Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gefallen, vornehm herabblickt, welches er aber noch einmal zu übernehmen sich
bequemen könnte, nachdem er es bereits während der Kreuzfahrerherrschaft in
Palästina ein Jahrhundert lang in Scene gesetzt hat, das Wunder des hei¬
ligen Feuers!

Die orientalischen Kirchen Jerusalems, namentlich die griechische, zweifeln,
wenn ihnen dies Palladium entrissen würde, nicht an den Erfolgen einer so
reichen Nebenbuhlerin, und ihre Vertreter werden von jeder Berührung der
Übersiedelung des Papstes nach dem heiligen Lande in italienischen und an¬
dern Blättern jedesmal in die schmerzlichste Aufregung versetzt. Ihren Lecker¬
bissen aber, um mit dem persischen Dichter zu reden, betrachtet Rom als Ger¬
stenbrod mit Knoblauch, und wenn je ein heiliger Bater seine Residenz in Je¬
rusalem aufschlägt, so wird mens ihm nicht als Berdienst oder Vergehen an¬
rechnen dürfen. Die östlichen Brüder tonnen also noch lange ihres Wunders
in Ruhe genießen.

Zwar Jerusalem war im Winter 1861 nicht was es hätte sein sollen.
Nachdem seit dem letzten orientalischen Kriege die Zahl der zum Osterfeste her¬
strömenden Pilger sich durchschnittlich auf 14,000 Seelen belaufen, war diesmal,
in Folge der Damascener Metzeleien im Sommer vorher, kaum ein Viertel
jener Anzahl erschienen. Ein solcher Ausfall betrifft alle Klassen der jerusa¬
lemer Bevölkerung; denn die Pilgerzcit ist zugleich eine Art Messe, für welche
der Muhammedaner die Erzeugnisse der heimischen Seifensiedereien, die Früchte
und Lederwaren von Damascus, die kostbaren Seiden von Aleppo u. s. w.,
der Jude allerlei europäische Stoffe und der Christ vorzüglich die unter dem
Namen Sanctuarien bekannten Perlmutterschnitzereien, als Crucifixe, Heiligen¬
bilder und Rosenkränze, aufstapelt. Es ist die Erntezeit des Hicropoliten, wäh¬
rend welcher er zum großen Theil seines Leibes Nothdurft für das kommende
Jahr aus den arglosen Bewohnern der anatolischcn und rumelischcn Binnen¬
länder, den Männern von kleinem Hirn und großer Geldkatze, herauszuschlagen
hofft. Wenn man nun auch in Jerusalem fremdes Unglück mit derselben Re¬
signation zu tragen Pflegt, wie überhaupt in der Levante, so herrschte doch
in Beziehung auf die Verdammung der Chnstenschlächtcrei die größte Einigkeit,
und fast am lautesten tadelten die Muhamedaner die Heldenthat rhrer Glaubens¬
genossen von Damascus, welche sich selber zwar mit der Habe der Gemordeten be¬
reichert, dagegen aberso vieleRechtgläubigedraußender Erwerblvsigteitpreisgegcben.

Nur die armenische und griechische Klerisei ergab sich^mjt >'mein Gleich¬
muthe in das Mißgeschick, der auffallend erscheinen könnte, .da Niemand in
gleichem Maße wie sie bei der Frequenz der Pilger interessirt ist. Ich. rede
hier nicht von dem Streben der würdigen Männer, das Seelenheil ihrer
Beichtkinder zu fördern, sondern lediglich von dem Almosen, das die letzteren
in den Klöstern zurückzulassen pflegen, und welches nach geringer Veranschlagung


gefallen, vornehm herabblickt, welches er aber noch einmal zu übernehmen sich
bequemen könnte, nachdem er es bereits während der Kreuzfahrerherrschaft in
Palästina ein Jahrhundert lang in Scene gesetzt hat, das Wunder des hei¬
ligen Feuers!

