Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hohem Grade. Einst kam er in der Tracht eines Emirs an. Sein voller
Bart hing tief auf die Brust herab, er hatte lebhafte Augen, feine, von der
orientalischen Sonne gebräunte Gesichtszüge und einen schönen Kopf. Der
kostbare Säbel, welchen er trug, war das Geschenk eines Emirs, dessen Tochter
er von einer gefährlichen Krankheit geheilt hatte. In diesem Aufzug erschien
er vor dem Jesuitengeneral Noothaan. Aller Einreden ungeachtet befahl ihm
dieser, sofort den Bari abzuschneiden und sich in gewöhnliche Iesuitentracht zu
kleiden, da er ihn zum Rector der Propaganda in Rom bestimmt habe. Der
Pater mußte gehorchen, meinte aber, eine unpassendere Persönlichkeit habe der
General für diese Stelle nicht ersehen können. Also umgewandelt begab er
sich mit vielem Leidwesen auf seinen neuen Posten. Die Gewohnheiten seines
unregelmäßigen Lebens konnte er nicht aufgeben: rauchen, auf den Dielen
schlafen, spät zu nett gehen und andere derartige Besetzungen der Hausord¬
nung erlaubte er sich nach wie vor, und viele seiner wilden Zöglinge wurden
noch wilder. Der Pater General aber blieb sest.

Einst war die ganze Professvrcnschaft, auch der General und der Rector
der Propaganda, auf der Villa Macao, als Gregor der Sechzehnte ihnen un¬
erwartet einen Besuch abstattete. Der Papst vergnügte sich an Rillo's Erzählungen;
da bat dieser ihn plötzlich, ihm doch für eine Bitttelstunde seine päpstliche Ge¬
walt über den anwesenden Jesuiteugeneral abzutreten. Gregor willigte in den
Scherz. Mit. ernster Miene citirte nun Rillo den Iesuitengeneral vor sich,
hieß ihn niederknieen und hielt ihn, in starken Ausdrücken das unkluge Ber"
fahren vor, einen Mann wie ihn zum Rector bestellt zu haben. Er sei zum
Missionär unter wilden Völkern geschaffen, dagegen zum Amt eines Rectors
infolge seines Temperaments untauglich. Er könne predigen, Strapatzen aus¬
halten, rauchen, reiten, schwimmen, und der Ausübung dessen, sowie seines mit
Sorgfalt gepflegten und unter den Mohammedanern nöthigen Bartes habe
ihn der General beraubt. Dieser möge sein Unrecht wieder gut machen und
Rillo nach dem Libanon zurückschicken. Was einer nicht verstünde, davon müsse
er fern bleiben.

Um dem General letztere Maxime praktisch beizubringen, ließ Rillo ein
Maulthier heranführen und befahl dem General, dasselbe zu besteigen und tüch¬
tig herumzutummeln. Wohl oder übel mußte letzterer gehorchen. Alles lachte,
indem er aufstieg. Als nun aber die dürre, schlottrige Gestalt des Generals auf
dem Maulthier saß, und Rillo dieses mit derben Schlägen zum Laufen antrieb,
so daß der arme Reiter sich vorn und hinten anklammerte und zaghaft um Ein¬
halt rief, bedeutete Gregor den unbarmherzigen Rillo, sein Regiment sei zu
Ende. Der abgestiegene 'General ernannte Rillo gutmüthig wieder zum Missio¬
när. Dieser ließ sich den Bart wachsen, ging in orientalischer Tracht wieder
nach seinem frühern Bestimmungsort und hat, wie bekannt, daselbst nicht wenig


hohem Grade. Einst kam er in der Tracht eines Emirs an. Sein voller
Bart hing tief auf die Brust herab, er hatte lebhafte Augen, feine, von der
orientalischen Sonne gebräunte Gesichtszüge und einen schönen Kopf. Der
kostbare Säbel, welchen er trug, war das Geschenk eines Emirs, dessen Tochter
er von einer gefährlichen Krankheit geheilt hatte. In diesem Aufzug erschien
er vor dem Jesuitengeneral Noothaan. Aller Einreden ungeachtet befahl ihm
dieser, sofort den Bari abzuschneiden und sich in gewöhnliche Iesuitentracht zu
kleiden, da er ihn zum Rector der Propaganda in Rom bestimmt habe. Der
Pater mußte gehorchen, meinte aber, eine unpassendere Persönlichkeit habe der
General für diese Stelle nicht ersehen können. Also umgewandelt begab er
sich mit vielem Leidwesen auf seinen neuen Posten. Die Gewohnheiten seines
unregelmäßigen Lebens konnte er nicht aufgeben: rauchen, auf den Dielen
schlafen, spät zu nett gehen und andere derartige Besetzungen der Hausord¬
nung erlaubte er sich nach wie vor, und viele seiner wilden Zöglinge wurden
noch wilder. Der Pater General aber blieb sest.

