Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.den Zeitgenossen impoiiirende Lebensäußerung des Helden hervorbricht, hier ein Diese Schwierigkeiten erschweren mehr oder weniger das Verständniß eines ') fing, Sänger, sang , gestmgen.
den Zeitgenossen impoiiirende Lebensäußerung des Helden hervorbricht, hier ein Diese Schwierigkeiten erschweren mehr oder weniger das Verständniß eines ') fing, Sänger, sang , gestmgen.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114382"/> <p xml:id="ID_224" prev="#ID_223"> den Zeitgenossen impoiiirende Lebensäußerung des Helden hervorbricht, hier ein<lb/> treffendes Wort, dort eine energische That. Vorzugsweise in solchen Anekdoten be¬<lb/> ruht die Erinnerung, welche das Volk von seinem Führer und dessen Thaten bei<lb/> wahrt. Wir wissen, daß bis über die Reformation, ja bis über die Mitte des<lb/> Vongen Jahrhunderts hinaus dieselbe Auffassung bei Gebildeten häufig war,<lb/> daß sie noch jetzt in unserm Volke nicht geschwunden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_225" next="#ID_226"> Diese Schwierigkeiten erschweren mehr oder weniger das Verständniß eines<lb/> jeden Volkes in seiner Jugendzeit. Aber in der Anlage unsrer Urahnen war<lb/> noch etwas Besonderes, was ihr Wesen zuweilen geheimnißvoll Macht. Schön<lb/> in ihrer ältesten epischen Zeit zeigen sie in Charakteren, in Sprache, Poesie und<lb/> Sitte die Neigung, ein individuelles Empfinden und Grübeln zur Geltung zu<lb/> bringen. Nicht die Dinge an sich, sondern was sie bedeuten ist schon den Ahnen<lb/> des Denkervolkes die Hauptsache. Sehr reichlich dringen die Bilder der Außen¬<lb/> welt in die Seele der alten Germanen, sie sind vielseitiger, anerkennender, mit<lb/> stärkerer Neceptionskraft versehen, als jedes andere Volk der Erde. Aber nicht<lb/> im der schönen, klaren, ruhigen Weise der Griechen, oder mit der sichern, be¬<lb/> schränkten, praktischen! Einseitigkeit der Römer spiegelt sich das Empfangene bei<lb/> ihnen in Rede und Thun wieder, sie verarbeiten langsam und innig, und was<lb/> aus ihnen herausquillt, hat eine starke subjective Färbung und eine Zugabe<lb/> aus ihrem Gemüth erhalten, die wir schon in frühester Zeit allerdings lyrisch<lb/> nennen dürfen. In ihrer Sprache begnügen sie sich nicht, an eine feste gediegeM<lb/> Masse der Wortstamme die bildenden und Flexionssylben als organisirende Glie¬<lb/> der anzufügen, der alte Stamm selbst bewegt sich flüssiger, als bei einem andern<lb/> indogermanischen Volk, und wird bei Nomen und Verbum in seinem melodischen<lb/> Elemente, dem Vokal, unaufhörlich umgeformt"). Und wieder die älteste Poesie<lb/> der Deutschen steht in dem auffälligsten Gegensatz zu dem Epos der Grieche»,<lb/> nicht das volle und reichliche Erzählen der Handlung ist ihr die Hauptsache,<lb/> sondern ein scharfes Herausheben einzelner glänzenden Züge, die Verknüpfung<lb/> des Momentes mit einem ausgeführten Bilde, ein Darstellen in kurzen abge¬<lb/> brochenen Wellen, auf denen man das aufgeregte Gemüth des Erzählers empfindet.<lb/> Ebenso steht dem kurzen, präcisen, scharfen Rechtsgrundsatz des Römers Nechts-<lb/> formel und Allegorie des Deutschen entgegen, überall bunte Bilder und sym¬<lb/> bolische Handlungen, in welchen der Rechtssatz wie verhüllt und phantastisch<lb/> umsponnen erscheint. Ganz ebenso ist bei den Charakteren die trotzige Egois¬<lb/> mus mit einer Hingabe an ideale Empfindungen verbunden, die den Deutschen<lb/> seit der Urzeit ein auffallendes Gepräge gab und sie mehr als ihre Körperkraft<lb/> und kriegerische Wucht den Römern furchtbar machte. Keine Volkssitte hat so<lb/> keusch und edel das Wesen der Frau gefaßt, kein Heidenglaube hat wie der</p><lb/> <note xml:id="FID_4" place="foot"> ') fing, Sänger, sang , gestmgen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
den Zeitgenossen impoiiirende Lebensäußerung des Helden hervorbricht, hier ein
treffendes Wort, dort eine energische That. Vorzugsweise in solchen Anekdoten be¬
ruht die Erinnerung, welche das Volk von seinem Führer und dessen Thaten bei
wahrt. Wir wissen, daß bis über die Reformation, ja bis über die Mitte des
Vongen Jahrhunderts hinaus dieselbe Auffassung bei Gebildeten häufig war,
daß sie noch jetzt in unserm Volke nicht geschwunden ist.
