre, welche die Töch¬
ter anderer Grenzoffizicre ehelichen, von der Leistung der Caution gänzlich ent¬
hoben. So gibt es denn in der Grenze viele gänzlich mittellose und mit zahl¬
reicher Familie behaftete Offiziere. So lange dieselben in der Grenze, welche
wegen der Wohlfeilheit aller gewöhnlichen Lebensbedürfnisse bekannt ist, statio-
nirt sind, finden sie noch ein erträgliches Auskommen; werden sie aber in eine
andere Provinz versetzt, so sind Sorgen und Entbehrungen ihr Loos, und es
spielt bann der arme, durch die Nothwendigkeit zur größten Sparsamkeit ge¬
zwungene „Kroatenoffizier" eine sehr traurige Figur neben seinen lebenslustigen
und oft reich begüterten Kameraden der Linie. Auch werden bei keiner Truppe
so oft Offiziere, trotz ihrer sonstigen Verdienste, bei der Beförderung zu höhe¬
ren Stellen blos ihrer Familienverhältnisse wegen übergangen. Mancher brave
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