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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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seinem Aufstande seine Gebirge, seine undurchdringlichen Wälder zu statten.
Griechenland war ebenfalls durch seine gebirgige Natur und überdies durch seine
Lage an der Meeresküste begünstigt, auch hatte es den Nimbus seiner Vergan¬
genheit, der ihm die Sympathien einflußreicher Kreise im Westen zuwandte.
Wir Bulgaren, deren Land großentheils flach ist, deren Städte fast ohne Aus¬
nahme türkische Festungen sind, denen nur mit Schwierigkeit Waffen zugeführt
werden können, während die unmittelbare Nähe Asiens den Türken gestattet,
uns sofort mit Truppenmassen zu überschwemmen, würden ohne starke Unter¬
stützung von außen in kurzer Zeit unterworfen sein.

Demungeachtet erhoben sich von Zeit zu Zeit kühne Männer, unfähig,
sich länger zu fügen, aber stets nur, um dem gewissen Untergang entgegenzu¬
gehen. Als im Jahre 1851 ein Theil der Bulgaren aufstand und die Türken
mit dem Muth der Verzweiflung angriff, ließ man die Rebellen anfangs ge¬
währen, nahm aber Rache an deren unschuldigen Weibern und Kindern, die
von wilden Horden überfallen und grausam niedergemetzelt wurden. Als ferner
1856 ein gewisser Nikola, Leibschneider des Paschas, in Ternowo sich mit ei¬
nigen Gleichgesinnten gegen die grausame Willkür erhob, die er, ein begabter
und patriotisch gesinnter Mann, in der Umgebung des Paschas täglich gegen
seine Landsleute üben sah, mußten die Insurgenten nach kurzem Kampf der Ue¬
bermacht weichen. Die meisten fielen, Nikola entkam zunächst, wurde aber bald
nachher auf Befehl des Paschas, während er bei Gebrowo in einem Garten
schlief, von türkischen Gendarmen ermordet. Es wäre ein Leichtes gewesen,
ihn lebendig einzubringen und vor Gericht zu stellen. Das aber lag nicht im
Interesse des Paschas. Nach Konstantinopel gebracht, würde Nikola dort die
Schändlichkeit der türkischen Beamten in Bulgarien aufgedeckt haben, die Ge¬
sandten der fremden Mächte würden es erfahren, und die Pforte würde Unge-
legenheiten davon gehabt'haben.

Seitdem haben sich die Verhältnisse geändert. Das Volk in Bulgarien
ist besser vorbereitet, Serbien steht in Waffen, eine bulgarische Legion, mehre
tausend Mann stark, lagert an der Südgrenze des Fürstenthums, die Skupt-
schina. die demnächst in Belgrad zusammentreten wird, wird ohne Zweifel der
Pforte den Krieg erklären" und wenn uns die fremden Mächte gewähren lassen,
so wird weder Omer Pascha noch ein anderer türkischer Heerführer im Stande
sein, den Sturm aufzuhalten, der sich danp allenthalben in den südslavischen
Ländern wie in Bulgarien erheben wird."---

So weit unser bulgarischer Berichterstatter, der in dem Einen und dem An¬
dern vielleicht zu sanguinische Hoffnungen hegt, dessen Mittheilung übe-r die
Leiden seiner Landsleute aber ohne Zweifel begründet und dessen Raisonnement über
das Verhältniß der Südslaven zu Nußland überzeugend, mindestens beachtenswerth
ist. Rußland allein hätte uns Deutschen in dieser Angelegenheit Besor^-riß^ein-


seinem Aufstande seine Gebirge, seine undurchdringlichen Wälder zu statten.
Griechenland war ebenfalls durch seine gebirgige Natur und überdies durch seine
Lage an der Meeresküste begünstigt, auch hatte es den Nimbus seiner Vergan¬
genheit, der ihm die Sympathien einflußreicher Kreise im Westen zuwandte.
Wir Bulgaren, deren Land großentheils flach ist, deren Städte fast ohne Aus¬
nahme türkische Festungen sind, denen nur mit Schwierigkeit Waffen zugeführt
werden können, während die unmittelbare Nähe Asiens den Türken gestattet,
uns sofort mit Truppenmassen zu überschwemmen, würden ohne starke Unter¬
stützung von außen in kurzer Zeit unterworfen sein.

Demungeachtet erhoben sich von Zeit zu Zeit kühne Männer, unfähig,
sich länger zu fügen, aber stets nur, um dem gewissen Untergang entgegenzu¬
gehen. Als im Jahre 1851 ein Theil der Bulgaren aufstand und die Türken
mit dem Muth der Verzweiflung angriff, ließ man die Rebellen anfangs ge¬
währen, nahm aber Rache an deren unschuldigen Weibern und Kindern, die
von wilden Horden überfallen und grausam niedergemetzelt wurden. Als ferner
1856 ein gewisser Nikola, Leibschneider des Paschas, in Ternowo sich mit ei¬
nigen Gleichgesinnten gegen die grausame Willkür erhob, die er, ein begabter
und patriotisch gesinnter Mann, in der Umgebung des Paschas täglich gegen
seine Landsleute üben sah, mußten die Insurgenten nach kurzem Kampf der Ue¬
bermacht weichen. Die meisten fielen, Nikola entkam zunächst, wurde aber bald
nachher auf Befehl des Paschas, während er bei Gebrowo in einem Garten
schlief, von türkischen Gendarmen ermordet. Es wäre ein Leichtes gewesen,
ihn lebendig einzubringen und vor Gericht zu stellen. Das aber lag nicht im
Interesse des Paschas. Nach Konstantinopel gebracht, würde Nikola dort die
Schändlichkeit der türkischen Beamten in Bulgarien aufgedeckt haben, die Ge¬
sandten der fremden Mächte würden es erfahren, und die Pforte würde Unge-
legenheiten davon gehabt'haben.

Seitdem haben sich die Verhältnisse geändert. Das Volk in Bulgarien
ist besser vorbereitet, Serbien steht in Waffen, eine bulgarische Legion, mehre
tausend Mann stark, lagert an der Südgrenze des Fürstenthums, die Skupt-
schina. die demnächst in Belgrad zusammentreten wird, wird ohne Zweifel der
Pforte den Krieg erklären» und wenn uns die fremden Mächte gewähren lassen,
so wird weder Omer Pascha noch ein anderer türkischer Heerführer im Stande
sein, den Sturm aufzuhalten, der sich danp allenthalben in den südslavischen
Ländern wie in Bulgarien erheben wird."---

So weit unser bulgarischer Berichterstatter, der in dem Einen und dem An¬
dern vielleicht zu sanguinische Hoffnungen hegt, dessen Mittheilung übe-r die
Leiden seiner Landsleute aber ohne Zweifel begründet und dessen Raisonnement über
das Verhältniß der Südslaven zu Nußland überzeugend, mindestens beachtenswerth
ist. Rußland allein hätte uns Deutschen in dieser Angelegenheit Besor^-riß^ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/485>, abgerufen am 05.02.2025.