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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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in stehenden Hüttenlagern lagern zu lassen und geräumige Exercirhäuser zu er¬
bauen, um unausgesetzt und selbst in minder guter Jahreszeit die Ausbildung
vornehmen zu können.

Eine bewährte, weniger Lehrer erfordernde und diese weniger angreifende
Methode des Unterrichts ist der wechselseitige Unterricht, bei welchem als Men¬
toren ausgebildete Soldaten zu verwenden sind, die zugleich als Vormänner
in jeder Hütte benutzt werden können. Der Recrut lernt alles Erforderliche in
der Lagerhütte, das Reinigen und Putzen der Uniformen, des Lederzeuges, der
Gewehre, nötigenfalls das Zubereiten der Lebensmittel und das Kochen leich¬
ter und geschwinder von einem älteren Kameraden, als von seinen Schul-,
Unter- und Oberoffizieren. Bei rationeller Einübung der Recruten müssen:
Schritthalten nach der Musik, Handhabung des Gewehres und dessen Kennt¬
niß, Tirailliren im Felde und im Walde den Anfang, das Paradedesiliren,
das Präsentiren des Gewehres und das Tirailliren auf dem Exercirplatz aber
den Beschluß der Uebungen machen.

Wenn der Verfasser des angeführten Aufsatzes behauptete, daß, um den
aristokratischen Geist des Offiziercorps zu erhalten, die Ofsizierstcllen großen-
theils, wenigstens mit jungen Edelleuten besetzt werden müßten, so vergaß
derselbe, daß nach wie vor die jungen Edelleute, vor allem die Söhne der äl¬
teren 'Offiziere in die Armee eintreten und vorzugsweise sich bestreben werden,
das Offizierspatent zu erwerben und in der Armee eine Carriere zu machen,
daß ferner allenthalben die entschiedensten Demokraten binnen Kurzem, zu Offi¬
zieren befördert, aristokratische Gesinnungen annehmen und daß in Niedersachsen,
in Westphalen und allenthalben, wo es wohlhabende Bauern gibt, diese aristo¬
kratischer gesinnt sind, als selbst der Landadel.

In allen Ländern, die sich gut eingerichteter Schulen erfreuen, ist^es nicht
mehr als recht und billig, daß die Subalternoffiziere mehr gelernt haben müs¬
sen, als ihre Untergebenen, daß von ihnen mehr gefordert wird, als von den
Unteroffizieren; daß aber letzteres nicht immer der Fall, hat die Erfahrung in
den Herzogthümern gelehrt.

Ein guter militärischer Geist wird keineswegs durch die in den Cadetten-
häusern und den Ritterakademicn erzogenen jungen Leute in den Regimentern
eingeführt. Wahrer und richtiger militärischer Geist erhält sich nur, wenn von
Oben herab mit ritterlichem Geist auf die Offiziere eingewirkt wird, wenn die
Offiziere selbst nichts Schlechtes und Gemeines unter sich dulden dürfen und
jeden in ihrer Mitte nur nach seiner Ehrenhaftigkeit und Fähigkeit zu beurthei¬
len angehalten werden.

Der gedachte Aufsatz befürwortete die Aufstellung in zwei Gliedern und
forderte mit Recht, daß die Aufstellung für alle Formationen, Fechtarten, Colon-
nenbildung gleichförmig sein müsse -- mithin die Aufstellung auf drei Glie-


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in stehenden Hüttenlagern lagern zu lassen und geräumige Exercirhäuser zu er¬
bauen, um unausgesetzt und selbst in minder guter Jahreszeit die Ausbildung
vornehmen zu können.

Eine bewährte, weniger Lehrer erfordernde und diese weniger angreifende
Methode des Unterrichts ist der wechselseitige Unterricht, bei welchem als Men¬
toren ausgebildete Soldaten zu verwenden sind, die zugleich als Vormänner
in jeder Hütte benutzt werden können. Der Recrut lernt alles Erforderliche in
der Lagerhütte, das Reinigen und Putzen der Uniformen, des Lederzeuges, der
Gewehre, nötigenfalls das Zubereiten der Lebensmittel und das Kochen leich¬
ter und geschwinder von einem älteren Kameraden, als von seinen Schul-,
Unter- und Oberoffizieren. Bei rationeller Einübung der Recruten müssen:
Schritthalten nach der Musik, Handhabung des Gewehres und dessen Kennt¬
niß, Tirailliren im Felde und im Walde den Anfang, das Paradedesiliren,
das Präsentiren des Gewehres und das Tirailliren auf dem Exercirplatz aber
den Beschluß der Uebungen machen.

Wenn der Verfasser des angeführten Aufsatzes behauptete, daß, um den
aristokratischen Geist des Offiziercorps zu erhalten, die Ofsizierstcllen großen-
theils, wenigstens mit jungen Edelleuten besetzt werden müßten, so vergaß
derselbe, daß nach wie vor die jungen Edelleute, vor allem die Söhne der äl¬
teren 'Offiziere in die Armee eintreten und vorzugsweise sich bestreben werden,
das Offizierspatent zu erwerben und in der Armee eine Carriere zu machen,
daß ferner allenthalben die entschiedensten Demokraten binnen Kurzem, zu Offi¬
zieren befördert, aristokratische Gesinnungen annehmen und daß in Niedersachsen,
in Westphalen und allenthalben, wo es wohlhabende Bauern gibt, diese aristo¬
kratischer gesinnt sind, als selbst der Landadel.

