Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.trefflich sprachen nächst den Führern des Nationalvereins einige Herren aus Allerdings wäre dieser Beschluß vierzehn Jahre nach 1848 unmöglich ge¬ Aus solchem Grunde ist der Beschluß der Versammlung immerhin zu be¬ trefflich sprachen nächst den Führern des Nationalvereins einige Herren aus Allerdings wäre dieser Beschluß vierzehn Jahre nach 1848 unmöglich ge¬ Aus solchem Grunde ist der Beschluß der Versammlung immerhin zu be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0527" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114307"/> <p xml:id="ID_1713" prev="#ID_1712"> trefflich sprachen nächst den Führern des Nationalvereins einige Herren aus<lb/> Frankfurt, denen noch vom Jahre 49 her der Zorn über die Ränke der östrei¬<lb/> chischen Partei auf dem Herzen lag. Vielleicht neun Zehntheile der Versamm¬<lb/> lung waren sich klar, daß die Theilnahme der Oestreichs an diesem Organisa-<lb/> tionsvcrsuche Deutschlands nicht nur unnütz, sondern schädlich sei. Und doch<lb/> wurde bei der Abstimmung, man muß sagen aus Courtoisie und zu großem<lb/> Gefühl der Sicherheit, von der Majorität der Minorität aus Schwaben und<lb/> Baiern die Concession gemacht, den Deutschöstreicbern eine Betheiligung an den<lb/> künftigen Versammlungen zu gestatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1714"> Allerdings wäre dieser Beschluß vierzehn Jahre nach 1848 unmöglich ge¬<lb/> wesen, wenn nicht das Gefühl der Ueberlegenheit in der kleindeutschen Partei<lb/> so lebhaft gewesen wäre. Man hatte in der Stille die Ueberzeugung, die<lb/> Oestreicher würden doch nicht kommen, und wenn Einzelne kämen, würde sich die<lb/> Unmöglichkeit des Zusammengehens sehr bald herausstellen, und gerade durch die<lb/> erwiesene Unmöglichkeit würde die ganze Frage in der Meinung des süd¬<lb/> deutschen Volkes endlich gründlich abgemacht werden. Aber diese Annahme ist<lb/> ist leider nicht begründet. Denn die politische Moral und die diplomatischen<lb/> Manöver sind im Kaiserstaat anders uüancirt, als unter den Vertretern des<lb/> deutschen Volkes. Wenn es dem Minister Herrn v. Schmerling nützlich er¬<lb/> scheint, so wird er eine ganze Wagenladung von östreichischen Deputirten zu<lb/> der nächsten projectirten Zusammenkunft der deutschen Kammermitglieder ah-<lb/> mten. Dieselben werden, gerade wie sie vor vierzehn Jahren unter seinem<lb/> Kommando gethan, in brüderlicher Wärme erglühen gegen die Deutschen, stark¬<lb/> patriotische Reden halten, und welcher Partei sie auch in Wien angehören<lb/> mögen, doch in Nürnberg oder Frankfurt gänzlich stimmen, wie ihr Minister<lb/> wünscht. Nicht nur weil sie im Auslande treue Oestreicker sind, sondern auch<lb/> deswegen, weil die Klügeren unter ihnen die stille Ueberzeugung haben, daß<lb/> in inneren östreichischen Angelegenheiten eine gewisse Rücksichtsnahme auf den<lb/> deutschen Liberalismus bei ihrer Regierung nur so lange dauern werde, als<lb/> Oestreich Ansprüche auf die Herrschaft in Deutschland erheben könne, und daß<lb/> es für die liberalen Oestreicher schädlich sei, wenn Deutschland zu Einigung und<lb/> Stärke komme, bevor der Kaiserstaat sich verjüngt habe. Wir werden also,<lb/> wenn es Herrn v. Schmerling wünschenswert!) erscheint, in die Lage kommen,<lb/> mit den „deutschen Brüdern" aus Oestreich noch einmal den ungenießbaren Teig<lb/> zu kneten, über dem vor vierzehn Jahren die Kraft der Deutschen erlahmte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1715" next="#ID_1716"> Aus solchem Grunde ist der Beschluß der Versammlung immerhin zu be¬<lb/> dauern; denn er setzt sie in Gefahr, mit unfruchtbaren Debatten Zeit zu ver¬<lb/> lieren und bei der großen Mehrzahl der Deutschen etwas von dem Ansehen<lb/> und der Bedeutung einzubüßen, welche wir so gern auf eine Vereinigung deut¬<lb/> scher Abgeordneten übertragen sehen. Alles was uns Deutschen noch mit den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0527]
