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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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wurden, nun plötzlich hohe Mastbäume erklettern, in schwankendem Tauwerk
arbeiten und riesige Kanonen laden und abfeuern sollten, erlagen in schrecken¬
erregender Zahl den ungewohnten Strapazen, den Mißhandlungen harter Lor¬
gesetzten und der schlechten Verpflegung, Die schwedischen Kriegsschiffe jener Zeit,
welche erst 1814 schloß, waren ".besonders 1608) rin vollen Sinne des Wortes
schwimmende Lazarethe.

Und doch herrscht noch heute in Schweben dasselbe System der Matrosen¬
stellung. Freilich ist seitdem Vieles anders geworben, die Verpflegung ist besser,
die Behandlung humaner und die betreffende Landbevölkerung mit dem Ge¬
danken ihres Seemannsberuses etwas vertrauter, obwohl sie heute noch eben
so ungeschickt, so ungewohnt und ohne Interesse für denselben ist. Schwedische
Autoritäten behaupten daher, daß Schweden auch heute nicht, und selbst nicht
mit Hülse von Subsidien, un Stande ist. eine seediensttaugliche Bemannung
von 10--12000 Mann zu stellen, so lange das System bleibt.

Es tann nicht unsere Ausgabe sein, all' die Reformvorschläge. die gemacht
sind, zu beleuchten. Nur das sei erwähnt, daß diese fast alle daraus hinaus
taufen, eine solche Reduction des Flvttenmaterials herbeizuführen, daß eine Be¬
mannung von circa 6000 Mann, aber nur aus Berufsseeleuten bestehend, für
dasselbe genügend ist.

Gegenwärtig besteht das Personal der schwedischen Flotte aus 5700 be¬
soldeten iinckLlts,) Bootsleuten, 800 Mann Marinesvldaten, 200 Kanonieren und
einem Corps wirklicher Matrosen in der Stärke von 400 Mann. Außerdem ver¬
fügt die Flotte, aber nur in Kriegszeiten, über 1500 Rotcbovtsleute (rotvrmßs-
inäir) d. h. Bauern, welche verpflichtet sind einen Bootsmann auf ihre Kosten zu stellen
oder selbst zu dienen; dann über die in 5 Klassen eingetheilte Seewehr, etwa
22,000 Mann, aus Küstenbewohnern, ohne Unterschied des Berufs, bestehend.
Zu der Seewehr gehören auch noch cuca 6000 Handelsmatrvsen. welche sich
im vorgeschriebenen Wehrpflicht-Alter befinden und im Seemannshause einge¬
schrieben sind. Zusammen nominell 33,000 Mann.

Das Offiziercorps besteht aus 1 Admiral. 2 Viceadmiralcn, 6 Cvntre-Admi-
ralen, 24 Commandeur-Capitains, 16 Fregatten-Capitains, 98 Ober- und 31
Unterlieulcnants, zusammen 228 Mann.

Der Werth dieses Offiziercorps läßt sich erst während eines Seekrieges
bestimmen. Daß die höhern Chargen sehr fest an dem Althergebrachten, meist
sehr Unzweckmäßigen, hängen, ist schon gesagt worden.

Wie es zur Zeit mit dem übrigen Flvttenpersonale steht, darüber gibt,
unter mehreren Broschüren, eine in Stockholm im vorigen Jahre erschienene,
betitelt: "Unsere Zeit und unsere Seewehr", die einen Seeoffizier zum Ver¬
sasser hat, den besten Aufschluß. Dieselbe veranlaßte eine heftige Polemik in
den öffentlichen Blättern, doch vermochten die Anhänger der alten Schule die


wurden, nun plötzlich hohe Mastbäume erklettern, in schwankendem Tauwerk
arbeiten und riesige Kanonen laden und abfeuern sollten, erlagen in schrecken¬
erregender Zahl den ungewohnten Strapazen, den Mißhandlungen harter Lor¬
gesetzten und der schlechten Verpflegung, Die schwedischen Kriegsschiffe jener Zeit,
welche erst 1814 schloß, waren «.besonders 1608) rin vollen Sinne des Wortes
schwimmende Lazarethe.

Und doch herrscht noch heute in Schweben dasselbe System der Matrosen¬
stellung. Freilich ist seitdem Vieles anders geworben, die Verpflegung ist besser,
die Behandlung humaner und die betreffende Landbevölkerung mit dem Ge¬
danken ihres Seemannsberuses etwas vertrauter, obwohl sie heute noch eben
so ungeschickt, so ungewohnt und ohne Interesse für denselben ist. Schwedische
Autoritäten behaupten daher, daß Schweden auch heute nicht, und selbst nicht
mit Hülse von Subsidien, un Stande ist. eine seediensttaugliche Bemannung
von 10—12000 Mann zu stellen, so lange das System bleibt.

Es tann nicht unsere Ausgabe sein, all' die Reformvorschläge. die gemacht
sind, zu beleuchten. Nur das sei erwähnt, daß diese fast alle daraus hinaus
taufen, eine solche Reduction des Flvttenmaterials herbeizuführen, daß eine Be¬
mannung von circa 6000 Mann, aber nur aus Berufsseeleuten bestehend, für
dasselbe genügend ist.

Gegenwärtig besteht das Personal der schwedischen Flotte aus 5700 be¬
soldeten iinckLlts,) Bootsleuten, 800 Mann Marinesvldaten, 200 Kanonieren und
einem Corps wirklicher Matrosen in der Stärke von 400 Mann. Außerdem ver¬
fügt die Flotte, aber nur in Kriegszeiten, über 1500 Rotcbovtsleute (rotvrmßs-
inäir) d. h. Bauern, welche verpflichtet sind einen Bootsmann auf ihre Kosten zu stellen
oder selbst zu dienen; dann über die in 5 Klassen eingetheilte Seewehr, etwa
22,000 Mann, aus Küstenbewohnern, ohne Unterschied des Berufs, bestehend.
Zu der Seewehr gehören auch noch cuca 6000 Handelsmatrvsen. welche sich
im vorgeschriebenen Wehrpflicht-Alter befinden und im Seemannshause einge¬
schrieben sind. Zusammen nominell 33,000 Mann.

Das Offiziercorps besteht aus 1 Admiral. 2 Viceadmiralcn, 6 Cvntre-Admi-
ralen, 24 Commandeur-Capitains, 16 Fregatten-Capitains, 98 Ober- und 31
Unterlieulcnants, zusammen 228 Mann.

Der Werth dieses Offiziercorps läßt sich erst während eines Seekrieges
bestimmen. Daß die höhern Chargen sehr fest an dem Althergebrachten, meist
sehr Unzweckmäßigen, hängen, ist schon gesagt worden.

Wie es zur Zeit mit dem übrigen Flvttenpersonale steht, darüber gibt,
unter mehreren Broschüren, eine in Stockholm im vorigen Jahre erschienene,
betitelt: „Unsere Zeit und unsere Seewehr", die einen Seeoffizier zum Ver¬
sasser hat, den besten Aufschluß. Dieselbe veranlaßte eine heftige Polemik in
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/302>, abgerufen am 06.01.2025.