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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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bedroht sein würde, wie in den ersten Monaten des Kriegs Washington, die
Hauptstadt der Gegenpartei.

Nicht minder wichtig als diese militärischen Fortschritte der Unionisten sind
die politischen. Der Kongreß hat ein Gesetz angenommen, welches den Bundes¬
truppen die Auslieferung flüchtiger Sklaven untersagt. Ferner ist ein Bundes-
steuergesetzcntwurf eingebracht worden, der, wenn er gutgeheißen wird, den
Credit der Union beträchtlich zu heben geeignet sein dürfte. Endlich -- und
das ist das bedeutendste Ereigniß seit dem Ausbruch der Revolution -- hat
Präsident Lincoln dem Congreß eine Botschaft zugehen lassen, die auf den ersten
Blick wie ein Vorschlag aussieht, den Krieg durch Auflauf der Sklaven in den
Staaten der Secession zu beendigen.

Indem wir uns eine ausführliche Betrachtung der veränderten militärischen
Position der beiden dampfenden Parteien für eine andere Gelegenheit vorbe¬
halten, untersuchen wir für heule jenen Plan des Präsidenten etwas genauer,
und zwar fragen wir zunächst, was die eigentliche Meinung des etwas dunkel
gehaltenen Actenstücks ist, dann, welche Ausnahme das Project wahrscheinlich
im Congreß. sowie in den Legislaturen der Einzelstaaten finden wird, endlich
welches Ergebniß die Maßregel vermuthlich haben würde, falls sie die Billigung
der Gesetzgebung erlangte.

Die leitenden Gedanken der Botschaft sind folgende: Die Baumwollen-
staaten verharren bei ihrer Rebellion auf Grund der Hoffnung, daß die soge¬
nannten Grenzstaaten sich ihnen im Kampfe anschließen und nach Beendigung
des Kriegs ihrer Konföderation beitreten werden. Wäre diese Hoffnung in einer
Weise zu nichte zu machen, daß jeder Verständige sie sofort als eine eitle erkennte,
so würden die Baumwollenstaaten entweder an der Möglichkeit fernern Wider¬
standes verzweifeln, oder, wenn sie tollkühn genug wären, den Krieg fortzusetzen,
ohne viel Mühe geschlagen werden. Hören die Grenzstaaten auf. Sklavenstaaten
zu sein, so verschwindet damit Alles, was die Gemeinschaft der Interessen und
Gewohnheiten zwischen ihnen und den Süd- oder Golfstaaten ausmacht, und
sie werden auf natürlichem Wege für immer ein Theil des nördlichen Bundes.
Sichern wir uns daher ihre Loyalität, gewinnen wir sie für das Zusammen¬
gehen mit uns, indem wir ihnen den Vorschlag machen, die Aufhebung der
Sklaverei zu verkünden und eine pecuniäre Entschädigung dafür anzunehmen.
Mit andern Worten: möge der Congreß sich erbieten, die Freiheit der Neger
von Kentucky. Missouri, Tennessee, Virginien und Maryland zu erkaufen, und
diese Staaten werden, dann zu freiem Boden geworden, ipso laco sich bundes¬
treu Verhalten und im Sinn des Nordens handeln. Die Kosten werden die
laufenden Ausgaben für den Krieg nicht übersteigen, und die Annahme des
Plans wird dem Kriege ein Ziel setzen. Wir machen den Vorschlag einer all-
mäligen und erkauften Emancipation allen Staaten, aber natürlich erwarten


bedroht sein würde, wie in den ersten Monaten des Kriegs Washington, die
Hauptstadt der Gegenpartei.

Nicht minder wichtig als diese militärischen Fortschritte der Unionisten sind
die politischen. Der Kongreß hat ein Gesetz angenommen, welches den Bundes¬
truppen die Auslieferung flüchtiger Sklaven untersagt. Ferner ist ein Bundes-
steuergesetzcntwurf eingebracht worden, der, wenn er gutgeheißen wird, den
Credit der Union beträchtlich zu heben geeignet sein dürfte. Endlich — und
das ist das bedeutendste Ereigniß seit dem Ausbruch der Revolution — hat
Präsident Lincoln dem Congreß eine Botschaft zugehen lassen, die auf den ersten
Blick wie ein Vorschlag aussieht, den Krieg durch Auflauf der Sklaven in den
Staaten der Secession zu beendigen.

Indem wir uns eine ausführliche Betrachtung der veränderten militärischen
Position der beiden dampfenden Parteien für eine andere Gelegenheit vorbe¬
halten, untersuchen wir für heule jenen Plan des Präsidenten etwas genauer,
und zwar fragen wir zunächst, was die eigentliche Meinung des etwas dunkel
gehaltenen Actenstücks ist, dann, welche Ausnahme das Project wahrscheinlich
im Congreß. sowie in den Legislaturen der Einzelstaaten finden wird, endlich
welches Ergebniß die Maßregel vermuthlich haben würde, falls sie die Billigung
der Gesetzgebung erlangte.

Die leitenden Gedanken der Botschaft sind folgende: Die Baumwollen-
staaten verharren bei ihrer Rebellion auf Grund der Hoffnung, daß die soge¬
nannten Grenzstaaten sich ihnen im Kampfe anschließen und nach Beendigung
des Kriegs ihrer Konföderation beitreten werden. Wäre diese Hoffnung in einer
Weise zu nichte zu machen, daß jeder Verständige sie sofort als eine eitle erkennte,
so würden die Baumwollenstaaten entweder an der Möglichkeit fernern Wider¬
standes verzweifeln, oder, wenn sie tollkühn genug wären, den Krieg fortzusetzen,
ohne viel Mühe geschlagen werden. Hören die Grenzstaaten auf. Sklavenstaaten
zu sein, so verschwindet damit Alles, was die Gemeinschaft der Interessen und
Gewohnheiten zwischen ihnen und den Süd- oder Golfstaaten ausmacht, und
sie werden auf natürlichem Wege für immer ein Theil des nördlichen Bundes.
Sichern wir uns daher ihre Loyalität, gewinnen wir sie für das Zusammen¬
gehen mit uns, indem wir ihnen den Vorschlag machen, die Aufhebung der
Sklaverei zu verkünden und eine pecuniäre Entschädigung dafür anzunehmen.
Mit andern Worten: möge der Congreß sich erbieten, die Freiheit der Neger
von Kentucky. Missouri, Tennessee, Virginien und Maryland zu erkaufen, und
diese Staaten werden, dann zu freiem Boden geworden, ipso laco sich bundes¬
treu Verhalten und im Sinn des Nordens handeln. Die Kosten werden die
laufenden Ausgaben für den Krieg nicht übersteigen, und die Annahme des
Plans wird dem Kriege ein Ziel setzen. Wir machen den Vorschlag einer all-
mäligen und erkauften Emancipation allen Staaten, aber natürlich erwarten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/77>, abgerufen am 06.01.2025.