trefflich sprachen nächst den Führern des Nationalvereins einige Herren aus
Frankfurt, denen noch vom Jahre 49 her der Zorn über die Ränke der östrei¬
chischen Partei auf dem Herzen lag. Vielleicht neun Zehntheile der Versamm¬
lung waren sich klar, daß die Theilnahme der Oestreichs an diesem Organisa-
tionsvcrsuche Deutschlands nicht nur unnütz, sondern schädlich sei. Und doch
wurde bei der Abstimmung, man muß sagen aus Courtoisie und zu großem
Gefühl der Sicherheit, von der Majorität der Minorität aus Schwaben und
Baiern die Concession gemacht, den Deutschöstreicbern eine Betheiligung an den
künftigen Versammlungen zu gestatten.
Allerdings wäre dieser Beschluß vierzehn Jahre nach 1848 unmöglich ge¬
wesen, wenn nicht das Gefühl der Ueberlegenheit in der kleindeutschen Partei
so lebhaft gewesen wäre. Man hatte in der Stille die Ueberzeugung, die
Oestreicher würden doch nicht kommen, und wenn Einzelne kämen, würde sich die
Unmöglichkeit des Zusammengehens sehr bald herausstellen, und gerade durch die
erwiesene Unmöglichkeit würde die ganze Frage in der Meinung des süd¬
deutschen Volkes endlich gründlich abgemacht werden. Aber diese Annahme ist
ist leider nicht begründet. Denn die politische Moral und die diplomatischen
Manöver sind im Kaiserstaat anders uüancirt, als unter den Vertretern des
deutschen Volkes. Wenn es dem Minister Herrn v. Schmerling nützlich er¬
scheint, so wird er eine ganze Wagenladung von östreichischen Deputirten zu
der nächsten projectirten Zusammenkunft der deutschen Kammermitglieder ah-
mten. Dieselben werden, gerade wie sie vor vierzehn Jahren unter seinem
Kommando gethan, in brüderlicher Wärme erglühen gegen die Deutschen, stark¬
patriotische Reden halten, und welcher Partei sie auch in Wien angehören
mögen, doch in Nürnberg oder Frankfurt gänzlich stimmen, wie ihr Minister
wünscht. Nicht nur weil sie im Auslande treue Oestreicker sind, sondern auch
deswegen, weil die Klügeren unter ihnen die stille Ueberzeugung haben, daß
in inneren östreichischen Angelegenheiten eine gewisse Rücksichtsnahme auf den
deutschen Liberalismus bei ihrer Regierung nur so lange dauern werde, als
Oestreich Ansprüche auf die Herrschaft in Deutschland erheben könne, und daß
es für die liberalen Oestreicher schädlich sei, wenn Deutschland zu Einigung und
Stärke komme, bevor der Kaiserstaat sich verjüngt habe. Wir werden also,
wenn es Herrn v. Schmerling wünschenswert!) erscheint, in die Lage kommen,
mit den „deutschen Brüdern" aus Oestreich noch einmal den ungenießbaren Teig
zu kneten, über dem vor vierzehn Jahren die Kraft der Deutschen erlahmte.
Aus solchem Grunde ist der Beschluß der Versammlung immerhin zu be¬
dauern; denn er setzt sie in Gefahr, mit unfruchtbaren Debatten Zeit zu ver¬
lieren und bei der großen Mehrzahl der Deutschen etwas von dem Ansehen
und der Bedeutung einzubüßen, welche wir so gern auf eine Vereinigung deut¬
scher Abgeordneten übertragen sehen. Alles was uns Deutschen noch mit den
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