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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Politische Korrespondenz.

Es kann unmöglich reiner Muthwille der Trieb sein, welcher ernste Staats¬
männer in München und Stuttgart bestimmt, als Vorkämpfer und Secundärem
der Wiener Hauspolitik Preußen in jeder erdenklichen Weise zu kränken und
zu verletzen. Bundesreform, Heerwesen, Zollverein, alles wird benutzt, um
der Feindseligkeit gegen Preußen den schroffsten Ausdruck zu geben, auf das
Wagniß bin, die Sicherheit Deutschlands zu gefährden, den Haushalt des eigenen
Staates, den Wohlstand des eigenen Volkes zu zerrütten. Auch die unläugbar
vorhandene Furcht vor der preußischen Führung in einem engern Bunde reicht nicht
aus, um die empfindlichen Provocationen gegen Preußen in einem Augenblicke
zu erklären, in welchem S. Majestät der König ein Ministerium aufrecht erhält,
welches das Vertrauen der Cabinete in München und Stuttgart in weit
höherm Grade verdient und besitzt, als das Vertrauen des eigenen Landes,
in einem Augenblicke, in welchem das politisch verderbliche: eine, Mtitig. et ps-
roat Loi'UWig. der Wahlspruch einer Mehrheit in dem Hause der Abgeordneten
zu werden droht. Während in den mittleren Schichten der Nation das Be¬
dürfniß nach stärkerer Einigung wie das Gefühl der Zusammengehörigkeit in
erfreulichen Kundgebungen sich offenbart, brechen Haß und Eifersucht, die furcht¬
baren Elemente der Zwietracht, in den Kreisen des höhern Particularismus in
helle Flammen aus, welche in den unteren, aus alten Vorurtheilen noch nicht
erlösten Schichten der deutschen Stämme nur zu reichliche Nahrung finden.

Diese bedenkliche Erscheinung muß andere, als die angedeuteten, Ursachen
haben. Es müssen nach Stuttgart und München aus Berlin Berichte gegan¬
gen sein und dort Glauben gefunden haben, Berichte von einer bevorstehenden
großen Action Preußens gegen das Sonderleben des Particularismus und
die Souveränetät der Einzelstaaten, Berichte, deren Reflex in der bekannten
Mittheilung eines Berliner Blattes "Vom Main, Zt. Juli", von der einen
Seite als qualificirte Zeitungsente verlacht, in manchem schwach erleuchteten
Cabinete dagegen als eine Bestätigung sonstiger, aus zuverlässigen Quellen
stammender Nachrichten einregistrirt worden ist -- neben den Berichten über
die eifrige, tägliche Beschäftigung des Königs von Preußen mit Musterungen
und Feldübungen, und neben den periodisch wiederkehrenden Gerüchten von
dem Eintritte des Herrn von Bismark in das Ministerium zu Berlin.

Solche Berichte, -- nicht amtliche, aber vertrauliche, -- existiren, sie wirken


Politische Korrespondenz.

Es kann unmöglich reiner Muthwille der Trieb sein, welcher ernste Staats¬
männer in München und Stuttgart bestimmt, als Vorkämpfer und Secundärem
der Wiener Hauspolitik Preußen in jeder erdenklichen Weise zu kränken und
zu verletzen. Bundesreform, Heerwesen, Zollverein, alles wird benutzt, um
der Feindseligkeit gegen Preußen den schroffsten Ausdruck zu geben, auf das
Wagniß bin, die Sicherheit Deutschlands zu gefährden, den Haushalt des eigenen
Staates, den Wohlstand des eigenen Volkes zu zerrütten. Auch die unläugbar
vorhandene Furcht vor der preußischen Führung in einem engern Bunde reicht nicht
aus, um die empfindlichen Provocationen gegen Preußen in einem Augenblicke
zu erklären, in welchem S. Majestät der König ein Ministerium aufrecht erhält,
welches das Vertrauen der Cabinete in München und Stuttgart in weit
höherm Grade verdient und besitzt, als das Vertrauen des eigenen Landes,
in einem Augenblicke, in welchem das politisch verderbliche: eine, Mtitig. et ps-
roat Loi'UWig. der Wahlspruch einer Mehrheit in dem Hause der Abgeordneten
zu werden droht. Während in den mittleren Schichten der Nation das Be¬
dürfniß nach stärkerer Einigung wie das Gefühl der Zusammengehörigkeit in
erfreulichen Kundgebungen sich offenbart, brechen Haß und Eifersucht, die furcht¬
baren Elemente der Zwietracht, in den Kreisen des höhern Particularismus in
helle Flammen aus, welche in den unteren, aus alten Vorurtheilen noch nicht
erlösten Schichten der deutschen Stämme nur zu reichliche Nahrung finden.

