Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

geistlichen Gewalt sei; ferner sollen die italienischen Cardinäle von Rechtswegen
Mitglieder des Senats sein, und endlich der italienische Episkopat vollständige
Freiheit in kirchlichen Angelegenheiten haben. -- Dies ist das Ganze.

Allein ausdrücklich fügte der Cardinal hinzu, die Erfahrung habe leider
gezeigt, daß unter solchen Statthalterschaften, welche früher vom heiligen Stuhl
zugestanden worden, der jährlich ausbedungene Tribut mit den Jahren immer
spärlicher geworden sei, in der That sei es so nach einander in der Lombardei,
in Parma, in Piacenza, in Modena, in Neapel mit der bekannten "Guinee",
in Piemont selbst mit dem jährlichen Tnbut von 3V00 Scudi gegangen. Der
höchst vorsichtige Cardinal sprach deshalb das Bedenken aus, keine hinreichenden
Sicherheiten zu besitzen, um dem heiligen Stuhl für jetzt und alle Zeit die oben ge¬
dachten Penstonen zu verbürgen. Im Falle man deshalb einen förmlichen Entwurf
zu einem Vertrag dem heiligen Collegium zur Annahme vorlegen wolle, müsse
man sich vorsehen, daß derselbe nicht wegen mangelnder Sicherheit zurückgewiesen
werde. Um nun hier in geeigneter Weise Lorsorge zu treffen, verlangte der Cardi¬
nal (nachdem unser Anwalt die strengste Geheimhaltung alles Obenerwähnten,
selbst über die Eröffnung von Unterhandlungen zugesagt hatte), daß eben durch
Aguglia ein förmlich redigirter Entwurf über obige Grundlagen zugestellt werde,
worin zugleich unumgängliche und unübersteigliche Garantien für Alles enthal¬
ten wären, vorzüglich was die ewige Sicherheit der jährlichen dem si. Stuhl
zugesprochenen Penstonen betreffe, wobei in einer besonderen Klausel die facti¬
sche Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des Kirchenstaates ausgesprochen
sein sollte, im Fall die Bedingungen in irgend einer zukünftigen Zeit, was auch
immer der Grund oder die Ursache sein möge, nicht erfüllt würden. Und wenn
dann der Cardinal Antvnelli das ProM so finden sollte, wie es in Wahrheit
sein müsse, dann erst solle eine förmliche Unterhandlung mit unserem Anwälte
zugestanden werden und auch dann nur unter Beobachtung strengster Geheim¬
haltung, selbst gegenüber den Mitgliedern der königlichen Regierung, bis zur
endlichen Beschlußfassung. Der Cardinal betheuerte deshalb, wenn ja der Ent¬
wurf vor dem vollständigen Abschluß ans Tageslicht trete, würde es ihm wegen
der Klagen, der Streitigkeiten und der Intriguen der klerikalen Partei absolut
unmöglich sein, ihn im heiligen Collegium vorzubringen.

Obwohl ich der Kürze halber die Einzelheiten dieser Conferenz zwischen un¬
serm Anwalt und dem Cardinal Antonelli übergehen wollte, so kann ich gleich¬
wohl nicht umhin Ihnen anzuzeigen, daß auch Seine Eminenz guten Glaubens
und von der Nützlichkeit und der Nothwendigkeit eines solchen Uebereinkommens
dollständig überzeugt zu sein scheint, da Niemand besser als er (dies sind seine
eigenen Worte) den gegenwärtigen Zustand Europa's und die Unmöglichkeit für
den heiligen Stuhl etwas von fremden Bajonneten zu hoffen erkennt; selbst wenn
die Zeiten wieder sich zum Besseren wendeten, sei es doch unleugbar, daß der-


geistlichen Gewalt sei; ferner sollen die italienischen Cardinäle von Rechtswegen
Mitglieder des Senats sein, und endlich der italienische Episkopat vollständige
Freiheit in kirchlichen Angelegenheiten haben. — Dies ist das Ganze.

