Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.seitdem in Preußen von oben und von unten gefehlt worden ist, eine mit Es kann nicht die Aufgabe dieser Blätter sein, aus die Lehre vom Parlamen¬ . Das Repräsentativsystem erzeugt un Staate einen Dualismus der Gewal¬ Nun wohl, in diesen kurzen Andeutungen ist die ganze Geschichte des ^ Statt alles Weiteren sei verwiesen auf Wohl, Geschichte und Literatur der Staats-
wissenschaft I. S. 283 fg. u. d. Viert.-I.-Schrift: "Das Repräsentativsystem, seine Mängel und die Heilmittel." (1LS2. Ur. 3.) seitdem in Preußen von oben und von unten gefehlt worden ist, eine mit Es kann nicht die Aufgabe dieser Blätter sein, aus die Lehre vom Parlamen¬ . Das Repräsentativsystem erzeugt un Staate einen Dualismus der Gewal¬ Nun wohl, in diesen kurzen Andeutungen ist die ganze Geschichte des ^ Statt alles Weiteren sei verwiesen auf Wohl, Geschichte und Literatur der Staats-
wissenschaft I. S. 283 fg. u. d. Viert.-I.-Schrift: „Das Repräsentativsystem, seine Mängel und die Heilmittel." (1LS2. Ur. 3.) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113870"/> <p xml:id="ID_230" prev="#ID_229"> seitdem in Preußen von oben und von unten gefehlt worden ist, eine mit<lb/> innerster Nothwendigkeit sich ergebende Konsequenz jener Unklarheit gewesen,<lb/> in welcher man sich über das Wesen des Parlamentarismus befand und mit<lb/> übergroßer Schonung von Vorurtheilen oder blinder Vertrauensseligkeit erhielt,<lb/> und es ist mit Zuversicht zu behaupten, daß Regierung wie Volk noch<lb/> manchen schweren Fehler begehen, manches schmerzliche Lehrgeld zahlen werden,<lb/> bis man auf beiden Seiten sich entschließt, solche Gespensterfurcht einer klaren<lb/> und nüchternen Prüfung weichen zu lassen..</p><lb/> <p xml:id="ID_231"> Es kann nicht die Aufgabe dieser Blätter sein, aus die Lehre vom Parlamen¬<lb/> tarismus ausführlicher einzugehen; in aller Kürze sei nur an Folgendes erinnert.</p><lb/> <p xml:id="ID_232"> . Das Repräsentativsystem erzeugt un Staate einen Dualismus der Gewal¬<lb/> ten, der das einträchtige Zusammengehen beider voraussetzt, wenn die Staats¬<lb/> maschine in Thätigkeit verbleiben soll, und der dadurch die Gefahr erzeugt, daß<lb/> durch die Reibung beider Gewalten die Thätigkeit des Staates gehemmt, die<lb/> Erreichung der Staatszwecke in Frage gestellt wird. Diese Gefahr ist um so<lb/> dringender, als bei dem Mangel einer Vermittelung dieses Dualismus beide<lb/> Gewalten die natürliche Tendenz haben auszuarten. Die Negierung wird,<lb/> wenn sie überhaupt an der Verfassung festhalten will, unwiderstehlich zu mi߬<lb/> liebiger Beeinflussung der Wahlen getrieben, die Vertretung aber, welche nie<lb/> die Aussicht hat, die Durchführung ihrer Wünsche selbst in die Hand nehmen<lb/> zu tonnen und zu sollen, mißt ihre Wünsche nicht nach dem Maß des Erreich¬<lb/> baren, stellt ihre Principforderungen ohne Rücksicht auf die zeitweilige Oppor¬<lb/> tunist derselben, übt das Recht, welches ihr am unbestreitbarsten zukommt<lb/> und ihr die größte Macht verleiht, das Steuerbewilligungsrecht mit Kleinlichkeit<lb/> aus und wird sich schwer dazu verstehen, der Negierung zu großen, w^taus-<lb/> holendcn Plänen die Mittel in die Hand zu geben. Namentlich zeigen sich<lb/> diese Uebelstände in der Bildung der Parteien. Diese gruppiren sich nicht um<lb/> die concrete staatliche Lage, sondern um das Mehr oder Minder freiheitlicher<lb/> Forderungen. Bei dem Mangel an Einfluß auf d>e Regierung schwindet ihnen<lb/> leicht die Disciplin, und vorzüglich die Mittelparteien sind, da sie das Minder<lb/> ihres Freiheitskatcchismus nicht durch ein Mehr an Macht ersetzen tonnen,<lb/> einer unaufhörlichen Zerreibung ausgesetzt. Das einzige Rettungsmittel aus<lb/> diesem Dualismus ist das parlamentarische Shstem, welches die Krone ihre<lb/> Rathe aus der jeweiligen Mehrheit der Vertretung nehmen läßt und somit sich<lb/> die Uebereinstimmung mit der Vertretung des Volkes sichert.