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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Operationen nicht zu rechnen, die soll es sich erst verdienen, und es' ist schwed
einen großen und für den Staat immerhin vtthängnißvollcN Entschluß zu fassen,
wenn man die Last desselben so allein Und einsam zu tragen hat. Auch würde
durch ge>Nz Deutschland die Ironie des Geschickes mit einiger Schadenfreude
empfunden werden, daß das preußische Ministerium kriegerisch gegen ein hes¬
sisches auftritt, welches sich, gerade wie das preußische, offiziell zu allein Libera¬
lismus der' Situation bekannt hat und gerade so wie das preußische unter dem Ver¬
dacht leidet, Nur auf Befehl und mit geheiwen Reserven diese liberalen Concessionen
gemacht zu haben. Die größte Schwierigkeit aber liegt für d-is gegenwärtige
Ministerium darin, daß in dem Augenblick, wo es durchsetzt, daß Preußen
die ehrenvolle Straße einer sclbfikräftigeN Politik betritt, auch ihm selbst die
Möglichkeit einer Entfernung aus seinem Amte näher rückt. Denn wenn Krone
und Volk schon in friedlicher Zeit den gegenwärtigen Zustand Voll Mißver¬
gnügen und Argwohn nicht wol auf die Länge ertragen werden, so wird beim
Herannahen großer Conflikte die Wiederherstellung der innern Einigkeit, des
geschwundenen Vertrauens, unentbehrlich.

Bei solchen Aussichten erscheint das preußische Ministerium nach innen
und außen gelähiNt. Die Ungunst seiner innern Unpopularität erschwert ihm
höchlich ein kräftiges Auftreten gegen fremde Cabinete. und eine kräftige äußere
Politik, welche den Staat in ernsthafte Conflikte bringt, droht ihm wieder mit
schnellem Ende. Auch eine Ergänzung durch neue Kraft würde ihm wenig
helfen, denn Herrn von Bisniark würde dasselbe Mißtrauen verfolgen, welches
die Thätigkeit der Minister so seht Erschwert. Davo? aber mögen den preu¬
ßischen Staat seine 'guten Sterne bewahren, oäß das gegenwärtige Ministerium
ohne aufrichtige Versöhnung mit dem Volk, ohne Modifikation in seiner Zu¬
sammensetzung, in der bisherigen Weise des auswärtigen Amtes, eine kühne
Politik beginne. Neue größere Niederlagen würden die unvermeidliche Folge
sein. Lieber wollen Wir Anhänger Preußens die Bedeutungslosigkeit, in welche
Preußen zurückzufallen droht, mit stillem Schmerz ertragen.

Die Lehre aber, welche wir aus einet solchen Stellung des gegenwärtigen
Ministeriums zN ziehen haben, ist der Satz-. Es ist schon jetzt in Preußen nicht
mehr wöglich zu regieren im Widerspruch gegen die Majorität der Volksvertreter.

Unterdeß h"den die Häuser des Landtags ihre Arbeit begonnen- Auch
dem neuen Haus det Abgeordneten war bis jetzt nicht vergönnt, den Eindruck
besonderer Größe Und Kraft zu machen. Und weV von der ungeübten Kraft,
Welche sich jetzt so reichlich darin regt, auf der Stelle glänzende Debatten, große
Resultate erwartet hat, der hat in der That Unbilliges verlangt. Was von
Charakter und politischem Talent in der Kammet ist, das Mag sich allmälig in
der parlamentarischen Zucht entwickeln, däs Wichtigste für Preußen sind jetzt
noch gar nicht die Virtuosen der Tribüne^ sondern die Parteibildung und die


Operationen nicht zu rechnen, die soll es sich erst verdienen, und es' ist schwed
einen großen und für den Staat immerhin vtthängnißvollcN Entschluß zu fassen,
wenn man die Last desselben so allein Und einsam zu tragen hat. Auch würde
durch ge>Nz Deutschland die Ironie des Geschickes mit einiger Schadenfreude
empfunden werden, daß das preußische Ministerium kriegerisch gegen ein hes¬
sisches auftritt, welches sich, gerade wie das preußische, offiziell zu allein Libera¬
lismus der' Situation bekannt hat und gerade so wie das preußische unter dem Ver¬
dacht leidet, Nur auf Befehl und mit geheiwen Reserven diese liberalen Concessionen
gemacht zu haben. Die größte Schwierigkeit aber liegt für d-is gegenwärtige
Ministerium darin, daß in dem Augenblick, wo es durchsetzt, daß Preußen
die ehrenvolle Straße einer sclbfikräftigeN Politik betritt, auch ihm selbst die
Möglichkeit einer Entfernung aus seinem Amte näher rückt. Denn wenn Krone
und Volk schon in friedlicher Zeit den gegenwärtigen Zustand Voll Mißver¬
gnügen und Argwohn nicht wol auf die Länge ertragen werden, so wird beim
Herannahen großer Conflikte die Wiederherstellung der innern Einigkeit, des
geschwundenen Vertrauens, unentbehrlich.