Allein ausdrücklich fügte der Cardinal hinzu, die Erfahrung habe leider
gezeigt, daß unter solchen Statthalterschaften, welche früher vom heiligen Stuhl
zugestanden worden, der jährlich ausbedungene Tribut mit den Jahren immer
spärlicher geworden sei, in der That sei es so nach einander in der Lombardei,
in Parma, in Piacenza, in Modena, in Neapel mit der bekannten „Guinee",
in Piemont selbst mit dem jährlichen Tnbut von 3V00 Scudi gegangen. Der
höchst vorsichtige Cardinal sprach deshalb das Bedenken aus, keine hinreichenden
Sicherheiten zu besitzen, um dem heiligen Stuhl für jetzt und alle Zeit die oben ge¬
dachten Penstonen zu verbürgen. Im Falle man deshalb einen förmlichen Entwurf
zu einem Vertrag dem heiligen Collegium zur Annahme vorlegen wolle, müsse
man sich vorsehen, daß derselbe nicht wegen mangelnder Sicherheit zurückgewiesen
werde. Um nun hier in geeigneter Weise Lorsorge zu treffen, verlangte der Cardi¬
nal (nachdem unser Anwalt die strengste Geheimhaltung alles Obenerwähnten,
selbst über die Eröffnung von Unterhandlungen zugesagt hatte), daß eben durch
Aguglia ein förmlich redigirter Entwurf über obige Grundlagen zugestellt werde,
worin zugleich unumgängliche und unübersteigliche Garantien für Alles enthal¬
ten wären, vorzüglich was die ewige Sicherheit der jährlichen dem si. Stuhl
zugesprochenen Penstonen betreffe, wobei in einer besonderen Klausel die facti¬
sche Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des Kirchenstaates ausgesprochen
sein sollte, im Fall die Bedingungen in irgend einer zukünftigen Zeit, was auch
immer der Grund oder die Ursache sein möge, nicht erfüllt würden. Und wenn
dann der Cardinal Antvnelli das ProM so finden sollte, wie es in Wahrheit
sein müsse, dann erst solle eine förmliche Unterhandlung mit unserem Anwälte
zugestanden werden und auch dann nur unter Beobachtung strengster Geheim¬
haltung, selbst gegenüber den Mitgliedern der königlichen Regierung, bis zur
endlichen Beschlußfassung. Der Cardinal betheuerte deshalb, wenn ja der Ent¬
wurf vor dem vollständigen Abschluß ans Tageslicht trete, würde es ihm wegen
der Klagen, der Streitigkeiten und der Intriguen der klerikalen Partei absolut
unmöglich sein, ihn im heiligen Collegium vorzubringen.