*)</p><lb/> <p xml:id="ID_233" next="#ID_234"> Nun wohl, in diesen kurzen Andeutungen ist die ganze Geschichte des<lb/> preußischen Verfassungslebcns, insbesondere seit 1858, enthalten. Es sollen</p><lb/> <note xml:id="FID_4" place="foot"> ^ Statt alles Weiteren sei verwiesen auf Wohl, Geschichte und Literatur der Staats-<lb/> wissenschaft I. S. 283 fg. u. d. Viert.-I.-Schrift: „Das Repräsentativsystem, seine Mängel<lb/> und die Heilmittel." (1LS2. Ur. 3.)</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0090]
seitdem in Preußen von oben und von unten gefehlt worden ist, eine mit
innerster Nothwendigkeit sich ergebende Konsequenz jener Unklarheit gewesen,
in welcher man sich über das Wesen des Parlamentarismus befand und mit
übergroßer Schonung von Vorurtheilen oder blinder Vertrauensseligkeit erhielt,
und es ist mit Zuversicht zu behaupten, daß Regierung wie Volk noch
manchen schweren Fehler begehen, manches schmerzliche Lehrgeld zahlen werden,
bis man auf beiden Seiten sich entschließt, solche Gespensterfurcht einer klaren
und nüchternen Prüfung weichen zu lassen..
Es kann nicht die Aufgabe dieser Blätter sein, aus die Lehre vom Parlamen¬
tarismus ausführlicher einzugehen; in aller Kürze sei nur an Folgendes erinnert.
. Das Repräsentativsystem erzeugt un Staate einen Dualismus der Gewal¬
ten, der das einträchtige Zusammengehen beider voraussetzt, wenn die Staats¬
maschine in Thätigkeit verbleiben soll, und der dadurch die Gefahr erzeugt, daß
durch die Reibung beider Gewalten die Thätigkeit des Staates gehemmt, die
Erreichung der Staatszwecke in Frage gestellt wird. Diese Gefahr ist um so
dringender, als bei dem Mangel einer Vermittelung dieses Dualismus beide
Gewalten die natürliche Tendenz haben auszuarten. Die Negierung wird,
wenn sie überhaupt an der Verfassung festhalten will, unwiderstehlich zu mi߬
liebiger Beeinflussung der Wahlen getrieben, die Vertretung aber, welche nie
die Aussicht hat, die Durchführung ihrer Wünsche selbst in die Hand nehmen
zu tonnen und zu sollen, mißt ihre Wünsche nicht nach dem Maß des Erreich¬
baren, stellt ihre Principforderungen ohne Rücksicht auf die zeitweilige Oppor¬
tunist derselben, übt das Recht, welches ihr am unbestreitbarsten zukommt
und ihr die größte Macht verleiht, das Steuerbewilligungsrecht mit Kleinlichkeit
aus und wird sich schwer dazu verstehen, der Negierung zu großen, w^taus-
holendcn Plänen die Mittel in die Hand zu geben. Namentlich zeigen sich
diese Uebelstände in der Bildung der Parteien. Diese gruppiren sich nicht um
die concrete staatliche Lage, sondern um das Mehr oder Minder freiheitlicher
Forderungen. Bei dem Mangel an Einfluß auf d>e Regierung schwindet ihnen
leicht die Disciplin, und vorzüglich die Mittelparteien sind, da sie das Minder
ihres Freiheitskatcchismus nicht durch ein Mehr an Macht ersetzen tonnen,
einer unaufhörlichen Zerreibung ausgesetzt. Das einzige Rettungsmittel aus
diesem Dualismus ist das parlamentarische Shstem, welches die Krone ihre
Rathe aus der jeweiligen Mehrheit der Vertretung nehmen läßt und somit sich
die Uebereinstimmung mit der Vertretung des Volkes sichert.*)
Nun wohl, in diesen kurzen Andeutungen ist die ganze Geschichte des
preußischen Verfassungslebcns, insbesondere seit 1858, enthalten. Es sollen
^ Statt alles Weiteren sei verwiesen auf Wohl, Geschichte und Literatur der Staats-
wissenschaft I. S. 283 fg. u. d. Viert.-I.-Schrift: „Das Repräsentativsystem, seine Mängel
und die Heilmittel." (1LS2. Ur. 3.)
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |