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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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mente umschließt. Sie wird zur Zeit noch zusammengehalten durch die Er¬
innerung an das gemeinsame, schnelle Herauskommen durch die eigenen Siege
und den Haß der Gegner. Aber der nächste Fortschritt, welchen die Partei¬
bildung in Preußen zu machen hat, sollte das Ausscheiden WaldeckS und einer
Anzahl radicaler Elemente aus der Majorität der Partei sein. Denn wie für
Waldeck, den Radowitz der preußischen Demokratie, eine fortwährende Resig¬
nation nöthig ist, sich einer Majorität unterzuordnen, so muß manches, was
an ihm und seinen Anhängern schwer erträglich ist, auch sein Ausscheiden den
besonnenen Fortschrittsmännern wünschenswerth machen. Diese werden dadurch
von einem unruhigen, doctrinären, zuweilen unberechenbaren Elemente befreit,
welches den Entschlüssen der Partei etwas Aufgeregtes und Pessimistisches zu
geben droht, was dem preußischen Wähler sehr bald Kopfschütteln verursachen
könnte. Die Ausscheidung einer Fraction Waldeck aber würde 96 Mitglieder
von Bockum-Dolffs und etwa t00 Mitglieder der Fortschrittspartei so nähern,
daß es dann nur einer starken äußern Veranlassung bedürfte, um die Mit¬
glieder derselben zu gemeinsamer Partenaktik fest zu verbinden. Ob diese
äußere Veranlassung in einer zähen gesetzlichen Opposition gegen eine abge¬
neigte Regierung, oder in der Bildung eines combinirten Ministeriums aus
Mitgliedern der beiden Parteien bestehen wird, das ist freilich nicht vorauszu¬
sagen, daß aber der letztere Fall früher oder später eintreten muß, das darf
man ohne Prophet zu sein, voraussagen.

Denn die Strömung der Volkskraft wird noch längere Zeit nach der lin¬
ken Seite hin fluthen. Und um so heftiger, je länger der Widerstand dauert,
welchen dreißig Regierungen. Hofkotenen und romantische Stimmungen einigen
höchsten Bedürfnissen der Nation entgegen stellen. Für Preußen aber, das er¬
lauchte Haus der Hohenzollern, kann ein Patriot in der gegenwärtigen Lage
keinen innigeren Wunsch aussprechen, als daß sich in dem Abgeordnetenhause
recht bald die Bildung einer starken Majorität vollenden möge. Erst nach die¬
ser Abklärung und Vereinigung wird das Verfassungsleben Preußens Kraft,
P eine Vorurtheilsfreie Regierung feste Stützen gewinnen.




mente umschließt. Sie wird zur Zeit noch zusammengehalten durch die Er¬
innerung an das gemeinsame, schnelle Herauskommen durch die eigenen Siege
und den Haß der Gegner. Aber der nächste Fortschritt, welchen die Partei¬
bildung in Preußen zu machen hat, sollte das Ausscheiden WaldeckS und einer
Anzahl radicaler Elemente aus der Majorität der Partei sein. Denn wie für
Waldeck, den Radowitz der preußischen Demokratie, eine fortwährende Resig¬
nation nöthig ist, sich einer Majorität unterzuordnen, so muß manches, was
an ihm und seinen Anhängern schwer erträglich ist, auch sein Ausscheiden den
besonnenen Fortschrittsmännern wünschenswerth machen. Diese werden dadurch
von einem unruhigen, doctrinären, zuweilen unberechenbaren Elemente befreit,
welches den Entschlüssen der Partei etwas Aufgeregtes und Pessimistisches zu
geben droht, was dem preußischen Wähler sehr bald Kopfschütteln verursachen
könnte. Die Ausscheidung einer Fraction Waldeck aber würde 96 Mitglieder
von Bockum-Dolffs und etwa t00 Mitglieder der Fortschrittspartei so nähern,
daß es dann nur einer starken äußern Veranlassung bedürfte, um die Mit¬
glieder derselben zu gemeinsamer Partenaktik fest zu verbinden. Ob diese
äußere Veranlassung in einer zähen gesetzlichen Opposition gegen eine abge¬
neigte Regierung, oder in der Bildung eines combinirten Ministeriums aus
Mitgliedern der beiden Parteien bestehen wird, das ist freilich nicht vorauszu¬
sagen, daß aber der letztere Fall früher oder später eintreten muß, das darf
man ohne Prophet zu sein, voraussagen.

