Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Frankreich darf man nicht fünfzig Personen in seinem Hause versammeln, ohne "Niemals sah ich sie," erzählt Edwards, "einen Hieb austheilen, ausge¬ Einem meiner Bekannten war ein Buch entwendet worden, er folgte der Ein Franzose, welcher in der Haupthandelsstraße Moskau's lebte, versicherte Frankreich darf man nicht fünfzig Personen in seinem Hause versammeln, ohne „Niemals sah ich sie," erzählt Edwards, „einen Hieb austheilen, ausge¬ Einem meiner Bekannten war ein Buch entwendet worden, er folgte der Ein Franzose, welcher in der Haupthandelsstraße Moskau's lebte, versicherte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114178"/> <p xml:id="ID_1261" prev="#ID_1260"> Frankreich darf man nicht fünfzig Personen in seinem Hause versammeln, ohne<lb/> die Polizei davon in Kenntniß zu setzen, die dann in der Regel einen Aufpasser<lb/> hinschickt; in Nußland weiß man davon nichts. Auch die Regeln der Straßen¬<lb/> ordnung werden von den Constablern, die auf allen Hauptstraßen aufgestellt<lb/> sind, nicht besonders streng gehandhabt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1262"> „Niemals sah ich sie," erzählt Edwards, „einen Hieb austheilen, ausge¬<lb/> nommen, wenn eine Sperrung der Straßen drohte, an das Pferd eines Jswost-<lb/> schiks, und die Schimpfreden, die dann gewöhnlich von letzterem folgten, schienen<lb/> zu beweisen, daß der Kutscher eben keine unnöthige Ehrfurcht vor der Macht<lb/> und Würde des Butostschnik empfand. Aber bei einer Gelegenheit, wo ein un¬<lb/> verschämter und theilweise benebelter Russe von einem Engländer auf sehr pas¬<lb/> sende Weise zu Boden geschlagen worden, sah ich, daß ein Butostschnik dabei<lb/> stand, als der Gefällte eine Geldentschädigung für den Schlag empfing, und<lb/> daß der liebenswürdige Butostschnik bemerkte, Geld sei das einzige Auskunfts¬<lb/> mittel. Da der Engländer auf einen Ball wollte und nicht wünschte, die Nacht in<lb/> einer Bulla zu verbringen, so gab er dem Manne der Polizei natürlich Recht und die<lb/> Sache wurde in aller Gemüthlichkeit ausgeglichen, indem der verletzte Theil für<lb/> ein sehr schönes blaues Auge eine Entschädigung empfing, die etwa einem Schilling<lb/> und acht Pence gleich kam. Wie viele von den fünfzig Kopeken in die Tasche des Bu¬<lb/> tostschnik flössen, weiß ich nicht zu sagen. Aber es ist vollkommen sicher, daß der Wächter<lb/> der öffentlichen Ordnung von dem Friedensbruch Nutzen zog, und in gleicher<lb/> Weise profitirt die russische Polizei von jedem Verbrechen und jedem Mißgeschick,<lb/> das zu ihrer Kenntniß gebracht wird. Wenn ein Gast in einem Hotel etwas<lb/> Vermißt und die Polizei von seinem Verlust benachrichtigt, so werden die Herren<lb/> ihn für Anbringung der Klage bezahlen lassen, so werden sie dann den Wirth<lb/> dafür, daß in seinem Hause gestohlen worden, bezahlen lassen, und so werden<lb/> sie schließlich den Dieb, wenn sie ihn sangen, dafür, daß sie ihn nicht einstecken,<lb/> bezahlen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1263"> Einem meiner Bekannten war ein Buch entwendet worden, er folgte der<lb/> Spur bis in einen Antiquarladcn und war dann Thor genug, den des Dieb¬<lb/> stahls Verdächtigen von der Polizei einsperren zu lassen. Mit froher Miene<lb/> nahm der Polizeimann den Dieb in Empfang, mit froher Miene ging der<lb/> Dieb mit dem Polizeimann. Dann hatte der Bastos,inne auf der Polizei zu<lb/> erscheinen und wieder zu erscheinen und abermals zu erscheinen und sofort und<lb/> jedesmal Geld zu zahlen, bis man ihm endlich gegen Entrichtung von zwei<lb/> Rubeln seine Klage zurückzuziehen gestattete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1264" next="#ID_1265"> Ein Franzose, welcher in der Haupthandelsstraße Moskau's lebte, versicherte<lb/> mir, wenn er einen ertappe, der in seinem Laden gestohlen, so fiele es ihm nicht<lb/> ein, ihn auf die Polizei abzuliefern. Er habe dies, sagte er, schon zu oft ge¬<lb/> than; denn habe man sich einmal mit der Polizei eingelassen, so sei kein Los-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0398]
Frankreich darf man nicht fünfzig Personen in seinem Hause versammeln, ohne
die Polizei davon in Kenntniß zu setzen, die dann in der Regel einen Aufpasser
hinschickt; in Nußland weiß man davon nichts. Auch die Regeln der Straßen¬
ordnung werden von den Constablern, die auf allen Hauptstraßen aufgestellt
sind, nicht besonders streng gehandhabt.
