Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.ohne Kraft und Entschiedenheit ist und einer bessern Verwendung, werth ge¬ Aber schon sind wir aus dem eigentlichen Geschichtsbilde herausgetreten, Grenzbote" II.^!
ohne Kraft und Entschiedenheit ist und einer bessern Verwendung, werth ge¬ Aber schon sind wir aus dem eigentlichen Geschichtsbilde herausgetreten, Grenzbote» II.^!
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ohne Kraft und Entschiedenheit ist und einer bessern Verwendung, werth ge¬
wesen wäre, sonst wäre auch dies em empfehlenswerther Stoff. Hier sei noch
eines zweiten Galilei vor seinen Richtern oder der römischen Inquisition von
Hausmann gedacht, eines Bildes, das nur durch seine großen Dimensionen, die
übertriebene und doch schemenhafte Charakteristik der Figuren und durch eine
ganz oberflächliche Bravour der Mache sich bemerkbar macht.
Aber schon sind wir aus dem eigentlichen Geschichtsbilde herausgetreten,
und ebenso ist die Frage nach dem historischen Inhalte in die andere nach der
künstlerischen Behandlung übergegangen. Allerdings stehen beide im Zusammen¬
hange; beide verlangen eine Durchdringung der Kunst mit der Wirklichkeit, aber
jede in einem andern Sinne, und so gehen sie nach entgegengesetzten Richtungen
auseinander. Legten die Aesthetik und ein Zweig der modernen Malerei nicht
den Nachdruck auf den bedeutungsvollen, mit seiner Schwere schon in das Ge¬
biet des Bewußtseins hinüberspielcnden Inhalt, so würde auch andrerseits der
Realismus nicht z« dem Extrem der farbenfetten Nachahmung der zufälligen
Erscheinung fortgehen und den Schwerpunkt der Kunst, wie das nun geschieht,
in der selbständigen Ausbildung der sogenannten Technik finden; wie wenn
diese eine von der ganzen künstlerischen Anschauung und Thätigkeit abtrenn¬
bare Sache wäre, die ihren eigenen Weg ginge! Aber in die Gefahr dieser
Einseitigkeit geräth immer der Realismus, wenn er, wie gegenwärtig, zum
Schlagwort wird und ihm in gleicher Absichtlichkeit ein von der Kunst ziemlich
entblößter Idealismus gegenübersteht. Genug der reflectirten Spannung die¬
ser Gegensätze, damit es nichl zu dem Ergebniß komme, das Schiller, der die
ästhetischen Gebrechen unserer Zeit wohl kannte, als drohende Möglichkeit dem
Jahrhundert vorhielt: „Zweierlei gehört zum Poeten und Künstler, daß er sich
über das Wirkliche erhebt, und daß er innerhalb des Sinnlichen stehen bleibt.
Wo beides verbunden ist, da ist ästhetische Ärmst- Aber in einer ungünstigen,
formlosen Natur verläßt er mit dem Wirklichen nur zu leicht auch das Sinn¬
liche und wird idealistisch, und weyn sein Verstand schwach ist gar phantastisch;
oder will er, und muß er, durch seine Natur genöthigt, in der Sinnlichkeit blei¬
ben, so bleibt er gern auch bei dem Wirklichen in dem üblen Sinne des Aus¬
drucks stehen und wird, in beschränkter Bedeutung des Worts, realistisch und
wenn es ihm ganz an Phantasie fehlt, knechtisch und gemein. In beiden Fäl¬
len ist er also nicht ästhetisch."
Grenzbote» II.^!
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