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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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den sofort den Muränen seines Fischteichs vorzuwerfen. Der Schuldige warf
sich dem Kaiser zu Füßen und bat nur um eine andere Todesart. Augustus
befreite ihn, ließ alles Krystallgeschirr des Hauses zerbrechen und befahl den
Fischteich zuzuschütten. Auch das Petronische Gesetz, das dem Herrn das Recht
nahm, seinen Sklaven ohne Entscheidung der Obrigkeit zum Kampfe mit den
wilden Thieren hinzugeben, scheint unter seiner Regierung erlassen worden zu
sein. Schon die Flucht zur Bildsäule des Kaisers, ja sogar das Emporhalten
einer Münze mit dem kaiserlichen Bildniß gewährte den Sklaven vorläufige
Rettung, und über zu grausame Behandlung, unkeusche Zumuthungen und zu
spärliche Kost konnten jetzt die Sklaven ihre Klagen bei dem Stadtpräfecten an¬
bringen. Dagegen kam es auch vor, daß der Kaiser verbrecherische Subjecte
nach zuvor angestellter Untersuchung ihren Herren zur Vollziehung der Toocs-
strafe auslieferte. Unter Claudius trieben Viele ihre Härte gegen die Sklaven
so weit, daß sie Kranke oder Gebrechliche ohne Weiteres aus dem Hause stießen
oder aus der Tibennscl, wo das Tempelhospital Aesculaps stand, aussetzten.
Der Kaiser verfügte deshalb, daß die Ausgesetzten, wenn sie gesund würden,
nicht wieder in die Gewalt ihrer Herren zurückfallen, sondern frei sein
sollten. Als Mörder sollte aber behandelt werden, wer seinen Sklaven lieber
todten als aussetzen würde. Hadrian fand es für nöthig, das Petronische Ge¬
setz wieder in Erinnerung zu bringen und stellte auch ein Strasexempel auf,
indem er eine vornehme Frau, die ihre Mägde wegen geringer Vergehungen
arg mißhandelt hatte, auf fünf Jahre in die Verbannung schickte. Antoninus
endlich verordnete abermals, daß gegen Jemanden, der seinen Sklaven tödtete,
nicht anders verfahren werden sollte, als gegen den Mörder eines fremden
Sklaven, und befahl, daß die Sklaven, welche sich wegen schlechter Nahrung und
unerträglicher Behandlung in ein Heiligthum flüchten würden, nicht mit Gewalt
zurückgebracht, sondern, wenn sich ihre Klagen gegründet erwiesen, von den
Herren verkauft werden sollten. Schon diese sich wiederholenden Einschärsungen
erregen ein gerechtes Mißtrauen gegen den Schutz, welchen die kaiserlichen Be¬
stimmungen überhaupt gewährt haben. Juvenals Schilderungen lassen kaum
eine Beschränkung der herrschaftlichen Willkür ahnen, und Ammianus berichtet
über die Römer des vierten Jahrhunderts nichts Besseres. Freilich muß man
bei allem Abscheu vor dieser Herabwürdigung der menschlichen Natur bedenken,
daß die zahllosen und demoralisirten Sklavenschwärme nur durch die größte
Strenge im Zaume gehalten werden konnten. "Unsere Vorfahren", spricht bei
Tacitus ein Senator, "mißtrauten den Charakteren der Sklaven, auch wenn
dieselben auf ihren Gutem oder in denselben Häusern geboren waren und so¬
gleich die Zuneigung des Herrn erlangt hatten. Nachdem wir aber Nationen
in unserem Gesinde haben, die verschiedene Gebräuche, ausländische Religionen
oder gar keine haben, kann man dieses Chaos nur durch Furcht bändigen."


den sofort den Muränen seines Fischteichs vorzuwerfen. Der Schuldige warf
sich dem Kaiser zu Füßen und bat nur um eine andere Todesart. Augustus
befreite ihn, ließ alles Krystallgeschirr des Hauses zerbrechen und befahl den
Fischteich zuzuschütten. Auch das Petronische Gesetz, das dem Herrn das Recht
nahm, seinen Sklaven ohne Entscheidung der Obrigkeit zum Kampfe mit den
wilden Thieren hinzugeben, scheint unter seiner Regierung erlassen worden zu
sein. Schon die Flucht zur Bildsäule des Kaisers, ja sogar das Emporhalten
einer Münze mit dem kaiserlichen Bildniß gewährte den Sklaven vorläufige
Rettung, und über zu grausame Behandlung, unkeusche Zumuthungen und zu
spärliche Kost konnten jetzt die Sklaven ihre Klagen bei dem Stadtpräfecten an¬
bringen. Dagegen kam es auch vor, daß der Kaiser verbrecherische Subjecte
nach zuvor angestellter Untersuchung ihren Herren zur Vollziehung der Toocs-
strafe auslieferte. Unter Claudius trieben Viele ihre Härte gegen die Sklaven
so weit, daß sie Kranke oder Gebrechliche ohne Weiteres aus dem Hause stießen
oder aus der Tibennscl, wo das Tempelhospital Aesculaps stand, aussetzten.
