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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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den Bahnhof der nach Civita Vecchia führenden Eisenbahn und sehen hoch be-
ladene Omnibus hin und herrollen.

Die Gebäude, welche nun bald beide Seiten der Straße einnehmen und nur
von Zeit zu Zeit einen Blick über den Fluß, Trastevcre und auf den Janiculus
freilassen, sind Negierungsspeicher, auch die gewaltigen Hallen des Aemilianischen
Portikus sind dazu verwendet. Wir erreichen den kleinen Platz der Bocca
della Verna, wo rechts die kleine altbyzantinische Kirche gleichen Namens,
links der zierliche kleine Vestatempel steht. Französische Infanterie exercirt auf
dem Platze; ein Theil derselben springt durch einander in den allerdizarrsten
Wendungen, rechts oder links um kehrt, hüpft vorwärts, rückwärts oder in die
Höhe, schwenkt und stoßt mit dem Gewehr; so muß es ungefähr sein, wenn
man eine Hand voll Flöhe auf den Tisch wirft. Das hier aber ist das Ba-
jonnetfechten. Das Exerciren der Truppen im Gliede geschieht mit einer
Nonchalance und einem Mangel an Anspannung, der lebhast an einen Exercir-
platz der seligen Bürgerwehr erinnert. Wir wenden uns rechts bei dem Ja-
nusbogen, dem zierlichen kleinen Bogen der Goldschmiede und der Kirche Se.
Giorgio in Velubro vorüber. Seitwärts gähnt die Höhlung der Cloaca maxima,
treten wir näher an dieselbe, so ist es keine Wassernixe, die unserer harrt, son¬
dern es sind mehr wie fünfzig Wäscherinnen, hochgeschürzt, um ein Steinbassin
versammelt, eine jener öffentlichen, in Rom so zahlreichen Waschanstalten. Ge¬
schwätzig durcheinanderschnatternd, wie die Kapitolinischen Gänse, wäre dieser
Chor eine passende Begleitung zu dem Chaos der hüpfenden Franzosen.

Wiederum schließen Regierungsmagazine die Straße ein; da wo sie ins
Forum einmündet, liegen Schmieden, an denen Büffel beschlagen werden. Das
Thier ist in einen Nothstall gezwängt, mit Stricken emporgezogen und fest¬
gehalten, zuckt und sträubt sich krampfhaft, meist vergeblich; zuweilen aber ge¬
lingt es ihm dennoch die starken Bande zu sprengen, wie Zwirnfäden; dann
flüchtet alles in der Nähe, und wehe dem Gegenstände, an dem das Thier dann
seine Wuth ausläßt.

In dem Augenblicke, da wir das Forum betreten, schlagen die Klänge eines
kriegerischen Marsches an unser Ohr; wir schauen auf und erblicken eine Pro-
cession, die eben aus der Kirche S. Giuseppe über den Mamertinischen Gefäng¬
nissen hervortritt. Da fällt uns plötzlich ein, es ist ja heut der S. Josephs¬
tag, der voriges Jahr zur Erinnerung an Garibaldi mit einer schwächlichen
Demonstration gefeiert wurde und heute früh war in der Nähe unserer Woh¬
nung viel Geschrei und Gelächter der Weiber, weil man vor der Hausthür
eines neuvermählten Paares einen prächtigen Blumenkranz gefunden hatte.
Wie das zusammenhängt? S. Giuseppe spielt auf den unzähligen Bildern der
heiligen Familie in den Kirchen Roms stets eine höchst alberne Rolle, und der
naive Volkswitz hat ihn zum xackrons äei corrut-i d. h. zum Schutzheiligen aller


Ärenzbotcn HI. 1S62. so

den Bahnhof der nach Civita Vecchia führenden Eisenbahn und sehen hoch be-
ladene Omnibus hin und herrollen.

Die Gebäude, welche nun bald beide Seiten der Straße einnehmen und nur
von Zeit zu Zeit einen Blick über den Fluß, Trastevcre und auf den Janiculus
freilassen, sind Negierungsspeicher, auch die gewaltigen Hallen des Aemilianischen
Portikus sind dazu verwendet. Wir erreichen den kleinen Platz der Bocca
della Verna, wo rechts die kleine altbyzantinische Kirche gleichen Namens,
links der zierliche kleine Vestatempel steht. Französische Infanterie exercirt auf
dem Platze; ein Theil derselben springt durch einander in den allerdizarrsten
Wendungen, rechts oder links um kehrt, hüpft vorwärts, rückwärts oder in die
Höhe, schwenkt und stoßt mit dem Gewehr; so muß es ungefähr sein, wenn
man eine Hand voll Flöhe auf den Tisch wirft. Das hier aber ist das Ba-
jonnetfechten. Das Exerciren der Truppen im Gliede geschieht mit einer
Nonchalance und einem Mangel an Anspannung, der lebhast an einen Exercir-
platz der seligen Bürgerwehr erinnert. Wir wenden uns rechts bei dem Ja-
nusbogen, dem zierlichen kleinen Bogen der Goldschmiede und der Kirche Se.
Giorgio in Velubro vorüber. Seitwärts gähnt die Höhlung der Cloaca maxima,
treten wir näher an dieselbe, so ist es keine Wassernixe, die unserer harrt, son¬
dern es sind mehr wie fünfzig Wäscherinnen, hochgeschürzt, um ein Steinbassin
versammelt, eine jener öffentlichen, in Rom so zahlreichen Waschanstalten. Ge¬
schwätzig durcheinanderschnatternd, wie die Kapitolinischen Gänse, wäre dieser
Chor eine passende Begleitung zu dem Chaos der hüpfenden Franzosen.

Wiederum schließen Regierungsmagazine die Straße ein; da wo sie ins
Forum einmündet, liegen Schmieden, an denen Büffel beschlagen werden. Das
Thier ist in einen Nothstall gezwängt, mit Stricken emporgezogen und fest¬
gehalten, zuckt und sträubt sich krampfhaft, meist vergeblich; zuweilen aber ge¬
lingt es ihm dennoch die starken Bande zu sprengen, wie Zwirnfäden; dann
flüchtet alles in der Nähe, und wehe dem Gegenstände, an dem das Thier dann
seine Wuth ausläßt.

In dem Augenblicke, da wir das Forum betreten, schlagen die Klänge eines
kriegerischen Marsches an unser Ohr; wir schauen auf und erblicken eine Pro-
cession, die eben aus der Kirche S. Giuseppe über den Mamertinischen Gefäng¬
nissen hervortritt. Da fällt uns plötzlich ein, es ist ja heut der S. Josephs¬
tag, der voriges Jahr zur Erinnerung an Garibaldi mit einer schwächlichen
Demonstration gefeiert wurde und heute früh war in der Nähe unserer Woh¬
nung viel Geschrei und Gelächter der Weiber, weil man vor der Hausthür
eines neuvermählten Paares einen prächtigen Blumenkranz gefunden hatte.
Wie das zusammenhängt? S. Giuseppe spielt auf den unzähligen Bildern der
heiligen Familie in den Kirchen Roms stets eine höchst alberne Rolle, und der
naive Volkswitz hat ihn zum xackrons äei corrut-i d. h. zum Schutzheiligen aller


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[0529] den Bahnhof der nach Civita Vecchia führenden Eisenbahn und sehen hoch be- ladene Omnibus hin und herrollen. Die Gebäude, welche nun bald beide Seiten der Straße einnehmen und nur von Zeit zu Zeit einen Blick über den Fluß, Trastevcre und auf den Janiculus freilassen, sind Negierungsspeicher, auch die gewaltigen Hallen des Aemilianischen Portikus sind dazu verwendet. Wir erreichen den kleinen Platz der Bocca della Verna, wo rechts die kleine altbyzantinische Kirche gleichen Namens, links der zierliche kleine Vestatempel steht. Französische Infanterie exercirt auf dem Platze; ein Theil derselben springt durch einander in den allerdizarrsten Wendungen, rechts oder links um kehrt, hüpft vorwärts, rückwärts oder in die Höhe, schwenkt und stoßt mit dem Gewehr; so muß es ungefähr sein, wenn man eine Hand voll Flöhe auf den Tisch wirft. Das hier aber ist das Ba- jonnetfechten. Das Exerciren der Truppen im Gliede geschieht mit einer Nonchalance und einem Mangel an Anspannung, der lebhast an einen Exercir- platz der seligen Bürgerwehr erinnert. Wir wenden uns rechts bei dem Ja- nusbogen, dem zierlichen kleinen Bogen der Goldschmiede und der Kirche Se. Giorgio in Velubro vorüber. Seitwärts gähnt die Höhlung der Cloaca maxima, treten wir näher an dieselbe, so ist es keine Wassernixe, die unserer harrt, son¬ dern es sind mehr wie fünfzig Wäscherinnen, hochgeschürzt, um ein Steinbassin versammelt, eine jener öffentlichen, in Rom so zahlreichen Waschanstalten. Ge¬ schwätzig durcheinanderschnatternd, wie die Kapitolinischen Gänse, wäre dieser Chor eine passende Begleitung zu dem Chaos der hüpfenden Franzosen. Wiederum schließen Regierungsmagazine die Straße ein; da wo sie ins Forum einmündet, liegen Schmieden, an denen Büffel beschlagen werden. Das Thier ist in einen Nothstall gezwängt, mit Stricken emporgezogen und fest¬ gehalten, zuckt und sträubt sich krampfhaft, meist vergeblich; zuweilen aber ge¬ lingt es ihm dennoch die starken Bande zu sprengen, wie Zwirnfäden; dann flüchtet alles in der Nähe, und wehe dem Gegenstände, an dem das Thier dann seine Wuth ausläßt. In dem Augenblicke, da wir das Forum betreten, schlagen die Klänge eines kriegerischen Marsches an unser Ohr; wir schauen auf und erblicken eine Pro- cession, die eben aus der Kirche S. Giuseppe über den Mamertinischen Gefäng¬ nissen hervortritt. Da fällt uns plötzlich ein, es ist ja heut der S. Josephs¬ tag, der voriges Jahr zur Erinnerung an Garibaldi mit einer schwächlichen Demonstration gefeiert wurde und heute früh war in der Nähe unserer Woh¬ nung viel Geschrei und Gelächter der Weiber, weil man vor der Hausthür eines neuvermählten Paares einen prächtigen Blumenkranz gefunden hatte. Wie das zusammenhängt? S. Giuseppe spielt auf den unzähligen Bildern der heiligen Familie in den Kirchen Roms stets eine höchst alberne Rolle, und der naive Volkswitz hat ihn zum xackrons äei corrut-i d. h. zum Schutzheiligen aller Ärenzbotcn HI. 1S62. so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/529>, abgerufen am 05.02.2025.