Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

über den Osagefluß, wobei mehrere Leute das Leben verloren. Die Infanterie.
Artillerie und Wagen wurden auf einem Boote übergesetzt, die Cavallerie hin¬
gegen mußte durch eine Furth reiten. Unser Führer, der uns diese zeigen
sollte, leitete uns zu weit abwärts, und plötzlich verschwanden sechs meiner
Kameraden, die vor mir herritten. Ich riß sofort mein Pferd herum und kam
noch glücklich durch, die sechs anderen aber fielen von den Pferden herunter
und wurden vom Strome fortgetrieben. Zu allem Glück waren Boote in der
Nähe, so daß Alle gerettet werden konnten. Uebler erging es den uns Nach¬
folgenden, von denen zwei ertranken.

Die Stadt Warsaw, ein ächtes Rebellennest, wurde von uns niedergebrannt.
In Eilmärschen rückten wir von da nach Springfield vor. Dabei führte Sie¬
gel die Avantgarde selbst und ihm folgte General Fremont. Diejenige Abthei¬
lung der Cavallerie, die zuerst in Springfield eindrang, hatte ein kleines Ge¬
fecht, wobei sie 26 Todte verlor. Gleich daraus wurde in dem nun zum
zweiten Male genommenen Ort die Unionsflagge aufgezogen. Hier blieben
wir einige Zeit lang liegen, wobei wir die Umgegend weithin fleißig recognos-
cirten. Während dieser Zeit stießen noch Kansastruppen unter Lane und
Montgomery nebst 4000 Indianern zu uns. Diese letzteren haben uns sehr
interessirt. Sie reiten alle kleine Ponys und nehmen sich in ihren National-
costümes eigenthümlich genug aus.

Als so Alles in besten Zug kommen sollte, wurde Fremont plötzlich abbe¬
rufen. Er war der beste Feldherr, den wir in Amerika halten und der das
Vertrauen der ganzen Nation besaß. Seine große Liebe zu den Deutschen,
deren Werth er vorurtheilsfrei erkannte, mag dabei den mißtrauischen Macht¬
habern ein Dorn im Auge mit gewesen sein. Nach dieses Generals Entfer¬
nung rieb man sich auch an Siegel, der mehr und mehr in seiner Stellung
verlor und viel von dem aufgeblasenen Stolze der Westpoint-Offiziere, die
ihm die Schuhriemen nicht zu lösen vermochten, dulden mußte.

Der Haß gegen die Deutschen wächst nun von Tag zu Tag, eben weil
-die Amerikaner einsehen, daß sich die Deutschen besser als sie auf den Krieg
verstehen. Bald wird es so weit kommen, daß die Deutschen einmüthig die
Waffen gegen die Hankees wenden. Während die amerikanischen Regimenter
Monate lang in den Städten behaglich und ruhig in ihren Winterquartieren
liegen, müssen die Deutschen bei empfindlicher Kälte, fußhohen Schnee und in
den rauhesten Gegenden unter elenden Zelten campiren und sind dabei schlecht
gekleidet und schlecht verproviantirt. Daher resignirt jetzt jeder Ehrenmann, und
Siegel so wie viele Offiziere haben bereits ihre Entlassung nachgesucht.
Noch gar Vieles könnte ich über dieses Thema schreiben, will aber lieber hier
abbrechen. --

Aus mein Ersuchen erhielt ich meine Entlassung am 5. Januar, da ich über-


über den Osagefluß, wobei mehrere Leute das Leben verloren. Die Infanterie.
Artillerie und Wagen wurden auf einem Boote übergesetzt, die Cavallerie hin¬
gegen mußte durch eine Furth reiten. Unser Führer, der uns diese zeigen
sollte, leitete uns zu weit abwärts, und plötzlich verschwanden sechs meiner
Kameraden, die vor mir herritten. Ich riß sofort mein Pferd herum und kam
noch glücklich durch, die sechs anderen aber fielen von den Pferden herunter
und wurden vom Strome fortgetrieben. Zu allem Glück waren Boote in der
Nähe, so daß Alle gerettet werden konnten. Uebler erging es den uns Nach¬
folgenden, von denen zwei ertranken.

Die Stadt Warsaw, ein ächtes Rebellennest, wurde von uns niedergebrannt.
In Eilmärschen rückten wir von da nach Springfield vor. Dabei führte Sie¬
gel die Avantgarde selbst und ihm folgte General Fremont. Diejenige Abthei¬
lung der Cavallerie, die zuerst in Springfield eindrang, hatte ein kleines Ge¬
fecht, wobei sie 26 Todte verlor. Gleich daraus wurde in dem nun zum
zweiten Male genommenen Ort die Unionsflagge aufgezogen. Hier blieben
wir einige Zeit lang liegen, wobei wir die Umgegend weithin fleißig recognos-
cirten. Während dieser Zeit stießen noch Kansastruppen unter Lane und
Montgomery nebst 4000 Indianern zu uns. Diese letzteren haben uns sehr
interessirt. Sie reiten alle kleine Ponys und nehmen sich in ihren National-
costümes eigenthümlich genug aus.

