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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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barsten zeigte sich dieses in Siebenbürgen. Dort hatten die Walachen, die sich
von jetzt an Rumänen nannten und auch offiziell so benannt wurden, für die
kaiserliche Partei, und die Szekler für die Ungarn sich in Masse erhoben. Beide
Theile traten in einer Stärke auf, welche den normalen Kriegsstand um das
Dreifache überschritt. Und auch die nicht in den Grenzverband gehörigen
Szekler und Walachen waren dem allgemeinen Aufgebote gefolgt. -- Es war
ein Volkskrieg, wo eben Jeder, ob Soldat oder nicht, anzog und mitziehen
mußte. Man kann also wol von der Treue und Anhänglichkeit der Grenzer
sprechen, aber nicht von einer "unverhältnißmäßig hohen Blutsteuer", welche
diesem Lande auferlegt sei und von demselben damals eingehoben worden sei.
Bei einer Mobilisirung der Nationalgarten haben auch andere Länder die
verhältnißmäßig gleiche Streiterzahl aufgestellt. Und die Mehrzahl der im
Jahre 1848 aufgebotenen Grenzer war auch nur ein militärisch organisirter
Landsturm und um Nichts besser, als die mobilisirten Nationalgarten vieler
ungarischen Städte. Denn nur die beiden ersten -- meistens in Italien stehen¬
den -- und bei einigen Regimentern auch noch die dritten und vierten Bataillone
konnten auf den Namen von Soldaten Anspruch machen, während die fünften
und sechsten Bataillone aller Regimenter und die Mehrzahl der dritten und
vierten weder ordentlich bekleidet und bewaffnet, noch einexercirt und discipli-
nirt waren.

Die in der Grenze ausgerüsteten Batterien wurden an Kriegstüchtigkeit
von der Nationalgardeartillerie in Wien weit übertroffen, und die Seressaner-
aTheilungen waren eine von der Hoffnung auf Beute angelockte Freiwilligen-
schaar -- oder besser gesagt eine Freibeutcrbcmde.

Auch betrachtete man die über den normalen Etat aufgestellten Grenztrup¬
pen nur als einen Nothbehelf, als einen nur zur Vertheidigung des eigenen
Gebietes aufgebotenen Landsturm. Denn der Ban Jellachich schickte, als er
tiefer in Ungarn eindrang, die aus solchen Rcservebataillonen gebildeten Bri¬
gaden Roth und Philippovich zurück, welches Corps, von den Ungarn mit
wenig überlegenen Streitkräften angegriffen, fast ohne Kampf die Waffen streckte.
Einen andern Haufen von nahezu gleicher Stärke schickte der Ban später,
nachdem er die östreichische Grenze erreicht hatte, auf Umwegen nach der Hei¬
math, um dieselbe zu vertheidigen und "die Felder zu bebauen". Der Witz
der Wiener behauptete: "der Ban habe sich geschämt, diesen zerlumpten Haufen
einem civilisirten Lande zu zeigen". Wäbrend des weitern Kriegsverlaufes stan¬
den auch nur die Feldbataillone bei der operirenden Armee, und nur im Grenz¬
gebiete selbst kämpften auch die Reservetruppen gegen die hie und da einge¬
drungenen Ungarn. Und als die Hauptarmee im April 1849 zum Rückzug"
gezwungen wurde, war es das laut sich kundgebende Heimweh der Kroaten,
welches den kaiserlichen Feldherrn bestimmte, den Ban Jellachich mit dem größten


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barsten zeigte sich dieses in Siebenbürgen. Dort hatten die Walachen, die sich
von jetzt an Rumänen nannten und auch offiziell so benannt wurden, für die
kaiserliche Partei, und die Szekler für die Ungarn sich in Masse erhoben. Beide
Theile traten in einer Stärke auf, welche den normalen Kriegsstand um das
Dreifache überschritt. Und auch die nicht in den Grenzverband gehörigen
Szekler und Walachen waren dem allgemeinen Aufgebote gefolgt. — Es war
ein Volkskrieg, wo eben Jeder, ob Soldat oder nicht, anzog und mitziehen
mußte. Man kann also wol von der Treue und Anhänglichkeit der Grenzer
sprechen, aber nicht von einer „unverhältnißmäßig hohen Blutsteuer", welche
diesem Lande auferlegt sei und von demselben damals eingehoben worden sei.
Bei einer Mobilisirung der Nationalgarten haben auch andere Länder die
verhältnißmäßig gleiche Streiterzahl aufgestellt. Und die Mehrzahl der im
Jahre 1848 aufgebotenen Grenzer war auch nur ein militärisch organisirter
Landsturm und um Nichts besser, als die mobilisirten Nationalgarten vieler
ungarischen Städte. Denn nur die beiden ersten — meistens in Italien stehen¬
den — und bei einigen Regimentern auch noch die dritten und vierten Bataillone
konnten auf den Namen von Soldaten Anspruch machen, während die fünften
und sechsten Bataillone aller Regimenter und die Mehrzahl der dritten und
vierten weder ordentlich bekleidet und bewaffnet, noch einexercirt und discipli-
nirt waren.

Die in der Grenze ausgerüsteten Batterien wurden an Kriegstüchtigkeit
von der Nationalgardeartillerie in Wien weit übertroffen, und die Seressaner-
aTheilungen waren eine von der Hoffnung auf Beute angelockte Freiwilligen-
schaar — oder besser gesagt eine Freibeutcrbcmde.

Auch betrachtete man die über den normalen Etat aufgestellten Grenztrup¬
pen nur als einen Nothbehelf, als einen nur zur Vertheidigung des eigenen
Gebietes aufgebotenen Landsturm. Denn der Ban Jellachich schickte, als er
tiefer in Ungarn eindrang, die aus solchen Rcservebataillonen gebildeten Bri¬
gaden Roth und Philippovich zurück, welches Corps, von den Ungarn mit
wenig überlegenen Streitkräften angegriffen, fast ohne Kampf die Waffen streckte.
Einen andern Haufen von nahezu gleicher Stärke schickte der Ban später,
nachdem er die östreichische Grenze erreicht hatte, auf Umwegen nach der Hei¬
math, um dieselbe zu vertheidigen und „die Felder zu bebauen". Der Witz
der Wiener behauptete: „der Ban habe sich geschämt, diesen zerlumpten Haufen
einem civilisirten Lande zu zeigen". Wäbrend des weitern Kriegsverlaufes stan¬
den auch nur die Feldbataillone bei der operirenden Armee, und nur im Grenz¬
gebiete selbst kämpften auch die Reservetruppen gegen die hie und da einge¬
drungenen Ungarn. Und als die Hauptarmee im April 1849 zum Rückzug«
gezwungen wurde, war es das laut sich kundgebende Heimweh der Kroaten,
welches den kaiserlichen Feldherrn bestimmte, den Ban Jellachich mit dem größten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/19>, abgerufen am 01.10.2024.