Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.mitten in eleganten Straßen stehen sehen, wie diese entweder aus egoistischen Ein Theil des im Folgenden Mitgetheilten fällt in dieses Capitel, anderes Wir schildern zunächst eine Landsgemeinde in App enzell-Jnnerr h oden, Am Tage der Landsgemeinde begeben sich sämmtliche erste Landesbeamtc mitten in eleganten Straßen stehen sehen, wie diese entweder aus egoistischen Ein Theil des im Folgenden Mitgetheilten fällt in dieses Capitel, anderes Wir schildern zunächst eine Landsgemeinde in App enzell-Jnnerr h oden, Am Tage der Landsgemeinde begeben sich sämmtliche erste Landesbeamtc <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114812"/> <p xml:id="ID_1945" prev="#ID_1944"> mitten in eleganten Straßen stehen sehen, wie diese entweder aus egoistischen<lb/> Gründen oder aus Liebe des Besitzers zur alten Zeit erhalten und wie diese zu<lb/> baldigen Abbruch, zum Abbruch wenigstens durch die nächste Generation bestimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1946"> Ein Theil des im Folgenden Mitgetheilten fällt in dieses Capitel, anderes<lb/> ist ein schöner und der Erhaltung werther Nest altschweizerischen Lebens. Das<lb/> Ganze wird neben dem oben angedeuteten Zweck auch der Belehrung juri¬<lb/> stischer Leser dienen. Die Quelle, aus der es stammt, ist das angeführte Buch<lb/> des Prof. >jur. Osenbrüggen, welches außer sehr hübschen Beobachtungen auf<lb/> dem Gebiet des Rechtslebens in den Cantonen Appenzell, Unterwalden, Zug<lb/> und Graubündten auch manches andere gute Bild, vorzüglich sauber ausgeführte<lb/> kleine Landschaften, z. B. Usenau, die Hutteninsel, bringt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1947"> Wir schildern zunächst eine Landsgemeinde in App enzell-Jnnerr h oden,<lb/> wo die alte Form dieser Volksversammlungen, die auch in Uri, Unterwalden und<lb/> Glarus vorkommen, am besten erhallen ist. Die jährliche ordentliche Lands¬<lb/> gemeinde hat am „Sonntag vor eingehenden Maien", d. h. am letzten Sonn¬<lb/> tag im April statt, ist also nichts Anderes als euie altgermanische Maiversamm¬<lb/> lung. Alle „Landlüt" (der moderne Name Bürger oder Staatsbürger ist nicht<lb/> gebräuchlich), die achtzehn Jahre alt sind und das Landrecht haben, erscheinen<lb/> bei derselben und zwar noch jetzt nach alter Sitte mit einem Seitengewehr ver¬<lb/> sehen — ein Nachklang des Taciteischen ,^>.ä ne^den proevcluur, (Korne>.in)<lb/> cU'nati". Das Seitengewehr des Appenzellers ist das Symbol seiner bürger¬<lb/> lichen Ehre. „Ehr- und wehrhaft" heißt, wer im Vollgenuß dieser Ehre ist,<lb/> „von Ehr und Gewehr setzen" bedeutet, ihm diese Ehre gesetzlich entziehen.<lb/> Noch in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts trug man in Appenzell das<lb/> Seitengewehr bei Gericht, bei Hochzeiten (wie noch jetzt in schwäbischen Dör¬<lb/> fern), auf Jahrmärkten, sogar ber der Eommunivn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1948" next="#ID_1949"> Am Tage der Landsgemeinde begeben sich sämmtliche erste Landesbeamtc<lb/> auf das Rathhaus, dann in die Kirche zum Gottesdienst und dann mit der<lb/> einfachen alten Musik von Trommeln und Pfeifen nach dem Landsgemeinde¬<lb/> platz. Die Musikante» sind halb weiß halb schwarz gekleidet und tragen auf<lb/> der Brust silberne Schilde. Am Ziel der Procession angekommen, besteigt der<lb/> Landammann, welcher „die Gemeinde führt" (präsidire), ein in den Landes¬<lb/> farben schwarz und weiß angestrichenes Gerüst, den „Stuhl", an welchem zwei<lb/> mächtige alte Schlachtschwerter angebracht sind-. Ihm zur Rechten steht der Land-<lb/> weibcl in seiner Amtstracht, ihm zur Linken der Landschreiber, der das Land¬<lb/> buch führt. Die Landlüt stehen davor nach Rhoden geordnet, mit ihren Haupt¬<lb/> leuten an der Spitze. Der Landammann eröffnet die Verhandlungen mit einer<lb/> Rede, die wie alle Ansprachen dieser Art mit den Worten „hochgeachtete, hoch¬<lb/> geehrte Herren, getreue liebe Landlüt" beginnt, und nach deren Beendigung<lb/> alle die Hüte abnehmend, die Drei auf dem „Stuhl" knieend, ein stilles Gebet</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0498]
mitten in eleganten Straßen stehen sehen, wie diese entweder aus egoistischen
Gründen oder aus Liebe des Besitzers zur alten Zeit erhalten und wie diese zu
baldigen Abbruch, zum Abbruch wenigstens durch die nächste Generation bestimmt.