Als so Alles in besten Zug kommen sollte, wurde Fremont plötzlich abbe¬
rufen. Er war der beste Feldherr, den wir in Amerika halten und der das
Vertrauen der ganzen Nation besaß. Seine große Liebe zu den Deutschen,
deren Werth er vorurtheilsfrei erkannte, mag dabei den mißtrauischen Macht¬
habern ein Dorn im Auge mit gewesen sein. Nach dieses Generals Entfer¬
nung rieb man sich auch an Siegel, der mehr und mehr in seiner Stellung
verlor und viel von dem aufgeblasenen Stolze der Westpoint-Offiziere, die
ihm die Schuhriemen nicht zu lösen vermochten, dulden mußte.

Der Haß gegen die Deutschen wächst nun von Tag zu Tag, eben weil
-die Amerikaner einsehen, daß sich die Deutschen besser als sie auf den Krieg
verstehen. Bald wird es so weit kommen, daß die Deutschen einmüthig die
Waffen gegen die Hankees wenden. Während die amerikanischen Regimenter
Monate lang in den Städten behaglich und ruhig in ihren Winterquartieren
liegen, müssen die Deutschen bei empfindlicher Kälte, fußhohen Schnee und in
den rauhesten Gegenden unter elenden Zelten campiren und sind dabei schlecht
gekleidet und schlecht verproviantirt. Daher resignirt jetzt jeder Ehrenmann, und
Siegel so wie viele Offiziere haben bereits ihre Entlassung nachgesucht.
Noch gar Vieles könnte ich über dieses Thema schreiben, will aber lieber hier
abbrechen. —

