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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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des nächsten Chores aus Salomon. den man in England "Nachtigallcnchor"
nennt, erzählt uns das Textbuch, daß Händel eine große Vorliebe für den Ge¬
sang der Nachtigallen gehabt habe, und namentlich für den der Nachtigallen
im Walde bei Windsor, die einen "mehr harmonischen Gesang" gehabt hätten,
als er sonst irgendwo gehört habe. Die Musik dieses Chores, der gesungen
wird von den Dienern Salomons, als er sich vo n den Sorgen der Regierung
zurückzieht in die heimische Stille seines Gartens, ist überaus beruhigend und '
einschläfernd, voll reizender musikalischer Situationen. Madame Lemming-
Sdcrrington sang den fut diese Gelegenheit viel zu zarten und durchsichtigen
Liebesgesang der Galatea mit der duftigen Flötenbegleitung zu frei und zu
wenig im Händelschen Geiste. Sims Reepes dagegen, mit seinem mehr lyri¬
schen Tenor, sang das folgende Liedchen, in dem er alle Schönheiten und Reize
seiner' Geliebten aufzählt, mit großer Naivetät und Lieblichkeit. Der sich daran¬
schließende Chor: >Vr<zteIi<za lovgrs schien mir sehr wenig passend für dies Con¬
cert; ebenso wieder vorhergehende Nachtigallen- und der folgende Lachchor, ist er
durchaus nicht auf Massenwirkung berechnet. Alle diese Chöre, deren Cha¬
rakter Leichtigkeit und Grazie ist, bekamen hier etwas Schwerfälliges und Un¬
beholfenes, welches ihr seines Gewebe beinahe zerstörte.

Die jetzt eintretende einstündige Pause kam jedermann erwünscht, die letz¬
ten 5 bis 6 Nummern waren schon zu viel gewesen, beides für Sänger und
Publicum, die zwei Stunden ununterbrochenen Chor- und Sologesangs ziemlich
ermüdet hatten.

Den dritten Theil eröffnete die Ouvertüre aus Samson mit all dem Glanz
einer Händelschen Orchestermusik. Die Chöre dieses letzten Theils waren größten-
theils achtstimmige Doppelchöre und begannen mit dem Erössnungschor des
Oratoriums Deborcch. Die Israeliten, unterdrückt von dem Könige Jahin von
Kanaan, haben' sich auf dem Berge Ephraim versammelt und bitten Gott ihnen
einen Führer zu geben; das fugirte Thema zu den Worten "v ^rant g. 1en,aer"
ist einem Altsolo aus der Geburtstagsode für die Königin Anna entnommen.
Auf eine von Madame Lemming-Sherrington gesungene Arie aus Judas
Maccabäus folgte eine Auswahl aus dem, in der letzten Saison von der
Sacred Harmonie Society zur Aufführung gebrachten Oratorium Salomon, be¬
ginnend mit dem großen Doppelchöre, der ein Loblied auf die Macht und
Größe Salomons ist, und abschließend mit dem Doppelchöre praiss dirs
dazwischen eine Scene aus dem letzten Theile des Oratoriums, wo in einem,
der Königin von Saba zu Ehren gegebenen Feste die Macht der Musik, ver¬
schiedene Leidenschaften und Gefühle zu erregen, gezeigt wird; die Chöre dieser
letzten Scene, von großer Schönheit und Charaktereigenthümlichkeit, wurden
mit Präcision und Ausdruck gesungen, nur schien in einigen Fortestellcn die
Orgel zu laut und deckte den Gesang zu sehr. Eine Arie und das bekannte:


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des nächsten Chores aus Salomon. den man in England „Nachtigallcnchor"
nennt, erzählt uns das Textbuch, daß Händel eine große Vorliebe für den Ge¬
sang der Nachtigallen gehabt habe, und namentlich für den der Nachtigallen
im Walde bei Windsor, die einen „mehr harmonischen Gesang" gehabt hätten,
als er sonst irgendwo gehört habe. Die Musik dieses Chores, der gesungen
wird von den Dienern Salomons, als er sich vo n den Sorgen der Regierung
zurückzieht in die heimische Stille seines Gartens, ist überaus beruhigend und '
einschläfernd, voll reizender musikalischer Situationen. Madame Lemming-
Sdcrrington sang den fut diese Gelegenheit viel zu zarten und durchsichtigen
Liebesgesang der Galatea mit der duftigen Flötenbegleitung zu frei und zu
wenig im Händelschen Geiste. Sims Reepes dagegen, mit seinem mehr lyri¬
schen Tenor, sang das folgende Liedchen, in dem er alle Schönheiten und Reize
seiner' Geliebten aufzählt, mit großer Naivetät und Lieblichkeit. Der sich daran¬
schließende Chor: >Vr<zteIi<za lovgrs schien mir sehr wenig passend für dies Con¬
cert; ebenso wieder vorhergehende Nachtigallen- und der folgende Lachchor, ist er
durchaus nicht auf Massenwirkung berechnet. Alle diese Chöre, deren Cha¬
rakter Leichtigkeit und Grazie ist, bekamen hier etwas Schwerfälliges und Un¬
beholfenes, welches ihr seines Gewebe beinahe zerstörte.