Diese bedenkliche Erscheinung muß andere, als die angedeuteten, Ursachen
haben. Es müssen nach Stuttgart und München aus Berlin Berichte gegan¬
gen sein und dort Glauben gefunden haben, Berichte von einer bevorstehenden
großen Action Preußens gegen das Sonderleben des Particularismus und
die Souveränetät der Einzelstaaten, Berichte, deren Reflex in der bekannten
Mittheilung eines Berliner Blattes „Vom Main, Zt. Juli", von der einen
Seite als qualificirte Zeitungsente verlacht, in manchem schwach erleuchteten
Cabinete dagegen als eine Bestätigung sonstiger, aus zuverlässigen Quellen
stammender Nachrichten einregistrirt worden ist — neben den Berichten über
die eifrige, tägliche Beschäftigung des Königs von Preußen mit Musterungen
und Feldübungen, und neben den periodisch wiederkehrenden Gerüchten von
dem Eintritte des Herrn von Bismark in das Ministerium zu Berlin.

Solche Berichte, — nicht amtliche, aber vertrauliche, — existiren, sie wirken


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[0352] Politische Korrespondenz. Es kann unmöglich reiner Muthwille der Trieb sein, welcher ernste Staats¬ männer in München und Stuttgart bestimmt, als Vorkämpfer und Secundärem der Wiener Hauspolitik Preußen in jeder erdenklichen Weise zu kränken und zu verletzen. Bundesreform, Heerwesen, Zollverein, alles wird benutzt, um der Feindseligkeit gegen Preußen den schroffsten Ausdruck zu geben, auf das Wagniß bin, die Sicherheit Deutschlands zu gefährden, den Haushalt des eigenen Staates, den Wohlstand des eigenen Volkes zu zerrütten. Auch die unläugbar vorhandene Furcht vor der preußischen Führung in einem engern Bunde reicht nicht aus, um die empfindlichen Provocationen gegen Preußen in einem Augenblicke zu erklären, in welchem S. Majestät der König ein Ministerium aufrecht erhält, welches das Vertrauen der Cabinete in München und Stuttgart in weit höherm Grade verdient und besitzt, als das Vertrauen des eigenen Landes, in einem Augenblicke, in welchem das politisch verderbliche: eine, Mtitig. et ps- roat Loi'UWig. der Wahlspruch einer Mehrheit in dem Hause der Abgeordneten zu werden droht. Während in den mittleren Schichten der Nation das Be¬ dürfniß nach stärkerer Einigung wie das Gefühl der Zusammengehörigkeit in erfreulichen Kundgebungen sich offenbart, brechen Haß und Eifersucht, die furcht¬ baren Elemente der Zwietracht, in den Kreisen des höhern Particularismus in helle Flammen aus, welche in den unteren, aus alten Vorurtheilen noch nicht erlösten Schichten der deutschen Stämme nur zu reichliche Nahrung finden. Diese bedenkliche Erscheinung muß andere, als die angedeuteten, Ursachen haben. Es müssen nach Stuttgart und München aus Berlin Berichte gegan¬ gen sein und dort Glauben gefunden haben, Berichte von einer bevorstehenden großen Action Preußens gegen das Sonderleben des Particularismus und die Souveränetät der Einzelstaaten, Berichte, deren Reflex in der bekannten Mittheilung eines Berliner Blattes „Vom Main, Zt. Juli", von der einen Seite als qualificirte Zeitungsente verlacht, in manchem schwach erleuchteten Cabinete dagegen als eine Bestätigung sonstiger, aus zuverlässigen Quellen stammender Nachrichten einregistrirt worden ist — neben den Berichten über die eifrige, tägliche Beschäftigung des Königs von Preußen mit Musterungen und Feldübungen, und neben den periodisch wiederkehrenden Gerüchten von dem Eintritte des Herrn von Bismark in das Ministerium zu Berlin. Solche Berichte, — nicht amtliche, aber vertrauliche, — existiren, sie wirken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/352>, abgerufen am 25.08.2024.