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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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den sich aber nicht verberge können, daß es im Wesen der Majestät liegt --
wie auch an höchster Stelle die Auffassung des Verfassungslebens sein möge --
Minister nur so lange zu halten, als sie etwas durchsetzen, d. h. sie als in ^den
Fragen, bei denen ein besonderes Interesse der höchsten Gewalt im Spiele ist.
derselben nützen. Das vorige Ministerium war durch ein innigeres Verhältniß
und besondere Pietät mit der Persönlichkeit des Königs verbunden, und doch
siel es, als es sich abgenutzt hatte. Wie sehr auch der eigene Wille der Maje¬
stät bei der Wahl der gegenwärtigen Minister thätig war, es ist kein Zweifel,
daß dennoch ihre Thätigkeit zuletzt der Krone verleidet wird, wenn sie auf die
Dauer nichts durchzusetzen vermögen, ja wenn ihre Existenz als eine fort¬
dauernde Störung des gemüthlichen Verhältnisses zwischen Fürsten und Volk
betrachtet werden sollte, eines Verhältnisses, welches ein Fürst auf die Länge
vielleicht noch weniger als sein Volk ohne den größten Schaden für sein Haus
und ohne stilles Wehe entbehren kann.

So ist die Stellung der Minister nach Unten uno Oben eine unsichere,
und es ist vorauszusehen, daß sie auf die Länge so nicht dauern kann. Daß
aber auf dem Wege, den man jetzt eingeschlagen, der stille Widerstand des Vol¬
kes nicht beseitigt wird, und daß er noch weniger durch kleine Mittel,
hier durch Concessionen, dort durch polizeiliche Restrictionen. zu brechen ist,
davon werden die Minister sich sehr bald überzeugen, wenn sie das überhaupt je
geglaubt haben.

Aber vielleicht gibt es einen Weg, auf welchem das gegenwärtige Ministe¬
rium den Gegensatz in innern Fragen zum Schweigen zu bringen und sich
allmälig eine achtungsvolle Popularität zu erobern vermöchte: eine kräftige,
entschlossene Politik nach außen. Kein Unbefangener wird verkennen, daß einige
Anstrengungen gemacht worden sind, ,dem Selbstgefühl der Preußen nach dieser
Richtung Genüge zu thun. Das Ministerium bat die Erbschaft seiner Vor¬
gänger, den Handelsvertrag mit Frankreich, übernommen und sich um die Durch¬
führung dieser großen Maßregel aufrichtig bemüht. Es hat, was immerhin
gerühmt werden soll, eine Wehrkraft von etwa drei deutschen Regimentern mit
der preußischen Armee eng verbunden. Es hat auch in der kurhessischen Frage
einen sehr ernstgemeinten Versuch gemacht, eine Lösung im preußischen In¬
teresse herbeizuführen. Aber gerade diese Frage zeigt, wie wenig sicher und wie
wenig fruchtbar alles politische Handeln wird, wenn ihm der letzte Regulator fehlt:
ein inniges Einverstandensein mit dem Volke. Auch hier war trotz gutem Wil¬
len, ja bei zeitweiligen Eifer etwas Kräftiges zu thun. das Vorgehen bis jetzt
nur ein Anlauf, bei welchem Preußen dazu verurtheilt war, sich selbst die Spitze
seiner Waffe abzubrechen. --

Und doch, die Angelegenheit Kurhesseus ist noch nicht beendigt, gerade
indem diese Zeilen geschrieben werden, erhebt sich, freilich unter größern schole


den sich aber nicht verberge können, daß es im Wesen der Majestät liegt —
wie auch an höchster Stelle die Auffassung des Verfassungslebens sein möge —
Minister nur so lange zu halten, als sie etwas durchsetzen, d. h. sie als in ^den
Fragen, bei denen ein besonderes Interesse der höchsten Gewalt im Spiele ist.
derselben nützen. Das vorige Ministerium war durch ein innigeres Verhältniß
und besondere Pietät mit der Persönlichkeit des Königs verbunden, und doch
siel es, als es sich abgenutzt hatte. Wie sehr auch der eigene Wille der Maje¬
stät bei der Wahl der gegenwärtigen Minister thätig war, es ist kein Zweifel,
daß dennoch ihre Thätigkeit zuletzt der Krone verleidet wird, wenn sie auf die
Dauer nichts durchzusetzen vermögen, ja wenn ihre Existenz als eine fort¬
dauernde Störung des gemüthlichen Verhältnisses zwischen Fürsten und Volk
betrachtet werden sollte, eines Verhältnisses, welches ein Fürst auf die Länge
vielleicht noch weniger als sein Volk ohne den größten Schaden für sein Haus
und ohne stilles Wehe entbehren kann.

So ist die Stellung der Minister nach Unten uno Oben eine unsichere,
und es ist vorauszusehen, daß sie auf die Länge so nicht dauern kann. Daß
aber auf dem Wege, den man jetzt eingeschlagen, der stille Widerstand des Vol¬
kes nicht beseitigt wird, und daß er noch weniger durch kleine Mittel,
hier durch Concessionen, dort durch polizeiliche Restrictionen. zu brechen ist,
davon werden die Minister sich sehr bald überzeugen, wenn sie das überhaupt je
geglaubt haben.

Aber vielleicht gibt es einen Weg, auf welchem das gegenwärtige Ministe¬
rium den Gegensatz in innern Fragen zum Schweigen zu bringen und sich
allmälig eine achtungsvolle Popularität zu erobern vermöchte: eine kräftige,
entschlossene Politik nach außen. Kein Unbefangener wird verkennen, daß einige
Anstrengungen gemacht worden sind, ,dem Selbstgefühl der Preußen nach dieser
Richtung Genüge zu thun. Das Ministerium bat die Erbschaft seiner Vor¬
gänger, den Handelsvertrag mit Frankreich, übernommen und sich um die Durch¬
führung dieser großen Maßregel aufrichtig bemüht. Es hat, was immerhin
gerühmt werden soll, eine Wehrkraft von etwa drei deutschen Regimentern mit
der preußischen Armee eng verbunden. Es hat auch in der kurhessischen Frage
einen sehr ernstgemeinten Versuch gemacht, eine Lösung im preußischen In¬
teresse herbeizuführen. Aber gerade diese Frage zeigt, wie wenig sicher und wie
wenig fruchtbar alles politische Handeln wird, wenn ihm der letzte Regulator fehlt:
ein inniges Einverstandensein mit dem Volke. Auch hier war trotz gutem Wil¬
len, ja bei zeitweiligen Eifer etwas Kräftiges zu thun. das Vorgehen bis jetzt
nur ein Anlauf, bei welchem Preußen dazu verurtheilt war, sich selbst die Spitze
seiner Waffe abzubrechen. —

Und doch, die Angelegenheit Kurhesseus ist noch nicht beendigt, gerade
indem diese Zeilen geschrieben werden, erhebt sich, freilich unter größern schole


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/38>, abgerufen am 05.02.2025.