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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Der Großherzog wird von dem Berichterstatter, der uns das Material zu diesen
Betrachtungen lieferte, als persönlich wohlwollend und nur zu ängstlich geschildert.
Wir hätten dazu -noch einige andere Bemerkungen zu machen, wollen indeß aus
Gründen, die auf der Hand liegen, davon absehen, wie wir vorhin von einer Parallele
zwischen hessischen und sächsischen Zuständen absehen mußten. Es genüge also, zu
bemerken, daß Ludwig der Dritte von einem Theil seiner Unterthanen als von den
Ministern über die wahre Stimmung des Landes schlecht unterrichtet angesehen wird, daß
er sich vor jeder kräftigen Regung des Volkslebens sofort in die innersten Gemächer
seiner Hofburg zurückzieht oder zu seinem königlichen Schwager nach München, nach
Befinden auch auf die Villa seines Schwiegervaters zu Edenkoben flüchtet, daß er
die Bewegung, die durch sein Volk geht, als eine vom Nationalverein und dem
Advocaten Metz, die ihn mediatisiren wollen, künstlich aufgestachelte ansieht, und daß
er, wie alle unsre großen Herren, überhaupt keine Borstellung davon hat, was im
Volke vorgeht, und wie die Welt sich anschickt, eine andere Gestalt anzunehmen.
Aber wenn nicht in Darmstadt, so doch in München wird man ihm endlich doch
rathen, zu sorgen, daß er "Friede habe mit seinem Volke", schon deshalb, weil die
im benachbarten Baden herrschende Eintracht zwischen Fürst und Volk ein so fatales
Licht auf die hessischen Zustände wirst und weil andrerseits Illiberalität und Parti.
cularismus zusammen aus die Dauer nicht ertragen werden. Endlich aber ist der
Firma Dalwigk u. Co. neuerdings im Fürstenhause selbst eine nicht gering zu
achtende Gegnerin erstanden. Wir meinen die in constitutionellen Grundsätzen erzogene
junge Gemahlin des präsumtivcn Thronfolgers, der selbst für liberal denkend und
zugleich Preußen zugeneigt gilt, und dessen erlauchte Schwiegermutter das größte
' Interesse dabei hat, daß ihre Tochter einst keinen wankenden, sondern einen in der
Liebe des hessischen Volkes festbegründeten Thron besteige.

Auch über das Verhältniß des Großherzogs zu seinem wahrscheinlichen Nach¬
folger ließe sich noch mehr sagen. Genug aber. Wie sich auch die Dinge zunächst
gestalten mögen, zweierlei ist gewiß: Es ist ein Stück deutscher Geschichte, das hier
gemacht wird, und es gibt nimmermehr eine Versöhnung zwischen dem hessischen Volke
und den Dalwigks. Sie sind für jetzt und alle Zukunft unmöglich geworden.




Mit Ur. 40 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1862.
Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Der Großherzog wird von dem Berichterstatter, der uns das Material zu diesen
Betrachtungen lieferte, als persönlich wohlwollend und nur zu ängstlich geschildert.
Wir hätten dazu -noch einige andere Bemerkungen zu machen, wollen indeß aus
Gründen, die auf der Hand liegen, davon absehen, wie wir vorhin von einer Parallele
zwischen hessischen und sächsischen Zuständen absehen mußten. Es genüge also, zu
bemerken, daß Ludwig der Dritte von einem Theil seiner Unterthanen als von den
Ministern über die wahre Stimmung des Landes schlecht unterrichtet angesehen wird, daß
er sich vor jeder kräftigen Regung des Volkslebens sofort in die innersten Gemächer
seiner Hofburg zurückzieht oder zu seinem königlichen Schwager nach München, nach
Befinden auch auf die Villa seines Schwiegervaters zu Edenkoben flüchtet, daß er
die Bewegung, die durch sein Volk geht, als eine vom Nationalverein und dem
Advocaten Metz, die ihn mediatisiren wollen, künstlich aufgestachelte ansieht, und daß
er, wie alle unsre großen Herren, überhaupt keine Borstellung davon hat, was im
Volke vorgeht, und wie die Welt sich anschickt, eine andere Gestalt anzunehmen.
Aber wenn nicht in Darmstadt, so doch in München wird man ihm endlich doch
rathen, zu sorgen, daß er „Friede habe mit seinem Volke", schon deshalb, weil die
im benachbarten Baden herrschende Eintracht zwischen Fürst und Volk ein so fatales
Licht auf die hessischen Zustände wirst und weil andrerseits Illiberalität und Parti.
cularismus zusammen aus die Dauer nicht ertragen werden. Endlich aber ist der
Firma Dalwigk u. Co. neuerdings im Fürstenhause selbst eine nicht gering zu
achtende Gegnerin erstanden. Wir meinen die in constitutionellen Grundsätzen erzogene
junge Gemahlin des präsumtivcn Thronfolgers, der selbst für liberal denkend und
zugleich Preußen zugeneigt gilt, und dessen erlauchte Schwiegermutter das größte
' Interesse dabei hat, daß ihre Tochter einst keinen wankenden, sondern einen in der
Liebe des hessischen Volkes festbegründeten Thron besteige.

