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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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reaktionäre Eröffnungsrede gehalten hatte, zog er sick die ausdrückliche Mißbil¬
ligung des Königs zu, der ihn zugleich auffordern ließ!, in der Schlußrede den
schlimmen Eindruck wieder zu verwischen.

Die Anthologie versuchte es nun. die politische Bedeutung dieses Kongres¬
ses auch in der Presse hervorzuheben. Freilich macht der Artikel, wie er end¬
lich aus den langwierigen Perhandlungen mit der Censur hervorging, heute
einen geschraubten Eindruck; damals aher erstaunten selbst Männer wie Mas-
simo d'Azeglio und Farini über die freimüthige Sprache, welche den Congreß
ein Parlament der italienischen Wissenschaft nannte und den wahrhaft liberalen
und patriotischen Geist hervorhob, mit welchem sich die Versammlung über die
großen Probleme des materiellen und bürgerlichen Fortschritts der italienischen
Familie ausgesprochen hatte.

Nachdem einmal diese Sprache von der Censur durchgclassen worden, suchte
die Anthologie Schritt für Schritt die zugestandene Freiheit zu erweitern. Die
Anspielungen auf die nationale Unabhängigkeit wagten sich offener hervor,
die Partei wurde zu einmüthigem Zusammenhalten ermahnt, und bald war
Balbo's pu'i'0 unum est noesssai'inen fast auf jeder Seite zu verspüren.

Der Erfolg der Anthologie war unter diesen Umständen natürlich der beste.
Im April 1847 konnte der Herausgeber an Massimo d'Azeglio^ schreiben: "Die
Anthologie geht mit vollen Segeln vorwärts, aus allen Theilen Italiens hallt
der Beifall wieder, und Abonnenten wie Mitarbeiter nehmen täglich zu; sorgen
wir, daß die Begeisterung nicht erkalte, die unser Journal in Italien erweckt
hat." Aber es fehlte auch nicht an Hindernissen und Gegnerschaften. Zwar
den persönlichen Versuch des östreichischen Gesandten Grafen Buvl, den Heraus¬
geber, der noch östreichischer Unterthan war. einzuschüchtern, wies dieser einfach
mit der Erklärung ab, daß alles, was in seiner Zeitschrift stehe, zuvor von der
doppelten, geistlichen und weltlichen Censur gebilligt sei, und daß der Graf sich
deshalb an die piemontesischen Behörden wenden möge. Allein die Anfein¬
dungen gingen nicht nur von der reaktionären Seite aus, sondern auch von
der demokratischen. Es fehlte nicht an Leuten, welche die Mitarbeiter der An¬
thologie als Aristokraten verschrieen. Zum Theil mochte ein gewisser Neid der
"Familienbriefe", des demokratischen Organs, auf das Gedeihen der Anthologie
mit im Spiele sein. Allein der Gegensatz lag tiefer und war gleich im Anfang
der Bewegung hervorgetreten: es war die landwirtschaftliche Gesellschaft, in
deren Schoß der Gegensatz zwischen Demokraten und Aristokraten, der schon bis¬
her in Form spitziger Anspielungen der Blätter sich angekündigt hatte, öffent¬
lich auf einander platzte.

Der Plan zu einer landwirthschaftlichen Gesellschaft war nach dem Vor¬
bild der Bestrebungen, mit welchen der Marchese Ridolsi und andere Patrioten
in Toscana vorangegangen waren, im Jahre l8l2 in Piemont entstanden;


reaktionäre Eröffnungsrede gehalten hatte, zog er sick die ausdrückliche Mißbil¬
ligung des Königs zu, der ihn zugleich auffordern ließ!, in der Schlußrede den
schlimmen Eindruck wieder zu verwischen.

Die Anthologie versuchte es nun. die politische Bedeutung dieses Kongres¬
ses auch in der Presse hervorzuheben. Freilich macht der Artikel, wie er end¬
lich aus den langwierigen Perhandlungen mit der Censur hervorging, heute
einen geschraubten Eindruck; damals aher erstaunten selbst Männer wie Mas-
simo d'Azeglio und Farini über die freimüthige Sprache, welche den Congreß
ein Parlament der italienischen Wissenschaft nannte und den wahrhaft liberalen
und patriotischen Geist hervorhob, mit welchem sich die Versammlung über die
großen Probleme des materiellen und bürgerlichen Fortschritts der italienischen
Familie ausgesprochen hatte.

Nachdem einmal diese Sprache von der Censur durchgclassen worden, suchte
die Anthologie Schritt für Schritt die zugestandene Freiheit zu erweitern. Die
Anspielungen auf die nationale Unabhängigkeit wagten sich offener hervor,
die Partei wurde zu einmüthigem Zusammenhalten ermahnt, und bald war
Balbo's pu'i'0 unum est noesssai'inen fast auf jeder Seite zu verspüren.

Der Erfolg der Anthologie war unter diesen Umständen natürlich der beste.
Im April 1847 konnte der Herausgeber an Massimo d'Azeglio^ schreiben: „Die
Anthologie geht mit vollen Segeln vorwärts, aus allen Theilen Italiens hallt
der Beifall wieder, und Abonnenten wie Mitarbeiter nehmen täglich zu; sorgen
wir, daß die Begeisterung nicht erkalte, die unser Journal in Italien erweckt
hat." Aber es fehlte auch nicht an Hindernissen und Gegnerschaften. Zwar
den persönlichen Versuch des östreichischen Gesandten Grafen Buvl, den Heraus¬
geber, der noch östreichischer Unterthan war. einzuschüchtern, wies dieser einfach
mit der Erklärung ab, daß alles, was in seiner Zeitschrift stehe, zuvor von der
doppelten, geistlichen und weltlichen Censur gebilligt sei, und daß der Graf sich
deshalb an die piemontesischen Behörden wenden möge. Allein die Anfein¬
dungen gingen nicht nur von der reaktionären Seite aus, sondern auch von
der demokratischen. Es fehlte nicht an Leuten, welche die Mitarbeiter der An¬
thologie als Aristokraten verschrieen. Zum Theil mochte ein gewisser Neid der
„Familienbriefe", des demokratischen Organs, auf das Gedeihen der Anthologie
mit im Spiele sein. Allein der Gegensatz lag tiefer und war gleich im Anfang
der Bewegung hervorgetreten: es war die landwirtschaftliche Gesellschaft, in
deren Schoß der Gegensatz zwischen Demokraten und Aristokraten, der schon bis¬
her in Form spitziger Anspielungen der Blätter sich angekündigt hatte, öffent¬
lich auf einander platzte.

Der Plan zu einer landwirthschaftlichen Gesellschaft war nach dem Vor¬
bild der Bestrebungen, mit welchen der Marchese Ridolsi und andere Patrioten
in Toscana vorangegangen waren, im Jahre l8l2 in Piemont entstanden;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/285>, abgerufen am 05.02.2025.