Diese Schwierigkeiten erschweren mehr oder weniger das Verständniß eines
jeden Volkes in seiner Jugendzeit. Aber in der Anlage unsrer Urahnen war
noch etwas Besonderes, was ihr Wesen zuweilen geheimnißvoll Macht. Schön
in ihrer ältesten epischen Zeit zeigen sie in Charakteren, in Sprache, Poesie und
Sitte die Neigung, ein individuelles Empfinden und Grübeln zur Geltung zu
bringen. Nicht die Dinge an sich, sondern was sie bedeuten ist schon den Ahnen
des Denkervolkes die Hauptsache. Sehr reichlich dringen die Bilder der Außen¬
welt in die Seele der alten Germanen, sie sind vielseitiger, anerkennender, mit
stärkerer Neceptionskraft versehen, als jedes andere Volk der Erde. Aber nicht
im der schönen, klaren, ruhigen Weise der Griechen, oder mit der sichern, be¬
schränkten, praktischen! Einseitigkeit der Römer spiegelt sich das Empfangene bei
ihnen in Rede und Thun wieder, sie verarbeiten langsam und innig, und was
aus ihnen herausquillt, hat eine starke subjective Färbung und eine Zugabe
aus ihrem Gemüth erhalten, die wir schon in frühester Zeit allerdings lyrisch
nennen dürfen. In ihrer Sprache begnügen sie sich nicht, an eine feste gediegeM
Masse der Wortstamme die bildenden und Flexionssylben als organisirende Glie¬
der anzufügen, der alte Stamm selbst bewegt sich flüssiger, als bei einem andern
indogermanischen Volk, und wird bei Nomen und Verbum in seinem melodischen
Elemente, dem Vokal, unaufhörlich umgeformt"). Und wieder die älteste Poesie
der Deutschen steht in dem auffälligsten Gegensatz zu dem Epos der Grieche»,
nicht das volle und reichliche Erzählen der Handlung ist ihr die Hauptsache,
sondern ein scharfes Herausheben einzelner glänzenden Züge, die Verknüpfung
des Momentes mit einem ausgeführten Bilde, ein Darstellen in kurzen abge¬
brochenen Wellen, auf denen man das aufgeregte Gemüth des Erzählers empfindet.
Ebenso steht dem kurzen, präcisen, scharfen Rechtsgrundsatz des Römers Nechts-
formel und Allegorie des Deutschen entgegen, überall bunte Bilder und sym¬
bolische Handlungen, in welchen der Rechtssatz wie verhüllt und phantastisch
umsponnen erscheint. Ganz ebenso ist bei den Charakteren die trotzige Egois¬
mus mit einer Hingabe an ideale Empfindungen verbunden, die den Deutschen
seit der Urzeit ein auffallendes Gepräge gab und sie mehr als ihre Körperkraft
und kriegerische Wucht den Römern furchtbar machte. Keine Volkssitte hat so
keusch und edel das Wesen der Frau gefaßt, kein Heidenglaube hat wie der
') fing, Sänger, sang , gestmgen.
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