Die jetzt eintretende einstündige Pause kam jedermann erwünscht, die letz¬
ten 5 bis 6 Nummern waren schon zu viel gewesen, beides für Sänger und
Publicum, die zwei Stunden ununterbrochenen Chor- und Sologesangs ziemlich
ermüdet hatten.

Den dritten Theil eröffnete die Ouvertüre aus Samson mit all dem Glanz
einer Händelschen Orchestermusik. Die Chöre dieses letzten Theils waren größten-
theils achtstimmige Doppelchöre und begannen mit dem Erössnungschor des
Oratoriums Deborcch. Die Israeliten, unterdrückt von dem Könige Jahin von
Kanaan, haben' sich auf dem Berge Ephraim versammelt und bitten Gott ihnen
einen Führer zu geben; das fugirte Thema zu den Worten „v ^rant g. 1en,aer"
ist einem Altsolo aus der Geburtstagsode für die Königin Anna entnommen.
Auf eine von Madame Lemming-Sherrington gesungene Arie aus Judas
Maccabäus folgte eine Auswahl aus dem, in der letzten Saison von der
Sacred Harmonie Society zur Aufführung gebrachten Oratorium Salomon, be¬
ginnend mit dem großen Doppelchöre, der ein Loblied auf die Macht und
Größe Salomons ist, und abschließend mit dem Doppelchöre praiss dirs
dazwischen eine Scene aus dem letzten Theile des Oratoriums, wo in einem,
der Königin von Saba zu Ehren gegebenen Feste die Macht der Musik, ver¬
schiedene Leidenschaften und Gefühle zu erregen, gezeigt wird; die Chöre dieser
letzten Scene, von großer Schönheit und Charaktereigenthümlichkeit, wurden
mit Präcision und Ausdruck gesungen, nur schien in einigen Fortestellcn die
Orgel zu laut und deckte den Gesang zu sehr. Eine Arie und das bekannte:


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[0299] des nächsten Chores aus Salomon. den man in England „Nachtigallcnchor" nennt, erzählt uns das Textbuch, daß Händel eine große Vorliebe für den Ge¬ sang der Nachtigallen gehabt habe, und namentlich für den der Nachtigallen im Walde bei Windsor, die einen „mehr harmonischen Gesang" gehabt hätten, als er sonst irgendwo gehört habe. Die Musik dieses Chores, der gesungen wird von den Dienern Salomons, als er sich vo n den Sorgen der Regierung zurückzieht in die heimische Stille seines Gartens, ist überaus beruhigend und ' einschläfernd, voll reizender musikalischer Situationen. Madame Lemming- Sdcrrington sang den fut diese Gelegenheit viel zu zarten und durchsichtigen Liebesgesang der Galatea mit der duftigen Flötenbegleitung zu frei und zu wenig im Händelschen Geiste. Sims Reepes dagegen, mit seinem mehr lyri¬ schen Tenor, sang das folgende Liedchen, in dem er alle Schönheiten und Reize seiner' Geliebten aufzählt, mit großer Naivetät und Lieblichkeit. Der sich daran¬ schließende Chor: >Vr<zteIi<za lovgrs schien mir sehr wenig passend für dies Con¬ cert; ebenso wieder vorhergehende Nachtigallen- und der folgende Lachchor, ist er durchaus nicht auf Massenwirkung berechnet. Alle diese Chöre, deren Cha¬ rakter Leichtigkeit und Grazie ist, bekamen hier etwas Schwerfälliges und Un¬ beholfenes, welches ihr seines Gewebe beinahe zerstörte. Die jetzt eintretende einstündige Pause kam jedermann erwünscht, die letz¬ ten 5 bis 6 Nummern waren schon zu viel gewesen, beides für Sänger und Publicum, die zwei Stunden ununterbrochenen Chor- und Sologesangs ziemlich ermüdet hatten. Den dritten Theil eröffnete die Ouvertüre aus Samson mit all dem Glanz einer Händelschen Orchestermusik. Die Chöre dieses letzten Theils waren größten- theils achtstimmige Doppelchöre und begannen mit dem Erössnungschor des Oratoriums Deborcch. Die Israeliten, unterdrückt von dem Könige Jahin von Kanaan, haben' sich auf dem Berge Ephraim versammelt und bitten Gott ihnen einen Führer zu geben; das fugirte Thema zu den Worten „v ^rant g. 1en,aer" ist einem Altsolo aus der Geburtstagsode für die Königin Anna entnommen. Auf eine von Madame Lemming-Sherrington gesungene Arie aus Judas Maccabäus folgte eine Auswahl aus dem, in der letzten Saison von der Sacred Harmonie Society zur Aufführung gebrachten Oratorium Salomon, be¬ ginnend mit dem großen Doppelchöre, der ein Loblied auf die Macht und Größe Salomons ist, und abschließend mit dem Doppelchöre praiss dirs dazwischen eine Scene aus dem letzten Theile des Oratoriums, wo in einem, der Königin von Saba zu Ehren gegebenen Feste die Macht der Musik, ver¬ schiedene Leidenschaften und Gefühle zu erregen, gezeigt wird; die Chöre dieser letzten Scene, von großer Schönheit und Charaktereigenthümlichkeit, wurden mit Präcision und Ausdruck gesungen, nur schien in einigen Fortestellcn die Orgel zu laut und deckte den Gesang zu sehr. Eine Arie und das bekannte: 37*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/299>, abgerufen am 06.02.2025.