In allen Ländern, die sich gut eingerichteter Schulen erfreuen, ist^es nicht
mehr als recht und billig, daß die Subalternoffiziere mehr gelernt haben müs¬
sen, als ihre Untergebenen, daß von ihnen mehr gefordert wird, als von den
Unteroffizieren; daß aber letzteres nicht immer der Fall, hat die Erfahrung in
den Herzogthümern gelehrt.

Ein guter militärischer Geist wird keineswegs durch die in den Cadetten-
häusern und den Ritterakademicn erzogenen jungen Leute in den Regimentern
eingeführt. Wahrer und richtiger militärischer Geist erhält sich nur, wenn von
Oben herab mit ritterlichem Geist auf die Offiziere eingewirkt wird, wenn die
Offiziere selbst nichts Schlechtes und Gemeines unter sich dulden dürfen und
jeden in ihrer Mitte nur nach seiner Ehrenhaftigkeit und Fähigkeit zu beurthei¬
len angehalten werden.

Der gedachte Aufsatz befürwortete die Aufstellung in zwei Gliedern und
forderte mit Recht, daß die Aufstellung für alle Formationen, Fechtarten, Colon-
nenbildung gleichförmig sein müsse — mithin die Aufstellung auf drei Glie-


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[0467] in stehenden Hüttenlagern lagern zu lassen und geräumige Exercirhäuser zu er¬ bauen, um unausgesetzt und selbst in minder guter Jahreszeit die Ausbildung vornehmen zu können. Eine bewährte, weniger Lehrer erfordernde und diese weniger angreifende Methode des Unterrichts ist der wechselseitige Unterricht, bei welchem als Men¬ toren ausgebildete Soldaten zu verwenden sind, die zugleich als Vormänner in jeder Hütte benutzt werden können. Der Recrut lernt alles Erforderliche in der Lagerhütte, das Reinigen und Putzen der Uniformen, des Lederzeuges, der Gewehre, nötigenfalls das Zubereiten der Lebensmittel und das Kochen leich¬ ter und geschwinder von einem älteren Kameraden, als von seinen Schul-, Unter- und Oberoffizieren. Bei rationeller Einübung der Recruten müssen: Schritthalten nach der Musik, Handhabung des Gewehres und dessen Kennt¬ niß, Tirailliren im Felde und im Walde den Anfang, das Paradedesiliren, das Präsentiren des Gewehres und das Tirailliren auf dem Exercirplatz aber den Beschluß der Uebungen machen. Wenn der Verfasser des angeführten Aufsatzes behauptete, daß, um den aristokratischen Geist des Offiziercorps zu erhalten, die Ofsizierstcllen großen- theils, wenigstens mit jungen Edelleuten besetzt werden müßten, so vergaß derselbe, daß nach wie vor die jungen Edelleute, vor allem die Söhne der äl¬ teren 'Offiziere in die Armee eintreten und vorzugsweise sich bestreben werden, das Offizierspatent zu erwerben und in der Armee eine Carriere zu machen, daß ferner allenthalben die entschiedensten Demokraten binnen Kurzem, zu Offi¬ zieren befördert, aristokratische Gesinnungen annehmen und daß in Niedersachsen, in Westphalen und allenthalben, wo es wohlhabende Bauern gibt, diese aristo¬ kratischer gesinnt sind, als selbst der Landadel. In allen Ländern, die sich gut eingerichteter Schulen erfreuen, ist^es nicht mehr als recht und billig, daß die Subalternoffiziere mehr gelernt haben müs¬ sen, als ihre Untergebenen, daß von ihnen mehr gefordert wird, als von den Unteroffizieren; daß aber letzteres nicht immer der Fall, hat die Erfahrung in den Herzogthümern gelehrt. Ein guter militärischer Geist wird keineswegs durch die in den Cadetten- häusern und den Ritterakademicn erzogenen jungen Leute in den Regimentern eingeführt. Wahrer und richtiger militärischer Geist erhält sich nur, wenn von Oben herab mit ritterlichem Geist auf die Offiziere eingewirkt wird, wenn die Offiziere selbst nichts Schlechtes und Gemeines unter sich dulden dürfen und jeden in ihrer Mitte nur nach seiner Ehrenhaftigkeit und Fähigkeit zu beurthei¬ len angehalten werden. Der gedachte Aufsatz befürwortete die Aufstellung in zwei Gliedern und forderte mit Recht, daß die Aufstellung für alle Formationen, Fechtarten, Colon- nenbildung gleichförmig sein müsse — mithin die Aufstellung auf drei Glie- 58"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/467>, abgerufen am 28.08.2024.