Auch über das Verhältniß des Großherzogs zu seinem wahrscheinlichen Nach¬
folger ließe sich noch mehr sagen. Genug aber. Wie sich auch die Dinge zunächst
gestalten mögen, zweierlei ist gewiß: Es ist ein Stück deutscher Geschichte, das hier
gemacht wird, und es gibt nimmermehr eine Versöhnung zwischen dem hessischen Volke
und den Dalwigks. Sie sind für jetzt und alle Zukunft unmöglich geworden.




Mit Ur. 40 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1862.
Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0496] Der Großherzog wird von dem Berichterstatter, der uns das Material zu diesen Betrachtungen lieferte, als persönlich wohlwollend und nur zu ängstlich geschildert. Wir hätten dazu -noch einige andere Bemerkungen zu machen, wollen indeß aus Gründen, die auf der Hand liegen, davon absehen, wie wir vorhin von einer Parallele zwischen hessischen und sächsischen Zuständen absehen mußten. Es genüge also, zu bemerken, daß Ludwig der Dritte von einem Theil seiner Unterthanen als von den Ministern über die wahre Stimmung des Landes schlecht unterrichtet angesehen wird, daß er sich vor jeder kräftigen Regung des Volkslebens sofort in die innersten Gemächer seiner Hofburg zurückzieht oder zu seinem königlichen Schwager nach München, nach Befinden auch auf die Villa seines Schwiegervaters zu Edenkoben flüchtet, daß er die Bewegung, die durch sein Volk geht, als eine vom Nationalverein und dem Advocaten Metz, die ihn mediatisiren wollen, künstlich aufgestachelte ansieht, und daß er, wie alle unsre großen Herren, überhaupt keine Borstellung davon hat, was im Volke vorgeht, und wie die Welt sich anschickt, eine andere Gestalt anzunehmen. Aber wenn nicht in Darmstadt, so doch in München wird man ihm endlich doch rathen, zu sorgen, daß er „Friede habe mit seinem Volke", schon deshalb, weil die im benachbarten Baden herrschende Eintracht zwischen Fürst und Volk ein so fatales Licht auf die hessischen Zustände wirst und weil andrerseits Illiberalität und Parti. cularismus zusammen aus die Dauer nicht ertragen werden. Endlich aber ist der Firma Dalwigk u. Co. neuerdings im Fürstenhause selbst eine nicht gering zu achtende Gegnerin erstanden. Wir meinen die in constitutionellen Grundsätzen erzogene junge Gemahlin des präsumtivcn Thronfolgers, der selbst für liberal denkend und zugleich Preußen zugeneigt gilt, und dessen erlauchte Schwiegermutter das größte ' Interesse dabei hat, daß ihre Tochter einst keinen wankenden, sondern einen in der Liebe des hessischen Volkes festbegründeten Thron besteige. Auch über das Verhältniß des Großherzogs zu seinem wahrscheinlichen Nach¬ folger ließe sich noch mehr sagen. Genug aber. Wie sich auch die Dinge zunächst gestalten mögen, zweierlei ist gewiß: Es ist ein Stück deutscher Geschichte, das hier gemacht wird, und es gibt nimmermehr eine Versöhnung zwischen dem hessischen Volke und den Dalwigks. Sie sind für jetzt und alle Zukunft unmöglich geworden. Mit Ur. 40 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, im September 1862. Die Verlagshandlung. Verantwortlicher Redacteur: or. Moritz Busch. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/496>, abgerufen am 05.02.2025.