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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Besprechung militärischer Verhältnisse durch die Presse mit tiefem Unmuth.
Unsre Freunde von der Armee sind seit je besonders geneigt gewesen, das Ur¬
theil solcher, welche nicht ihre Berufsgenossen sind, mit Abneigung zu be¬
trachten, die Schwächen einer Laicnansicbl kritisch zu empfinden und aus einem
Kreise, in welchem Discretion und abschließendes Corpsgefühl eifrig zur Pflicht
gemacht werden, mit einiger Verachtung auf das Volt von der Feder herab¬
zusehen. Im preußischen Heer hat diese Stimmung mehre besondere Gründe.
Einer davon ist, daß den tapfern und pfiichtvvllen Offizieren in Preußen seit
einer ganzen Generation nicht vergönnt war, in einem großen Kriege das volle
Selbstgefühl erprobter Männer zu erhalten und sich in ihrem ganzen Werthe
vor ihrer Nation ruhmvoll zu bewähren. Auch wo sie die Tüchtigkeit des
preußischen Heeres gegen einen äußern Feind zu beweisen vermochten, wie in
der hvlsteinisch"n Campagne, hat die Diplomatie ihnen gründlich die Sieges¬
freude verdorben. Und bei ihrem Waffendienst in Posen, Dresden, ja auch in
Baden hatten sie nicht den Stolz sich einem Feind gegenüber zu sehen, der vom
militärischen Standpunkt ihrer würdig war. Solche Entbehrung des frohen
Gefühls, daß der eigene Werth von den Millionen der Volksgenossen freudig
anerkannt wird, macht auch den festen Mann leicht reizbar und empfindlich
gegen ein Urtheil über seinen Beruf, dessen Verdienste und Leistungen. Endlich
fühlten sich unsere braven Offiziere in den letzten Jahren besonders dadurch
verletzt, daß die Presse Neigung zeigte, für die Excesse einzelner Mitglieder das
ganze Offiziercorps verantwortlich zu machen und die Missethat einiger Schänd¬
lichen dem dissoluten Geist des Standes zur Last zu legen. -- Nun das preu-
sische Volk weiß doch noch sehr wohl zu würdigen, was es an den gebildeten
Ehrenmännern seines Heeres hat.

Das Vertrauen zu der militärischen Tüchtigkeit der Truppen, zu der tech¬
nischen Intelligenz ihrer Offiziere steht trotz aller einzelnen Beschwerden sehr
fest, wir alle empfinden die Vorzüge, welche gerade den preußischen Offizier in
seinem Berufe auszeichnen, mit Stolz als einen werthvollen Besitz und zuweilen
als eine hoffnungsvolle Sache für Preußen, und wir wissen sehr gut, daß in
den Stunden, wo die Kraft unsrer Offiziere zum Besten des Vaterlandes auf
ernste Probe, gestellt wird, alle Parteiverstimmung wie Spreu verfliegt, dann
soll uns nichts glücklicher machen, als recht von Herzen auf sie stolz zu sein.
Und wir vertrauen, daß Tausende unserer Offiziere diese Gefühle der Hoch¬
achtung und Bewunderung einflößen werden. Deshalb bedauern wir, daß jetzt
im friedlichen Verkehr des Tages ein dunkler Schatten zwischen das kräftige
Leben der Nation und die Stimmungen des Offiziercorps getreten ist. Und
wir begreifen wohl die Ursache.

Das preußische Heer ist seit dem Jahre 1848 allmälig in eine politische
Parteistellung gerathen, welche, wie uns scheint, die Würde und Gesundheit


Besprechung militärischer Verhältnisse durch die Presse mit tiefem Unmuth.
Unsre Freunde von der Armee sind seit je besonders geneigt gewesen, das Ur¬
theil solcher, welche nicht ihre Berufsgenossen sind, mit Abneigung zu be¬
trachten, die Schwächen einer Laicnansicbl kritisch zu empfinden und aus einem
Kreise, in welchem Discretion und abschließendes Corpsgefühl eifrig zur Pflicht
gemacht werden, mit einiger Verachtung auf das Volt von der Feder herab¬
zusehen. Im preußischen Heer hat diese Stimmung mehre besondere Gründe.
Einer davon ist, daß den tapfern und pfiichtvvllen Offizieren in Preußen seit
einer ganzen Generation nicht vergönnt war, in einem großen Kriege das volle
Selbstgefühl erprobter Männer zu erhalten und sich in ihrem ganzen Werthe
vor ihrer Nation ruhmvoll zu bewähren. Auch wo sie die Tüchtigkeit des
preußischen Heeres gegen einen äußern Feind zu beweisen vermochten, wie in
der hvlsteinisch»n Campagne, hat die Diplomatie ihnen gründlich die Sieges¬
freude verdorben. Und bei ihrem Waffendienst in Posen, Dresden, ja auch in
Baden hatten sie nicht den Stolz sich einem Feind gegenüber zu sehen, der vom
militärischen Standpunkt ihrer würdig war. Solche Entbehrung des frohen
Gefühls, daß der eigene Werth von den Millionen der Volksgenossen freudig
anerkannt wird, macht auch den festen Mann leicht reizbar und empfindlich
gegen ein Urtheil über seinen Beruf, dessen Verdienste und Leistungen. Endlich
fühlten sich unsere braven Offiziere in den letzten Jahren besonders dadurch
verletzt, daß die Presse Neigung zeigte, für die Excesse einzelner Mitglieder das
ganze Offiziercorps verantwortlich zu machen und die Missethat einiger Schänd¬
lichen dem dissoluten Geist des Standes zur Last zu legen. — Nun das preu-
sische Volk weiß doch noch sehr wohl zu würdigen, was es an den gebildeten
Ehrenmännern seines Heeres hat.

Das Vertrauen zu der militärischen Tüchtigkeit der Truppen, zu der tech¬
nischen Intelligenz ihrer Offiziere steht trotz aller einzelnen Beschwerden sehr
fest, wir alle empfinden die Vorzüge, welche gerade den preußischen Offizier in
seinem Berufe auszeichnen, mit Stolz als einen werthvollen Besitz und zuweilen
als eine hoffnungsvolle Sache für Preußen, und wir wissen sehr gut, daß in
den Stunden, wo die Kraft unsrer Offiziere zum Besten des Vaterlandes auf
ernste Probe, gestellt wird, alle Parteiverstimmung wie Spreu verfliegt, dann
soll uns nichts glücklicher machen, als recht von Herzen auf sie stolz zu sein.
Und wir vertrauen, daß Tausende unserer Offiziere diese Gefühle der Hoch¬
achtung und Bewunderung einflößen werden. Deshalb bedauern wir, daß jetzt
im friedlichen Verkehr des Tages ein dunkler Schatten zwischen das kräftige
Leben der Nation und die Stimmungen des Offiziercorps getreten ist. Und
wir begreifen wohl die Ursache.

Das preußische Heer ist seit dem Jahre 1848 allmälig in eine politische
Parteistellung gerathen, welche, wie uns scheint, die Würde und Gesundheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/360>, abgerufen am 25.08.2024.