Aus mein Ersuchen erhielt ich meine Entlassung am 5. Januar, da ich über-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113996"/>
            <p xml:id="ID_626" prev="#ID_625"> über den Osagefluß, wobei mehrere Leute das Leben verloren. Die Infanterie.<lb/>
Artillerie und Wagen wurden auf einem Boote übergesetzt, die Cavallerie hin¬<lb/>
gegen mußte durch eine Furth reiten. Unser Führer, der uns diese zeigen<lb/>
sollte, leitete uns zu weit abwärts, und plötzlich verschwanden sechs meiner<lb/>
Kameraden, die vor mir herritten. Ich riß sofort mein Pferd herum und kam<lb/>
noch glücklich durch, die sechs anderen aber fielen von den Pferden herunter<lb/>
und wurden vom Strome fortgetrieben. Zu allem Glück waren Boote in der<lb/>
Nähe, so daß Alle gerettet werden konnten. Uebler erging es den uns Nach¬<lb/>
folgenden, von denen zwei ertranken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_627"> Die Stadt Warsaw, ein ächtes Rebellennest, wurde von uns niedergebrannt.<lb/>
In Eilmärschen rückten wir von da nach Springfield vor. Dabei führte Sie¬<lb/>
gel die Avantgarde selbst und ihm folgte General Fremont. Diejenige Abthei¬<lb/>
lung der Cavallerie, die zuerst in Springfield eindrang, hatte ein kleines Ge¬<lb/>
fecht, wobei sie 26 Todte verlor. Gleich daraus wurde in dem nun zum<lb/>
zweiten Male genommenen Ort die Unionsflagge aufgezogen. Hier blieben<lb/>
wir einige Zeit lang liegen, wobei wir die Umgegend weithin fleißig recognos-<lb/>
cirten. Während dieser Zeit stießen noch Kansastruppen unter Lane und<lb/>
Montgomery nebst 4000 Indianern zu uns. Diese letzteren haben uns sehr<lb/>
interessirt. Sie reiten alle kleine Ponys und nehmen sich in ihren National-<lb/>
costümes eigenthümlich genug aus.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_628"> Als so Alles in besten Zug kommen sollte, wurde Fremont plötzlich abbe¬<lb/>
rufen. Er war der beste Feldherr, den wir in Amerika halten und der das<lb/>
Vertrauen der ganzen Nation besaß. Seine große Liebe zu den Deutschen,<lb/>
deren Werth er vorurtheilsfrei erkannte, mag dabei den mißtrauischen Macht¬<lb/>
habern ein Dorn im Auge mit gewesen sein. Nach dieses Generals Entfer¬<lb/>
nung rieb man sich auch an Siegel, der mehr und mehr in seiner Stellung<lb/>
verlor und viel von dem aufgeblasenen Stolze der Westpoint-Offiziere, die<lb/>
ihm die Schuhriemen nicht zu lösen vermochten, dulden mußte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_629"> Der Haß gegen die Deutschen wächst nun von Tag zu Tag, eben weil<lb/>
-die Amerikaner einsehen, daß sich die Deutschen besser als sie auf den Krieg<lb/>
verstehen. Bald wird es so weit kommen, daß die Deutschen einmüthig die<lb/>
Waffen gegen die Hankees wenden. Während die amerikanischen Regimenter<lb/>
Monate lang in den Städten behaglich und ruhig in ihren Winterquartieren<lb/>
liegen, müssen die Deutschen bei empfindlicher Kälte, fußhohen Schnee und in<lb/>
den rauhesten Gegenden unter elenden Zelten campiren und sind dabei schlecht<lb/>
gekleidet und schlecht verproviantirt. Daher resignirt jetzt jeder Ehrenmann, und<lb/>
Siegel so wie viele Offiziere haben bereits ihre Entlassung nachgesucht.<lb/>
Noch gar Vieles könnte ich über dieses Thema schreiben, will aber lieber hier<lb/>
abbrechen. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_630" next="#ID_631"> Aus mein Ersuchen erhielt ich meine Entlassung am 5. Januar, da ich über-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0216] über den Osagefluß, wobei mehrere Leute das Leben verloren. Die Infanterie. Artillerie und Wagen wurden auf einem Boote übergesetzt, die Cavallerie hin¬ gegen mußte durch eine Furth reiten. Unser Führer, der uns diese zeigen sollte, leitete uns zu weit abwärts, und plötzlich verschwanden sechs meiner Kameraden, die vor mir herritten. Ich riß sofort mein Pferd herum und kam noch glücklich durch, die sechs anderen aber fielen von den Pferden herunter und wurden vom Strome fortgetrieben. Zu allem Glück waren Boote in der Nähe, so daß Alle gerettet werden konnten. Uebler erging es den uns Nach¬ folgenden, von denen zwei ertranken. Die Stadt Warsaw, ein ächtes Rebellennest, wurde von uns niedergebrannt. In Eilmärschen rückten wir von da nach Springfield vor. Dabei führte Sie¬ gel die Avantgarde selbst und ihm folgte General Fremont. Diejenige Abthei¬ lung der Cavallerie, die zuerst in Springfield eindrang, hatte ein kleines Ge¬ fecht, wobei sie 26 Todte verlor. Gleich daraus wurde in dem nun zum zweiten Male genommenen Ort die Unionsflagge aufgezogen. Hier blieben wir einige Zeit lang liegen, wobei wir die Umgegend weithin fleißig recognos- cirten. Während dieser Zeit stießen noch Kansastruppen unter Lane und Montgomery nebst 4000 Indianern zu uns. Diese letzteren haben uns sehr interessirt. Sie reiten alle kleine Ponys und nehmen sich in ihren National- costümes eigenthümlich genug aus. Als so Alles in besten Zug kommen sollte, wurde Fremont plötzlich abbe¬ rufen. Er war der beste Feldherr, den wir in Amerika halten und der das Vertrauen der ganzen Nation besaß. Seine große Liebe zu den Deutschen, deren Werth er vorurtheilsfrei erkannte, mag dabei den mißtrauischen Macht¬ habern ein Dorn im Auge mit gewesen sein. Nach dieses Generals Entfer¬ nung rieb man sich auch an Siegel, der mehr und mehr in seiner Stellung verlor und viel von dem aufgeblasenen Stolze der Westpoint-Offiziere, die ihm die Schuhriemen nicht zu lösen vermochten, dulden mußte. Der Haß gegen die Deutschen wächst nun von Tag zu Tag, eben weil -die Amerikaner einsehen, daß sich die Deutschen besser als sie auf den Krieg verstehen. Bald wird es so weit kommen, daß die Deutschen einmüthig die Waffen gegen die Hankees wenden. Während die amerikanischen Regimenter Monate lang in den Städten behaglich und ruhig in ihren Winterquartieren liegen, müssen die Deutschen bei empfindlicher Kälte, fußhohen Schnee und in den rauhesten Gegenden unter elenden Zelten campiren und sind dabei schlecht gekleidet und schlecht verproviantirt. Daher resignirt jetzt jeder Ehrenmann, und Siegel so wie viele Offiziere haben bereits ihre Entlassung nachgesucht. Noch gar Vieles könnte ich über dieses Thema schreiben, will aber lieber hier abbrechen. — Aus mein Ersuchen erhielt ich meine Entlassung am 5. Januar, da ich über-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/216
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/216>, abgerufen am 06.01.2025.