Einst war die ganze Professvrcnschaft, auch der General und der Rector
der Propaganda, auf der Villa Macao, als Gregor der Sechzehnte ihnen un¬
erwartet einen Besuch abstattete. Der Papst vergnügte sich an Rillo's Erzählungen;
da bat dieser ihn plötzlich, ihm doch für eine Bitttelstunde seine päpstliche Ge¬
walt über den anwesenden Jesuiteugeneral abzutreten. Gregor willigte in den
Scherz. Mit. ernster Miene citirte nun Rillo den Iesuitengeneral vor sich,
hieß ihn niederknieen und hielt ihn, in starken Ausdrücken das unkluge Ber»
fahren vor, einen Mann wie ihn zum Rector bestellt zu haben. Er sei zum
Missionär unter wilden Völkern geschaffen, dagegen zum Amt eines Rectors
infolge seines Temperaments untauglich. Er könne predigen, Strapatzen aus¬
halten, rauchen, reiten, schwimmen, und der Ausübung dessen, sowie seines mit
Sorgfalt gepflegten und unter den Mohammedanern nöthigen Bartes habe
ihn der General beraubt. Dieser möge sein Unrecht wieder gut machen und
Rillo nach dem Libanon zurückschicken. Was einer nicht verstünde, davon müsse
er fern bleiben.

Um dem General letztere Maxime praktisch beizubringen, ließ Rillo ein
Maulthier heranführen und befahl dem General, dasselbe zu besteigen und tüch¬
tig herumzutummeln. Wohl oder übel mußte letzterer gehorchen. Alles lachte,
indem er aufstieg. Als nun aber die dürre, schlottrige Gestalt des Generals auf
dem Maulthier saß, und Rillo dieses mit derben Schlägen zum Laufen antrieb,
so daß der arme Reiter sich vorn und hinten anklammerte und zaghaft um Ein¬
halt rief, bedeutete Gregor den unbarmherzigen Rillo, sein Regiment sei zu
Ende. Der abgestiegene 'General ernannte Rillo gutmüthig wieder zum Missio¬
när. Dieser ließ sich den Bart wachsen, ging in orientalischer Tracht wieder
nach seinem frühern Bestimmungsort und hat, wie bekannt, daselbst nicht wenig


