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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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suitenzöglings"^), die Zeit, in der sie spielen, die Mitte der vierziger Jahre.,
der Ort das Kollegium Germanicum in Rom. Der Erzähler, der jetzt in einer
Gemeinde Westphalens, seiner Heimath, als evangelischer Prediger wirkt,
macht durchweg den Eindruck eines gebildeten, feinbeobachtenden, wahrheits¬
liebenden und darum unparteiischen Mannes. Wir übergehen die ebenso lehr¬
reichen als anziehenden Schilderungen, die er uns in den ersten Kapiteln seiner
Erinnerungen von seiner Kinderzeit, dem Einwirken des ultramontanen Klerus
auf die Familien in seinem Geburtslande, von seiner Erziehung >in Hause
eines den Jesuiten angehörenden Geistlichen, der Wallfahrt zum heiligen Rock
von Trier und seinem Aufenthalt >n dem großen Pensionat des Ordens Loyola's
zu Freiburg gibt, um ihm zu seinen Erlebnissen und Beobachtungen in. Rom
zu folgen, wo er sich aus den Wunsch seines älteren Bruders, der dem Jesuiten¬
orden bereits beigetreten war, im Evllegium Germanicum zur Priester aus¬
bilden zu lassen gedachte.

Die ersten Eindrücke, die er hier empfing, waren nicht günstig. Der Bru¬
der trat ihm zwar freundlich, aber gemessen entgegen. Bcrschiedenes Andere
stieß ihn ab. und schon regten sich Gedanken der Heimkehr, als seine Theil¬
nahme an den Vergnügungen einer Ferienreise, welche die Zöglinge deo Hau¬
ses damals gerade nur iyren Erziehern machten, und wobei es sehr heiter zu¬
ging, vortrefflich gegessen und getrunken, fleißig Ball geschlagen, gesungen und
gesprungen, wiederholt die schöne Gegend durchstreift und bisweilen sogar ein
kleines Lustspiel aufgeführt wurde (unter anoerm "Rande Strumpf im Verhör")
ihn in andere Stimmung versetzte und in die Einkleidung willigen ließen,
die sofort nach seiner Rückkehr von jener Billeggiatur stattfand.

Das Kollegium, jetzt im Palast Bvrromev. war damals in dem dritten
Stock des am Fuße des Kapitels gelegnen Stammklosters g.1 (^su, des Sitzes
des Jesuitengenerals. Der erste Gang in diesem weitläufigen Gebäude führte
unsern angehenden Jesuitenschüler zum Bruder Schneider, von dem er seine
neue Tracht: einen langen rothen Talar (woher der Spottname Miudöi'i coeli,
gekochte Krebse, den. die Römer den Zöglingen der Anstalt beilegen), das Ein-
gulum, ein Paar schwarze Kniehosen, eine Domestica, eine scholastica und
-den bekannten Dreimaster empfing. Dazu fand er später in seiner Zelle noch
ein Paar rothe Strümpfe, zwei Hemden, Hand- und Taschentücher. Die Zelle ^
war einfach weiß getüncht und enthielt einen Tisch, einen .Sessel, einen Stuhl,
ein Pult, einen Wandschrank für die Kleider, ein sehr einfaches Bett und einen
Betschemel. Reben der Thür war ein WeihwassernSpfchen befestigt, dahinter ein
geweihter Palmzweig. Ein Spiegel fehlte. Die Aussicht aus dem Fenster
war, wie in Gefängnissen, durch einen großen hölzernen Kasten versperrt.



') Leipzig, F. A, Brockhaus. 1862.

suitenzöglings"^), die Zeit, in der sie spielen, die Mitte der vierziger Jahre.,
der Ort das Kollegium Germanicum in Rom. Der Erzähler, der jetzt in einer
Gemeinde Westphalens, seiner Heimath, als evangelischer Prediger wirkt,
macht durchweg den Eindruck eines gebildeten, feinbeobachtenden, wahrheits¬
liebenden und darum unparteiischen Mannes. Wir übergehen die ebenso lehr¬
reichen als anziehenden Schilderungen, die er uns in den ersten Kapiteln seiner
Erinnerungen von seiner Kinderzeit, dem Einwirken des ultramontanen Klerus
auf die Familien in seinem Geburtslande, von seiner Erziehung >in Hause
eines den Jesuiten angehörenden Geistlichen, der Wallfahrt zum heiligen Rock
von Trier und seinem Aufenthalt >n dem großen Pensionat des Ordens Loyola's
zu Freiburg gibt, um ihm zu seinen Erlebnissen und Beobachtungen in. Rom
zu folgen, wo er sich aus den Wunsch seines älteren Bruders, der dem Jesuiten¬
orden bereits beigetreten war, im Evllegium Germanicum zur Priester aus¬
bilden zu lassen gedachte.

Die ersten Eindrücke, die er hier empfing, waren nicht günstig. Der Bru¬
der trat ihm zwar freundlich, aber gemessen entgegen. Bcrschiedenes Andere
stieß ihn ab. und schon regten sich Gedanken der Heimkehr, als seine Theil¬
nahme an den Vergnügungen einer Ferienreise, welche die Zöglinge deo Hau¬
ses damals gerade nur iyren Erziehern machten, und wobei es sehr heiter zu¬
ging, vortrefflich gegessen und getrunken, fleißig Ball geschlagen, gesungen und
gesprungen, wiederholt die schöne Gegend durchstreift und bisweilen sogar ein
kleines Lustspiel aufgeführt wurde (unter anoerm „Rande Strumpf im Verhör")
ihn in andere Stimmung versetzte und in die Einkleidung willigen ließen,
die sofort nach seiner Rückkehr von jener Billeggiatur stattfand.