Obwohl ich der Kürze halber die Einzelheiten dieser Conferenz zwischen un¬
serm Anwalt und dem Cardinal Antonelli übergehen wollte, so kann ich gleich¬
wohl nicht umhin Ihnen anzuzeigen, daß auch Seine Eminenz guten Glaubens
und von der Nützlichkeit und der Nothwendigkeit eines solchen Uebereinkommens
dollständig überzeugt zu sein scheint, da Niemand besser als er (dies sind seine
eigenen Worte) den gegenwärtigen Zustand Europa's und die Unmöglichkeit für
den heiligen Stuhl etwas von fremden Bajonneten zu hoffen erkennt; selbst wenn
die Zeiten wieder sich zum Besseren wendeten, sei es doch unleugbar, daß der-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113835"/>
          <p xml:id="ID_133" prev="#ID_132"> geistlichen Gewalt sei; ferner sollen die italienischen Cardinäle von Rechtswegen<lb/>
Mitglieder des Senats sein, und endlich der italienische Episkopat vollständige<lb/>
Freiheit in kirchlichen Angelegenheiten haben. &#x2014; Dies ist das Ganze.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_134"> Allein ausdrücklich fügte der Cardinal hinzu, die Erfahrung habe leider<lb/>
gezeigt, daß unter solchen Statthalterschaften, welche früher vom heiligen Stuhl<lb/>
zugestanden worden, der jährlich ausbedungene Tribut mit den Jahren immer<lb/>
spärlicher geworden sei, in der That sei es so nach einander in der Lombardei,<lb/>
in Parma, in Piacenza, in Modena, in Neapel mit der bekannten &#x201E;Guinee",<lb/>
in Piemont selbst mit dem jährlichen Tnbut von 3V00 Scudi gegangen. Der<lb/>
höchst vorsichtige Cardinal sprach deshalb das Bedenken aus, keine hinreichenden<lb/>
Sicherheiten zu besitzen, um dem heiligen Stuhl für jetzt und alle Zeit die oben ge¬<lb/>
dachten Penstonen zu verbürgen. Im Falle man deshalb einen förmlichen Entwurf<lb/>
zu einem Vertrag dem heiligen Collegium zur Annahme vorlegen wolle, müsse<lb/>
man sich vorsehen, daß derselbe nicht wegen mangelnder Sicherheit zurückgewiesen<lb/>
werde. Um nun hier in geeigneter Weise Lorsorge zu treffen, verlangte der Cardi¬<lb/>
nal (nachdem unser Anwalt die strengste Geheimhaltung alles Obenerwähnten,<lb/>
selbst über die Eröffnung von Unterhandlungen zugesagt hatte), daß eben durch<lb/>
Aguglia ein förmlich redigirter Entwurf über obige Grundlagen zugestellt werde,<lb/>
worin zugleich unumgängliche und unübersteigliche Garantien für Alles enthal¬<lb/>
ten wären, vorzüglich was die ewige Sicherheit der jährlichen dem si. Stuhl<lb/>
zugesprochenen Penstonen betreffe, wobei in einer besonderen Klausel die facti¬<lb/>
sche Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des Kirchenstaates ausgesprochen<lb/>
sein sollte, im Fall die Bedingungen in irgend einer zukünftigen Zeit, was auch<lb/>
immer der Grund oder die Ursache sein möge, nicht erfüllt würden. Und wenn<lb/>
dann der Cardinal Antvnelli das ProM so finden sollte, wie es in Wahrheit<lb/>
sein müsse, dann erst solle eine förmliche Unterhandlung mit unserem Anwälte<lb/>
zugestanden werden und auch dann nur unter Beobachtung strengster Geheim¬<lb/>
haltung, selbst gegenüber den Mitgliedern der königlichen Regierung, bis zur<lb/>
endlichen Beschlußfassung. Der Cardinal betheuerte deshalb, wenn ja der Ent¬<lb/>
wurf vor dem vollständigen Abschluß ans Tageslicht trete, würde es ihm wegen<lb/>
der Klagen, der Streitigkeiten und der Intriguen der klerikalen Partei absolut<lb/>
unmöglich sein, ihn im heiligen Collegium vorzubringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_135" next="#ID_136"> Obwohl ich der Kürze halber die Einzelheiten dieser Conferenz zwischen un¬<lb/>
serm Anwalt und dem Cardinal Antonelli übergehen wollte, so kann ich gleich¬<lb/>
wohl nicht umhin Ihnen anzuzeigen, daß auch Seine Eminenz guten Glaubens<lb/>
und von der Nützlichkeit und der Nothwendigkeit eines solchen Uebereinkommens<lb/>
dollständig überzeugt zu sein scheint, da Niemand besser als er (dies sind seine<lb/>
eigenen Worte) den gegenwärtigen Zustand Europa's und die Unmöglichkeit für<lb/>
den heiligen Stuhl etwas von fremden Bajonneten zu hoffen erkennt; selbst wenn<lb/>
die Zeiten wieder sich zum Besseren wendeten, sei es doch unleugbar, daß der-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0055] geistlichen Gewalt sei; ferner sollen die italienischen Cardinäle von Rechtswegen Mitglieder des Senats sein, und endlich der italienische Episkopat vollständige Freiheit in kirchlichen Angelegenheiten haben. — Dies ist das Ganze. Allein ausdrücklich fügte der Cardinal hinzu, die Erfahrung habe leider gezeigt, daß unter solchen Statthalterschaften, welche früher vom heiligen Stuhl zugestanden worden, der jährlich ausbedungene Tribut mit den Jahren immer spärlicher geworden sei, in der That sei es so nach einander in der Lombardei, in Parma, in Piacenza, in Modena, in Neapel mit der bekannten „Guinee", in Piemont selbst mit dem jährlichen Tnbut von 3V00 Scudi gegangen. Der höchst vorsichtige Cardinal sprach deshalb das Bedenken aus, keine hinreichenden Sicherheiten zu besitzen, um dem heiligen Stuhl für jetzt und alle Zeit die oben ge¬ dachten Penstonen zu verbürgen. Im Falle man deshalb einen förmlichen Entwurf zu einem Vertrag dem heiligen Collegium zur Annahme vorlegen wolle, müsse man sich vorsehen, daß derselbe nicht wegen mangelnder Sicherheit zurückgewiesen werde. Um nun hier in geeigneter Weise Lorsorge zu treffen, verlangte der Cardi¬ nal (nachdem unser Anwalt die strengste Geheimhaltung alles Obenerwähnten, selbst über die Eröffnung von Unterhandlungen zugesagt hatte), daß eben durch Aguglia ein förmlich redigirter Entwurf über obige Grundlagen zugestellt werde, worin zugleich unumgängliche und unübersteigliche Garantien für Alles enthal¬ ten wären, vorzüglich was die ewige Sicherheit der jährlichen dem si. Stuhl zugesprochenen Penstonen betreffe, wobei in einer besonderen Klausel die facti¬ sche Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des Kirchenstaates ausgesprochen sein sollte, im Fall die Bedingungen in irgend einer zukünftigen Zeit, was auch immer der Grund oder die Ursache sein möge, nicht erfüllt würden. Und wenn dann der Cardinal Antvnelli das ProM so finden sollte, wie es in Wahrheit sein müsse, dann erst solle eine förmliche Unterhandlung mit unserem Anwälte zugestanden werden und auch dann nur unter Beobachtung strengster Geheim¬ haltung, selbst gegenüber den Mitgliedern der königlichen Regierung, bis zur endlichen Beschlußfassung. Der Cardinal betheuerte deshalb, wenn ja der Ent¬ wurf vor dem vollständigen Abschluß ans Tageslicht trete, würde es ihm wegen der Klagen, der Streitigkeiten und der Intriguen der klerikalen Partei absolut unmöglich sein, ihn im heiligen Collegium vorzubringen. Obwohl ich der Kürze halber die Einzelheiten dieser Conferenz zwischen un¬ serm Anwalt und dem Cardinal Antonelli übergehen wollte, so kann ich gleich¬ wohl nicht umhin Ihnen anzuzeigen, daß auch Seine Eminenz guten Glaubens und von der Nützlichkeit und der Nothwendigkeit eines solchen Uebereinkommens dollständig überzeugt zu sein scheint, da Niemand besser als er (dies sind seine eigenen Worte) den gegenwärtigen Zustand Europa's und die Unmöglichkeit für den heiligen Stuhl etwas von fremden Bajonneten zu hoffen erkennt; selbst wenn die Zeiten wieder sich zum Besseren wendeten, sei es doch unleugbar, daß der-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/55
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/55>, abgerufen am 08.01.2025.