Denn die Strömung der Volkskraft wird noch längere Zeit nach der lin¬
ken Seite hin fluthen. Und um so heftiger, je länger der Widerstand dauert,
welchen dreißig Regierungen. Hofkotenen und romantische Stimmungen einigen
höchsten Bedürfnissen der Nation entgegen stellen. Für Preußen aber, das er¬
lauchte Haus der Hohenzollern, kann ein Patriot in der gegenwärtigen Lage
keinen innigeren Wunsch aussprechen, als daß sich in dem Abgeordnetenhause
recht bald die Bildung einer starken Majorität vollenden möge. Erst nach die¬
ser Abklärung und Vereinigung wird das Verfassungsleben Preußens Kraft,
P eine Vorurtheilsfreie Regierung feste Stützen gewinnen.




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[0044] mente umschließt. Sie wird zur Zeit noch zusammengehalten durch die Er¬ innerung an das gemeinsame, schnelle Herauskommen durch die eigenen Siege und den Haß der Gegner. Aber der nächste Fortschritt, welchen die Partei¬ bildung in Preußen zu machen hat, sollte das Ausscheiden WaldeckS und einer Anzahl radicaler Elemente aus der Majorität der Partei sein. Denn wie für Waldeck, den Radowitz der preußischen Demokratie, eine fortwährende Resig¬ nation nöthig ist, sich einer Majorität unterzuordnen, so muß manches, was an ihm und seinen Anhängern schwer erträglich ist, auch sein Ausscheiden den besonnenen Fortschrittsmännern wünschenswerth machen. Diese werden dadurch von einem unruhigen, doctrinären, zuweilen unberechenbaren Elemente befreit, welches den Entschlüssen der Partei etwas Aufgeregtes und Pessimistisches zu geben droht, was dem preußischen Wähler sehr bald Kopfschütteln verursachen könnte. Die Ausscheidung einer Fraction Waldeck aber würde 96 Mitglieder von Bockum-Dolffs und etwa t00 Mitglieder der Fortschrittspartei so nähern, daß es dann nur einer starken äußern Veranlassung bedürfte, um die Mit¬ glieder derselben zu gemeinsamer Partenaktik fest zu verbinden. Ob diese äußere Veranlassung in einer zähen gesetzlichen Opposition gegen eine abge¬ neigte Regierung, oder in der Bildung eines combinirten Ministeriums aus Mitgliedern der beiden Parteien bestehen wird, das ist freilich nicht vorauszu¬ sagen, daß aber der letztere Fall früher oder später eintreten muß, das darf man ohne Prophet zu sein, voraussagen. Denn die Strömung der Volkskraft wird noch längere Zeit nach der lin¬ ken Seite hin fluthen. Und um so heftiger, je länger der Widerstand dauert, welchen dreißig Regierungen. Hofkotenen und romantische Stimmungen einigen höchsten Bedürfnissen der Nation entgegen stellen. Für Preußen aber, das er¬ lauchte Haus der Hohenzollern, kann ein Patriot in der gegenwärtigen Lage keinen innigeren Wunsch aussprechen, als daß sich in dem Abgeordnetenhause recht bald die Bildung einer starken Majorität vollenden möge. Erst nach die¬ ser Abklärung und Vereinigung wird das Verfassungsleben Preußens Kraft, P eine Vorurtheilsfreie Regierung feste Stützen gewinnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/44>, abgerufen am 10.02.2025.