Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band."nostra, res agiwr", in solchem Grade haben alle Mittel- und Kleinstaaten bereits Je bedeutender aber nun das Gefühl von der Wichtigkeit des nunmehr zusam¬ Wir glauben nicht, daß diese Fehler, gewissermaßen die tragische Schuld bei der „nostra, res agiwr", in solchem Grade haben alle Mittel- und Kleinstaaten bereits Je bedeutender aber nun das Gefühl von der Wichtigkeit des nunmehr zusam¬ Wir glauben nicht, daß diese Fehler, gewissermaßen die tragische Schuld bei der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114264"/> <p xml:id="ID_1554" prev="#ID_1553"> „nostra, res agiwr", in solchem Grade haben alle Mittel- und Kleinstaaten bereits<lb/> ihr geistiges Centrum in Preußen gefunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1555"> Je bedeutender aber nun das Gefühl von der Wichtigkeit des nunmehr zusam¬<lb/> mentretender preußischen Abgeordnetenhauses in und außer Preußen war, je unklarer<lb/> und gespannter die auf dasselbe gesetzten Hoffnungen waren, desto mehr war Gefahr<lb/> vorhanden, daß sich dem Hause unter dem Bewußtsein der Verantwortlichkeit das Bewußt¬<lb/> sein der nächsten Anfaaben verwirren würde, um so mehr, als die Consequenzen der<lb/> Stimmungen und Gesichtspunkte, unter denen man die Wahlen vorgenommen hatte,<lb/> ihren Einfluß auf die Thätigkeit des Hanfes nothwendig äußern mußten. Wir<lb/> haben über die letzteren früher in diesen Blättern gesagt, daß von Seiten der Fort¬<lb/> schrittspartei die Wahlen lediglich unter dem Gesichtspunkte eines Vertrauensvotums<lb/> für die Majorität des aufgelösten Hauses betrachtet würden, und dazu bemerkt, daß<lb/> die Frage nur dann so einfach liegen würde, wenn Aussicht vorhanden wäre, daß<lb/> ' dem Theile, welchem das Volk in seinen Wahlen Recht gäbe,, auch die Krone Neckt<lb/> geben werde. Wir haben uns nicht getäuscht, wen» wir an diese Aussicht nicht<lb/> glaubten, wir haben uns aber auch nicht getäuscht, wenn wir der Einseitigkeit dieses<lb/> Gesichtspunktes eine nothwendige üble Einwirkung auf den Ausgang der Sache<lb/> zuschrieben. Zuerst bei den Wahlen führte dieser Gesichtspunkt, und dessen innige<lb/> Verknüpfung mit dem Hagen'sehen Antrage zu jenem blödsinnigen Bannspruche über<lb/> alte Parteiführer, und indem man dem Könige so jede Möglichkeit abschnitt, eine<lb/> starke Negierung zu bilden, schien man einerseits zu erklären, daß man auf eine<lb/> ungewisse Zukunft spetulire, wobei man dem Könige Erinnerungen der trübsten Art<lb/> wachrufen mußte, andrerseits gefährdete man den moralischen Einfluß der Wahlen<lb/> auf das Aeußerste, indem man ihre reelle Wirkung und dadurch den Glauben an<lb/> ihre Macht von vornherein in Zweifel stellte. Darauf aber, den Glauben an diese<lb/> Macht zu stärken, kam es jetzt in Preußen vor allen Dingen an und dieser Nimbus<lb/> wird durch das Sleuerbcwilligungsrccht nicht ersetzt. Denn das ist jetzt die große<lb/> Frage, ob das Abgeordnetenhaus zu einem bloßen Bewillignngsfactor herabgedrückt<lb/> werden kann, der sich schließlich doch der Macht der realen Bedürfnisse fügen muß,<lb/> oder ob es sich zu einem gewaltigen Factor erheben kann, der, innerhalb seiner<lb/> verfassungsmäßigen Competenz, doch einen bedeutenden Bruchthei! der Entscheidung<lb/> über die ^Geschicke des Staates in Händen hält. Dieser falsche Gesichtspunkt für<lb/> die Wahlen Machte deren Gewinn daher mit jeder Woche illusorischer, welche sich<lb/> das Ministerium im Amte erhielt, trotz ihrer Niederlage bei den Wahlen, die Situa¬<lb/> tion wurde um so bedenklicher, je mehr es sich zeigte, daß die Regierung bemüht<lb/> fein werde, durch materielle Concessionen, durch versöhnliche Leitung der Regierungs-<lb/> geschäfte, ja sogar durch ein energischeres Auftreten in der äußern Politik eigentliche<lb/> Beschwerdepunkte aus dem Wege zu räumen. Denn dadurch wurden ihre Gegner<lb/> immer mehr in die Nothwendigkeit versetzt, entweder mit ihr in geschäftliche Verbin¬<lb/> dung zu treten, und dadurch die ganze Taktik mit einemmale umzuändern, welche<lb/> man bei den Wahlen eingeschlagen hatte, d. h. den Anschein der Besiegung auf sich<lb/> zu laden, oder aber durch mürrisches Ablehnen jedes Entgegenkommens in den Ge¬<lb/> ruch demokratischer Verbissenheit zu kommen und das fruchtlose Ausspielen eines<lb/> moralischen Trumpfes nochmals zu riskiren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1556" next="#ID_1557"> Wir glauben nicht, daß diese Fehler, gewissermaßen die tragische Schuld bei der<lb/> erhebenden That der Wahlen, durch ein rechtzeitiges Erkennen und kluges Einlenken<lb/> hätten ungeschehen gemacht werden können, allein wir hätten doch gewünscht und<lb/> gehofft, daß das Verfahrensein der Situation sich etwas weniger schlagend documen-<lb/> tirt hätte, als dies nach dem Urtheil, welches man nach den bisherigen unzu-<lb/> reichenden Berichten im Auslande sich hat bilden können, der Wii gewesen zu<lb/> sein scheint, und glauben, daß es möglich gewesen wäre, auch jetzt noch rich¬<lb/> tigere Gesichtspunkte zu finden und wirken zu lassen. Schon die Auflösung der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0484]
„nostra, res agiwr", in solchem Grade haben alle Mittel- und Kleinstaaten bereits
ihr geistiges Centrum in Preußen gefunden.