Bei solchen Aussichten erscheint das preußische Ministerium nach innen
und außen gelähiNt. Die Ungunst seiner innern Unpopularität erschwert ihm
höchlich ein kräftiges Auftreten gegen fremde Cabinete. und eine kräftige äußere
Politik, welche den Staat in ernsthafte Conflikte bringt, droht ihm wieder mit
schnellem Ende. Auch eine Ergänzung durch neue Kraft würde ihm wenig
helfen, denn Herrn von Bisniark würde dasselbe Mißtrauen verfolgen, welches
die Thätigkeit der Minister so seht Erschwert. Davo? aber mögen den preu¬
ßischen Staat seine 'guten Sterne bewahren, oäß das gegenwärtige Ministerium
ohne aufrichtige Versöhnung mit dem Volk, ohne Modifikation in seiner Zu¬
sammensetzung, in der bisherigen Weise des auswärtigen Amtes, eine kühne
Politik beginne. Neue größere Niederlagen würden die unvermeidliche Folge
sein. Lieber wollen Wir Anhänger Preußens die Bedeutungslosigkeit, in welche
Preußen zurückzufallen droht, mit stillem Schmerz ertragen.

Die Lehre aber, welche wir aus einet solchen Stellung des gegenwärtigen
Ministeriums zN ziehen haben, ist der Satz-. Es ist schon jetzt in Preußen nicht
mehr wöglich zu regieren im Widerspruch gegen die Majorität der Volksvertreter.

Unterdeß h«den die Häuser des Landtags ihre Arbeit begonnen- Auch
dem neuen Haus det Abgeordneten war bis jetzt nicht vergönnt, den Eindruck
besonderer Größe Und Kraft zu machen. Und weV von der ungeübten Kraft,
Welche sich jetzt so reichlich darin regt, auf der Stelle glänzende Debatten, große
Resultate erwartet hat, der hat in der That Unbilliges verlangt. Was von
Charakter und politischem Talent in der Kammet ist, das Mag sich allmälig in
der parlamentarischen Zucht entwickeln, däs Wichtigste für Preußen sind jetzt
noch gar nicht die Virtuosen der Tribüne^ sondern die Parteibildung und die


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[0042] Operationen nicht zu rechnen, die soll es sich erst verdienen, und es' ist schwed einen großen und für den Staat immerhin vtthängnißvollcN Entschluß zu fassen, wenn man die Last desselben so allein Und einsam zu tragen hat. Auch würde durch ge>Nz Deutschland die Ironie des Geschickes mit einiger Schadenfreude empfunden werden, daß das preußische Ministerium kriegerisch gegen ein hes¬ sisches auftritt, welches sich, gerade wie das preußische, offiziell zu allein Libera¬ lismus der' Situation bekannt hat und gerade so wie das preußische unter dem Ver¬ dacht leidet, Nur auf Befehl und mit geheiwen Reserven diese liberalen Concessionen gemacht zu haben. Die größte Schwierigkeit aber liegt für d-is gegenwärtige Ministerium darin, daß in dem Augenblick, wo es durchsetzt, daß Preußen die ehrenvolle Straße einer sclbfikräftigeN Politik betritt, auch ihm selbst die Möglichkeit einer Entfernung aus seinem Amte näher rückt. Denn wenn Krone und Volk schon in friedlicher Zeit den gegenwärtigen Zustand Voll Mißver¬ gnügen und Argwohn nicht wol auf die Länge ertragen werden, so wird beim Herannahen großer Conflikte die Wiederherstellung der innern Einigkeit, des geschwundenen Vertrauens, unentbehrlich. Bei solchen Aussichten erscheint das preußische Ministerium nach innen und außen gelähiNt. Die Ungunst seiner innern Unpopularität erschwert ihm höchlich ein kräftiges Auftreten gegen fremde Cabinete. und eine kräftige äußere Politik, welche den Staat in ernsthafte Conflikte bringt, droht ihm wieder mit schnellem Ende. Auch eine Ergänzung durch neue Kraft würde ihm wenig helfen, denn Herrn von Bisniark würde dasselbe Mißtrauen verfolgen, welches die Thätigkeit der Minister so seht Erschwert. Davo? aber mögen den preu¬ ßischen Staat seine 'guten Sterne bewahren, oäß das gegenwärtige Ministerium ohne aufrichtige Versöhnung mit dem Volk, ohne Modifikation in seiner Zu¬ sammensetzung, in der bisherigen Weise des auswärtigen Amtes, eine kühne Politik beginne. Neue größere Niederlagen würden die unvermeidliche Folge sein. Lieber wollen Wir Anhänger Preußens die Bedeutungslosigkeit, in welche Preußen zurückzufallen droht, mit stillem Schmerz ertragen. Die Lehre aber, welche wir aus einet solchen Stellung des gegenwärtigen Ministeriums zN ziehen haben, ist der Satz-. Es ist schon jetzt in Preußen nicht mehr wöglich zu regieren im Widerspruch gegen die Majorität der Volksvertreter. Unterdeß h«den die Häuser des Landtags ihre Arbeit begonnen- Auch dem neuen Haus det Abgeordneten war bis jetzt nicht vergönnt, den Eindruck besonderer Größe Und Kraft zu machen. Und weV von der ungeübten Kraft, Welche sich jetzt so reichlich darin regt, auf der Stelle glänzende Debatten, große Resultate erwartet hat, der hat in der That Unbilliges verlangt. Was von Charakter und politischem Talent in der Kammet ist, das Mag sich allmälig in der parlamentarischen Zucht entwickeln, däs Wichtigste für Preußen sind jetzt noch gar nicht die Virtuosen der Tribüne^ sondern die Parteibildung und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/42>, abgerufen am 06.02.2025.