Das Kollegium, jetzt im Palast Bvrromev. war damals in dem dritten
Stock des am Fuße des Kapitels gelegnen Stammklosters g.1 (^su, des Sitzes
des Jesuitengenerals. Der erste Gang in diesem weitläufigen Gebäude führte
unsern angehenden Jesuitenschüler zum Bruder Schneider, von dem er seine
neue Tracht: einen langen rothen Talar (woher der Spottname Miudöi'i coeli,
gekochte Krebse, den. die Römer den Zöglingen der Anstalt beilegen), das Ein-
gulum, ein Paar schwarze Kniehosen, eine Domestica, eine scholastica und
-den bekannten Dreimaster empfing. Dazu fand er später in seiner Zelle noch
ein Paar rothe Strümpfe, zwei Hemden, Hand- und Taschentücher. Die Zelle ^
war einfach weiß getüncht und enthielt einen Tisch, einen .Sessel, einen Stuhl,
ein Pult, einen Wandschrank für die Kleider, ein sehr einfaches Bett und einen
Betschemel. Reben der Thür war ein WeihwassernSpfchen befestigt, dahinter ein
geweihter Palmzweig. Ein Spiegel fehlte. Die Aussicht aus dem Fenster
war, wie in Gefängnissen, durch einen großen hölzernen Kasten versperrt.



') Leipzig, F. A, Brockhaus. 1862.
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[0472] suitenzöglings"^), die Zeit, in der sie spielen, die Mitte der vierziger Jahre., der Ort das Kollegium Germanicum in Rom. Der Erzähler, der jetzt in einer Gemeinde Westphalens, seiner Heimath, als evangelischer Prediger wirkt, macht durchweg den Eindruck eines gebildeten, feinbeobachtenden, wahrheits¬ liebenden und darum unparteiischen Mannes. Wir übergehen die ebenso lehr¬ reichen als anziehenden Schilderungen, die er uns in den ersten Kapiteln seiner Erinnerungen von seiner Kinderzeit, dem Einwirken des ultramontanen Klerus auf die Familien in seinem Geburtslande, von seiner Erziehung >in Hause eines den Jesuiten angehörenden Geistlichen, der Wallfahrt zum heiligen Rock von Trier und seinem Aufenthalt >n dem großen Pensionat des Ordens Loyola's zu Freiburg gibt, um ihm zu seinen Erlebnissen und Beobachtungen in. Rom zu folgen, wo er sich aus den Wunsch seines älteren Bruders, der dem Jesuiten¬ orden bereits beigetreten war, im Evllegium Germanicum zur Priester aus¬ bilden zu lassen gedachte. Die ersten Eindrücke, die er hier empfing, waren nicht günstig. Der Bru¬ der trat ihm zwar freundlich, aber gemessen entgegen. Bcrschiedenes Andere stieß ihn ab. und schon regten sich Gedanken der Heimkehr, als seine Theil¬ nahme an den Vergnügungen einer Ferienreise, welche die Zöglinge deo Hau¬ ses damals gerade nur iyren Erziehern machten, und wobei es sehr heiter zu¬ ging, vortrefflich gegessen und getrunken, fleißig Ball geschlagen, gesungen und gesprungen, wiederholt die schöne Gegend durchstreift und bisweilen sogar ein kleines Lustspiel aufgeführt wurde (unter anoerm „Rande Strumpf im Verhör") ihn in andere Stimmung versetzte und in die Einkleidung willigen ließen, die sofort nach seiner Rückkehr von jener Billeggiatur stattfand. Das Kollegium, jetzt im Palast Bvrromev. war damals in dem dritten Stock des am Fuße des Kapitels gelegnen Stammklosters g.1 (^su, des Sitzes des Jesuitengenerals. Der erste Gang in diesem weitläufigen Gebäude führte unsern angehenden Jesuitenschüler zum Bruder Schneider, von dem er seine neue Tracht: einen langen rothen Talar (woher der Spottname Miudöi'i coeli, gekochte Krebse, den. die Römer den Zöglingen der Anstalt beilegen), das Ein- gulum, ein Paar schwarze Kniehosen, eine Domestica, eine scholastica und -den bekannten Dreimaster empfing. Dazu fand er später in seiner Zelle noch ein Paar rothe Strümpfe, zwei Hemden, Hand- und Taschentücher. Die Zelle ^ war einfach weiß getüncht und enthielt einen Tisch, einen .Sessel, einen Stuhl, ein Pult, einen Wandschrank für die Kleider, ein sehr einfaches Bett und einen Betschemel. Reben der Thür war ein WeihwassernSpfchen befestigt, dahinter ein geweihter Palmzweig. Ein Spiegel fehlte. Die Aussicht aus dem Fenster war, wie in Gefängnissen, durch einen großen hölzernen Kasten versperrt. ') Leipzig, F. A, Brockhaus. 1862.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/472>, abgerufen am 06.01.2025.