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114289"/>
          <p xml:id="ID_1637" prev="#ID_1636"> hohem Grade. Einst kam er in der Tracht eines Emirs an. Sein voller<lb/>
Bart hing tief auf die Brust herab, er hatte lebhafte Augen, feine, von der<lb/>
orientalischen Sonne gebräunte Gesichtszüge und einen schönen Kopf. Der<lb/>
kostbare Säbel, welchen er trug, war das Geschenk eines Emirs, dessen Tochter<lb/>
er von einer gefährlichen Krankheit geheilt hatte. In diesem Aufzug erschien<lb/>
er vor dem Jesuitengeneral Noothaan. Aller Einreden ungeachtet befahl ihm<lb/>
dieser, sofort den Bari abzuschneiden und sich in gewöhnliche Iesuitentracht zu<lb/>
kleiden, da er ihn zum Rector der Propaganda in Rom bestimmt habe. Der<lb/>
Pater mußte gehorchen, meinte aber, eine unpassendere Persönlichkeit habe der<lb/>
General für diese Stelle nicht ersehen können. Also umgewandelt begab er<lb/>
sich mit vielem Leidwesen auf seinen neuen Posten. Die Gewohnheiten seines<lb/>
unregelmäßigen Lebens konnte er nicht aufgeben: rauchen, auf den Dielen<lb/>
schlafen, spät zu nett gehen und andere derartige Besetzungen der Hausord¬<lb/>
nung erlaubte er sich nach wie vor, und viele seiner wilden Zöglinge wurden<lb/>
noch wilder.  Der Pater General aber blieb sest.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1638"> Einst war die ganze Professvrcnschaft, auch der General und der Rector<lb/>
der Propaganda, auf der Villa Macao, als Gregor der Sechzehnte ihnen un¬<lb/>
erwartet einen Besuch abstattete. Der Papst vergnügte sich an Rillo's Erzählungen;<lb/>
da bat dieser ihn plötzlich, ihm doch für eine Bitttelstunde seine päpstliche Ge¬<lb/>
walt über den anwesenden Jesuiteugeneral abzutreten. Gregor willigte in den<lb/>
Scherz. Mit. ernster Miene citirte nun Rillo den Iesuitengeneral vor sich,<lb/>
hieß ihn niederknieen und hielt ihn, in starken Ausdrücken das unkluge Ber»<lb/>
fahren vor, einen Mann wie ihn zum Rector bestellt zu haben. Er sei zum<lb/>
Missionär unter wilden Völkern geschaffen, dagegen zum Amt eines Rectors<lb/>
infolge seines Temperaments untauglich. Er könne predigen, Strapatzen aus¬<lb/>
halten, rauchen, reiten, schwimmen, und der Ausübung dessen, sowie seines mit<lb/>
Sorgfalt gepflegten und unter den Mohammedanern nöthigen Bartes habe<lb/>
ihn der General beraubt. Dieser möge sein Unrecht wieder gut machen und<lb/>
Rillo nach dem Libanon zurückschicken. Was einer nicht verstünde, davon müsse<lb/>
er fern bleiben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1639" next="#ID_1640"> Um dem General letztere Maxime praktisch beizubringen, ließ Rillo ein<lb/>
Maulthier heranführen und befahl dem General, dasselbe zu besteigen und tüch¬<lb/>
tig herumzutummeln. Wohl oder übel mußte letzterer gehorchen. Alles lachte,<lb/>
indem er aufstieg. Als nun aber die dürre, schlottrige Gestalt des Generals auf<lb/>
dem Maulthier saß, und Rillo dieses mit derben Schlägen zum Laufen antrieb,<lb/>
so daß der arme Reiter sich vorn und hinten anklammerte und zaghaft um Ein¬<lb/>
halt rief, bedeutete Gregor den unbarmherzigen Rillo, sein Regiment sei zu<lb/>
Ende. Der abgestiegene 'General ernannte Rillo gutmüthig wieder zum Missio¬<lb/>
när. Dieser ließ sich den Bart wachsen, ging in orientalischer Tracht wieder<lb/>
nach seinem frühern Bestimmungsort und hat, wie bekannt, daselbst nicht wenig</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0509] hohem Grade. Einst kam er in der Tracht eines Emirs an. Sein voller Bart hing tief auf die Brust herab, er hatte lebhafte Augen, feine, von der orientalischen Sonne gebräunte Gesichtszüge und einen schönen Kopf. Der kostbare Säbel, welchen er trug, war das Geschenk eines Emirs, dessen Tochter er von einer gefährlichen Krankheit geheilt hatte. In diesem Aufzug erschien er vor dem Jesuitengeneral Noothaan. Aller Einreden ungeachtet befahl ihm dieser, sofort den Bari abzuschneiden und sich in gewöhnliche Iesuitentracht zu kleiden, da er ihn zum Rector der Propaganda in Rom bestimmt habe. Der Pater mußte gehorchen, meinte aber, eine unpassendere Persönlichkeit habe der General für diese Stelle nicht ersehen können. Also umgewandelt begab er sich mit vielem Leidwesen auf seinen neuen Posten. Die Gewohnheiten seines unregelmäßigen Lebens konnte er nicht aufgeben: rauchen, auf den Dielen schlafen, spät zu nett gehen und andere derartige Besetzungen der Hausord¬ nung erlaubte er sich nach wie vor, und viele seiner wilden Zöglinge wurden noch wilder. Der Pater General aber blieb sest. Einst war die ganze Professvrcnschaft, auch der General und der Rector der Propaganda, auf der Villa Macao, als Gregor der Sechzehnte ihnen un¬ erwartet einen Besuch abstattete. Der Papst vergnügte sich an Rillo's Erzählungen; da bat dieser ihn plötzlich, ihm doch für eine Bitttelstunde seine päpstliche Ge¬ walt über den anwesenden Jesuiteugeneral abzutreten. Gregor willigte in den Scherz. Mit. ernster Miene citirte nun Rillo den Iesuitengeneral vor sich, hieß ihn niederknieen und hielt ihn, in starken Ausdrücken das unkluge Ber» fahren vor, einen Mann wie ihn zum Rector bestellt zu haben. Er sei zum Missionär unter wilden Völkern geschaffen, dagegen zum Amt eines Rectors infolge seines Temperaments untauglich. Er könne predigen, Strapatzen aus¬ halten, rauchen, reiten, schwimmen, und der Ausübung dessen, sowie seines mit Sorgfalt gepflegten und unter den Mohammedanern nöthigen Bartes habe ihn der General beraubt. Dieser möge sein Unrecht wieder gut machen und Rillo nach dem Libanon zurückschicken. Was einer nicht verstünde, davon müsse er fern bleiben. Um dem General letztere Maxime praktisch beizubringen, ließ Rillo ein Maulthier heranführen und befahl dem General, dasselbe zu besteigen und tüch¬ tig herumzutummeln. Wohl oder übel mußte letzterer gehorchen. Alles lachte, indem er aufstieg. Als nun aber die dürre, schlottrige Gestalt des Generals auf dem Maulthier saß, und Rillo dieses mit derben Schlägen zum Laufen antrieb, so daß der arme Reiter sich vorn und hinten anklammerte und zaghaft um Ein¬ halt rief, bedeutete Gregor den unbarmherzigen Rillo, sein Regiment sei zu Ende. Der abgestiegene 'General ernannte Rillo gutmüthig wieder zum Missio¬ när. Dieser ließ sich den Bart wachsen, ging in orientalischer Tracht wieder nach seinem frühern Bestimmungsort und hat, wie bekannt, daselbst nicht wenig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/509
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/509>, abgerufen am 06.01.2025.