Ein Theil des im Folgenden Mitgetheilten fällt in dieses Capitel, anderes
ist ein schöner und der Erhaltung werther Nest altschweizerischen Lebens. Das
Ganze wird neben dem oben angedeuteten Zweck auch der Belehrung juri¬
stischer Leser dienen. Die Quelle, aus der es stammt, ist das angeführte Buch
des Prof. >jur. Osenbrüggen, welches außer sehr hübschen Beobachtungen auf
dem Gebiet des Rechtslebens in den Cantonen Appenzell, Unterwalden, Zug
und Graubündten auch manches andere gute Bild, vorzüglich sauber ausgeführte
kleine Landschaften, z. B. Usenau, die Hutteninsel, bringt.
Wir schildern zunächst eine Landsgemeinde in App enzell-Jnnerr h oden,
wo die alte Form dieser Volksversammlungen, die auch in Uri, Unterwalden und
Glarus vorkommen, am besten erhallen ist. Die jährliche ordentliche Lands¬
gemeinde hat am „Sonntag vor eingehenden Maien", d. h. am letzten Sonn¬
tag im April statt, ist also nichts Anderes als euie altgermanische Maiversamm¬
lung. Alle „Landlüt" (der moderne Name Bürger oder Staatsbürger ist nicht
gebräuchlich), die achtzehn Jahre alt sind und das Landrecht haben, erscheinen
bei derselben und zwar noch jetzt nach alter Sitte mit einem Seitengewehr ver¬
sehen — ein Nachklang des Taciteischen ,^>.ä ne^den proevcluur, (Korne>.in)
cU'nati". Das Seitengewehr des Appenzellers ist das Symbol seiner bürger¬
lichen Ehre. „Ehr- und wehrhaft" heißt, wer im Vollgenuß dieser Ehre ist,
„von Ehr und Gewehr setzen" bedeutet, ihm diese Ehre gesetzlich entziehen.
Noch in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts trug man in Appenzell das
Seitengewehr bei Gericht, bei Hochzeiten (wie noch jetzt in schwäbischen Dör¬
fern), auf Jahrmärkten, sogar ber der Eommunivn.
Am Tage der Landsgemeinde begeben sich sämmtliche erste Landesbeamtc
auf das Rathhaus, dann in die Kirche zum Gottesdienst und dann mit der
einfachen alten Musik von Trommeln und Pfeifen nach dem Landsgemeinde¬
platz. Die Musikante» sind halb weiß halb schwarz gekleidet und tragen auf
der Brust silberne Schilde. Am Ziel der Procession angekommen, besteigt der
Landammann, welcher „die Gemeinde führt" (präsidire), ein in den Landes¬
farben schwarz und weiß angestrichenes Gerüst, den „Stuhl", an welchem zwei
mächtige alte Schlachtschwerter angebracht sind-. Ihm zur Rechten steht der Land-
weibcl in seiner Amtstracht, ihm zur Linken der Landschreiber, der das Land¬
buch führt. Die Landlüt stehen davor nach Rhoden geordnet, mit ihren Haupt¬
leuten an der Spitze. Der Landammann eröffnet die Verhandlungen mit einer
Rede, die wie alle Ansprachen dieser Art mit den Worten „hochgeachtete, hoch¬
geehrte Herren, getreue liebe Landlüt" beginnt, und nach deren Beendigung
alle die Hüte abnehmend, die Drei auf dem „Stuhl" knieend, ein stilles Gebet
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