Je bedeutender aber nun das Gefühl von der Wichtigkeit des nunmehr zusam¬
mentretender preußischen Abgeordnetenhauses in und außer Preußen war, je unklarer
und gespannter die auf dasselbe gesetzten Hoffnungen waren, desto mehr war Gefahr
vorhanden, daß sich dem Hause unter dem Bewußtsein der Verantwortlichkeit das Bewußt¬
sein der nächsten Anfaaben verwirren würde, um so mehr, als die Consequenzen der
Stimmungen und Gesichtspunkte, unter denen man die Wahlen vorgenommen hatte,
ihren Einfluß auf die Thätigkeit des Hanfes nothwendig äußern mußten. Wir
haben über die letzteren früher in diesen Blättern gesagt, daß von Seiten der Fort¬
schrittspartei die Wahlen lediglich unter dem Gesichtspunkte eines Vertrauensvotums
für die Majorität des aufgelösten Hauses betrachtet würden, und dazu bemerkt, daß
die Frage nur dann so einfach liegen würde, wenn Aussicht vorhanden wäre, daß
' dem Theile, welchem das Volk in seinen Wahlen Recht gäbe,, auch die Krone Neckt
geben werde. Wir haben uns nicht getäuscht, wen» wir an diese Aussicht nicht
glaubten, wir haben uns aber auch nicht getäuscht, wenn wir der Einseitigkeit dieses
Gesichtspunktes eine nothwendige üble Einwirkung auf den Ausgang der Sache
zuschrieben. Zuerst bei den Wahlen führte dieser Gesichtspunkt, und dessen innige
Verknüpfung mit dem Hagen'sehen Antrage zu jenem blödsinnigen Bannspruche über
alte Parteiführer, und indem man dem Könige so jede Möglichkeit abschnitt, eine
starke Negierung zu bilden, schien man einerseits zu erklären, daß man auf eine
ungewisse Zukunft spetulire, wobei man dem Könige Erinnerungen der trübsten Art
wachrufen mußte, andrerseits gefährdete man den moralischen Einfluß der Wahlen
auf das Aeußerste, indem man ihre reelle Wirkung und dadurch den Glauben an
ihre Macht von vornherein in Zweifel stellte. Darauf aber, den Glauben an diese
Macht zu stärken, kam es jetzt in Preußen vor allen Dingen an und dieser Nimbus
wird durch das Sleuerbcwilligungsrccht nicht ersetzt. Denn das ist jetzt die große
Frage, ob das Abgeordnetenhaus zu einem bloßen Bewillignngsfactor herabgedrückt
werden kann, der sich schließlich doch der Macht der realen Bedürfnisse fügen muß,
oder ob es sich zu einem gewaltigen Factor erheben kann, der, innerhalb seiner
verfassungsmäßigen Competenz, doch einen bedeutenden Bruchthei! der Entscheidung
über die ^Geschicke des Staates in Händen hält. Dieser falsche Gesichtspunkt für
die Wahlen Machte deren Gewinn daher mit jeder Woche illusorischer, welche sich
das Ministerium im Amte erhielt, trotz ihrer Niederlage bei den Wahlen, die Situa¬
tion wurde um so bedenklicher, je mehr es sich zeigte, daß die Regierung bemüht
fein werde, durch materielle Concessionen, durch versöhnliche Leitung der Regierungs-
geschäfte, ja sogar durch ein energischeres Auftreten in der äußern Politik eigentliche
Beschwerdepunkte aus dem Wege zu räumen. Denn dadurch wurden ihre Gegner
immer mehr in die Nothwendigkeit versetzt, entweder mit ihr in geschäftliche Verbin¬
dung zu treten, und dadurch die ganze Taktik mit einemmale umzuändern, welche
man bei den Wahlen eingeschlagen hatte, d. h. den Anschein der Besiegung auf sich
zu laden, oder aber durch mürrisches Ablehnen jedes Entgegenkommens in den Ge¬
ruch demokratischer Verbissenheit zu kommen und das fruchtlose Ausspielen eines
moralischen Trumpfes nochmals zu riskiren.
Wir glauben nicht, daß diese Fehler, gewissermaßen die tragische Schuld bei der
erhebenden That der Wahlen, durch ein rechtzeitiges Erkennen und kluges Einlenken
hätten ungeschehen gemacht werden können, allein wir hätten doch gewünscht und
gehofft, daß das Verfahrensein der Situation sich etwas weniger schlagend documen-
tirt hätte, als dies nach dem Urtheil, welches man nach den bisherigen unzu-
reichenden Berichten im Auslande sich hat bilden können, der Wii gewesen zu
sein scheint, und glauben, daß es möglich gewesen wäre, auch jetzt noch rich¬
tigere Gesichtspunkte zu finden und wirken zu lassen. Schon die Auflösung der
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