„Niemals sah ich sie," erzählt Edwards, „einen Hieb austheilen, ausge¬
nommen, wenn eine Sperrung der Straßen drohte, an das Pferd eines Jswost-
schiks, und die Schimpfreden, die dann gewöhnlich von letzterem folgten, schienen
zu beweisen, daß der Kutscher eben keine unnöthige Ehrfurcht vor der Macht
und Würde des Butostschnik empfand. Aber bei einer Gelegenheit, wo ein un¬
verschämter und theilweise benebelter Russe von einem Engländer auf sehr pas¬
sende Weise zu Boden geschlagen worden, sah ich, daß ein Butostschnik dabei
stand, als der Gefällte eine Geldentschädigung für den Schlag empfing, und
daß der liebenswürdige Butostschnik bemerkte, Geld sei das einzige Auskunfts¬
mittel. Da der Engländer auf einen Ball wollte und nicht wünschte, die Nacht in
einer Bulla zu verbringen, so gab er dem Manne der Polizei natürlich Recht und die
Sache wurde in aller Gemüthlichkeit ausgeglichen, indem der verletzte Theil für
ein sehr schönes blaues Auge eine Entschädigung empfing, die etwa einem Schilling
und acht Pence gleich kam. Wie viele von den fünfzig Kopeken in die Tasche des Bu¬
tostschnik flössen, weiß ich nicht zu sagen. Aber es ist vollkommen sicher, daß der Wächter
der öffentlichen Ordnung von dem Friedensbruch Nutzen zog, und in gleicher
Weise profitirt die russische Polizei von jedem Verbrechen und jedem Mißgeschick,
das zu ihrer Kenntniß gebracht wird. Wenn ein Gast in einem Hotel etwas
Vermißt und die Polizei von seinem Verlust benachrichtigt, so werden die Herren
ihn für Anbringung der Klage bezahlen lassen, so werden sie dann den Wirth
dafür, daß in seinem Hause gestohlen worden, bezahlen lassen, und so werden
sie schließlich den Dieb, wenn sie ihn sangen, dafür, daß sie ihn nicht einstecken,
bezahlen lassen.
Einem meiner Bekannten war ein Buch entwendet worden, er folgte der
Spur bis in einen Antiquarladcn und war dann Thor genug, den des Dieb¬
stahls Verdächtigen von der Polizei einsperren zu lassen. Mit froher Miene
nahm der Polizeimann den Dieb in Empfang, mit froher Miene ging der
Dieb mit dem Polizeimann. Dann hatte der Bastos,inne auf der Polizei zu
erscheinen und wieder zu erscheinen und abermals zu erscheinen und sofort und
jedesmal Geld zu zahlen, bis man ihm endlich gegen Entrichtung von zwei
Rubeln seine Klage zurückzuziehen gestattete.
Ein Franzose, welcher in der Haupthandelsstraße Moskau's lebte, versicherte
mir, wenn er einen ertappe, der in seinem Laden gestohlen, so fiele es ihm nicht
ein, ihn auf die Polizei abzuliefern. Er habe dies, sagte er, schon zu oft ge¬
than; denn habe man sich einmal mit der Polizei eingelassen, so sei kein Los-
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