Der Kaiser verfügte deshalb, daß die Ausgesetzten, wenn sie gesund würden,
nicht wieder in die Gewalt ihrer Herren zurückfallen, sondern frei sein
sollten. Als Mörder sollte aber behandelt werden, wer seinen Sklaven lieber
todten als aussetzen würde. Hadrian fand es für nöthig, das Petronische Ge¬
setz wieder in Erinnerung zu bringen und stellte auch ein Strasexempel auf,
indem er eine vornehme Frau, die ihre Mägde wegen geringer Vergehungen
arg mißhandelt hatte, auf fünf Jahre in die Verbannung schickte. Antoninus
endlich verordnete abermals, daß gegen Jemanden, der seinen Sklaven tödtete,
nicht anders verfahren werden sollte, als gegen den Mörder eines fremden
Sklaven, und befahl, daß die Sklaven, welche sich wegen schlechter Nahrung und
unerträglicher Behandlung in ein Heiligthum flüchten würden, nicht mit Gewalt
zurückgebracht, sondern, wenn sich ihre Klagen gegründet erwiesen, von den
Herren verkauft werden sollten. Schon diese sich wiederholenden Einschärsungen
erregen ein gerechtes Mißtrauen gegen den Schutz, welchen die kaiserlichen Be¬
stimmungen überhaupt gewährt haben. Juvenals Schilderungen lassen kaum
eine Beschränkung der herrschaftlichen Willkür ahnen, und Ammianus berichtet
über die Römer des vierten Jahrhunderts nichts Besseres. Freilich muß man
bei allem Abscheu vor dieser Herabwürdigung der menschlichen Natur bedenken,
daß die zahllosen und demoralisirten Sklavenschwärme nur durch die größte
Strenge im Zaume gehalten werden konnten. „Unsere Vorfahren", spricht bei
Tacitus ein Senator, „mißtrauten den Charakteren der Sklaven, auch wenn
dieselben auf ihren Gutem oder in denselben Häusern geboren waren und so¬
gleich die Zuneigung des Herrn erlangt hatten. Nachdem wir aber Nationen
in unserem Gesinde haben, die verschiedene Gebräuche, ausländische Religionen
oder gar keine haben, kann man dieses Chaos nur durch Furcht bändigen."


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[0071] den sofort den Muränen seines Fischteichs vorzuwerfen. Der Schuldige warf sich dem Kaiser zu Füßen und bat nur um eine andere Todesart. Augustus befreite ihn, ließ alles Krystallgeschirr des Hauses zerbrechen und befahl den Fischteich zuzuschütten. Auch das Petronische Gesetz, das dem Herrn das Recht nahm, seinen Sklaven ohne Entscheidung der Obrigkeit zum Kampfe mit den wilden Thieren hinzugeben, scheint unter seiner Regierung erlassen worden zu sein. Schon die Flucht zur Bildsäule des Kaisers, ja sogar das Emporhalten einer Münze mit dem kaiserlichen Bildniß gewährte den Sklaven vorläufige Rettung, und über zu grausame Behandlung, unkeusche Zumuthungen und zu spärliche Kost konnten jetzt die Sklaven ihre Klagen bei dem Stadtpräfecten an¬ bringen. Dagegen kam es auch vor, daß der Kaiser verbrecherische Subjecte nach zuvor angestellter Untersuchung ihren Herren zur Vollziehung der Toocs- strafe auslieferte. Unter Claudius trieben Viele ihre Härte gegen die Sklaven so weit, daß sie Kranke oder Gebrechliche ohne Weiteres aus dem Hause stießen oder aus der Tibennscl, wo das Tempelhospital Aesculaps stand, aussetzten. Der Kaiser verfügte deshalb, daß die Ausgesetzten, wenn sie gesund würden, nicht wieder in die Gewalt ihrer Herren zurückfallen, sondern frei sein sollten. Als Mörder sollte aber behandelt werden, wer seinen Sklaven lieber todten als aussetzen würde. Hadrian fand es für nöthig, das Petronische Ge¬ setz wieder in Erinnerung zu bringen und stellte auch ein Strasexempel auf, indem er eine vornehme Frau, die ihre Mägde wegen geringer Vergehungen arg mißhandelt hatte, auf fünf Jahre in die Verbannung schickte. Antoninus endlich verordnete abermals, daß gegen Jemanden, der seinen Sklaven tödtete, nicht anders verfahren werden sollte, als gegen den Mörder eines fremden Sklaven, und befahl, daß die Sklaven, welche sich wegen schlechter Nahrung und unerträglicher Behandlung in ein Heiligthum flüchten würden, nicht mit Gewalt zurückgebracht, sondern, wenn sich ihre Klagen gegründet erwiesen, von den Herren verkauft werden sollten. Schon diese sich wiederholenden Einschärsungen erregen ein gerechtes Mißtrauen gegen den Schutz, welchen die kaiserlichen Be¬ stimmungen überhaupt gewährt haben. Juvenals Schilderungen lassen kaum eine Beschränkung der herrschaftlichen Willkür ahnen, und Ammianus berichtet über die Römer des vierten Jahrhunderts nichts Besseres. Freilich muß man bei allem Abscheu vor dieser Herabwürdigung der menschlichen Natur bedenken, daß die zahllosen und demoralisirten Sklavenschwärme nur durch die größte Strenge im Zaume gehalten werden konnten. „Unsere Vorfahren", spricht bei Tacitus ein Senator, „mißtrauten den Charakteren der Sklaven, auch wenn dieselben auf ihren Gutem oder in denselben Häusern geboren waren und so¬ gleich die Zuneigung des Herrn erlangt hatten. Nachdem wir aber Nationen in unserem Gesinde haben, die verschiedene Gebräuche, ausländische Religionen oder gar keine haben, kann man dieses Chaos nur durch Furcht bändigen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/71>, abgerufen am 08.01.2025.