Die orientalischen Kirchen Jerusalems, namentlich die griechische, zweifeln,
wenn ihnen dies Palladium entrissen würde, nicht an den Erfolgen einer so
reichen Nebenbuhlerin, und ihre Vertreter werden von jeder Berührung der
Übersiedelung des Papstes nach dem heiligen Lande in italienischen und an¬
dern Blättern jedesmal in die schmerzlichste Aufregung versetzt. Ihren Lecker¬
bissen aber, um mit dem persischen Dichter zu reden, betrachtet Rom als Ger¬
stenbrod mit Knoblauch, und wenn je ein heiliger Bater seine Residenz in Je¬
rusalem aufschlägt, so wird mens ihm nicht als Berdienst oder Vergehen an¬
rechnen dürfen. Die östlichen Brüder tonnen also noch lange ihres Wunders
in Ruhe genießen.

Zwar Jerusalem war im Winter 1861 nicht was es hätte sein sollen.
Nachdem seit dem letzten orientalischen Kriege die Zahl der zum Osterfeste her¬
strömenden Pilger sich durchschnittlich auf 14,000 Seelen belaufen, war diesmal,
in Folge der Damascener Metzeleien im Sommer vorher, kaum ein Viertel
jener Anzahl erschienen. Ein solcher Ausfall betrifft alle Klassen der jerusa¬
lemer Bevölkerung; denn die Pilgerzcit ist zugleich eine Art Messe, für welche
der Muhammedaner die Erzeugnisse der heimischen Seifensiedereien, die Früchte
und Lederwaren von Damascus, die kostbaren Seiden von Aleppo u. s. w.,
der Jude allerlei europäische Stoffe und der Christ vorzüglich die unter dem
Namen Sanctuarien bekannten Perlmutterschnitzereien, als Crucifixe, Heiligen¬
bilder und Rosenkränze, aufstapelt. Es ist die Erntezeit des Hicropoliten, wäh¬
rend welcher er zum großen Theil seines Leibes Nothdurft für das kommende
Jahr aus den arglosen Bewohnern der anatolischcn und rumelischcn Binnen¬
länder, den Männern von kleinem Hirn und großer Geldkatze, herauszuschlagen
hofft. Wenn man nun auch in Jerusalem fremdes Unglück mit derselben Re¬
signation zu tragen Pflegt, wie überhaupt in der Levante, so herrschte doch
in Beziehung auf die Verdammung der Chnstenschlächtcrei die größte Einigkeit,
und fast am lautesten tadelten die Muhamedaner die Heldenthat rhrer Glaubens¬
genossen von Damascus, welche sich selber zwar mit der Habe der Gemordeten be¬
reichert, dagegen aberso vieleRechtgläubigedraußender Erwerblvsigteitpreisgegcben.

Nur die armenische und griechische Klerisei ergab sich^mjt >'mein Gleich¬
muthe in das Mißgeschick, der auffallend erscheinen könnte, .da Niemand in
gleichem Maße wie sie bei der Frequenz der Pilger interessirt ist. Ich. rede
hier nicht von dem Streben der würdigen Männer, das Seelenheil ihrer
Beichtkinder zu fördern, sondern lediglich von dem Almosen, das die letzteren
in den Klöstern zurückzulassen pflegen, und welches nach geringer Veranschlagung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0130" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113910"/>
          <p xml:id="ID_338" prev="#ID_337"> gefallen, vornehm herabblickt, welches er aber noch einmal zu übernehmen sich<lb/>
bequemen könnte, nachdem er es bereits während der Kreuzfahrerherrschaft in<lb/>
Palästina ein Jahrhundert lang in Scene gesetzt hat, das Wunder des hei¬<lb/>
ligen Feuers!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_339"> Die orientalischen Kirchen Jerusalems, namentlich die griechische, zweifeln,<lb/>
wenn ihnen dies Palladium entrissen würde, nicht an den Erfolgen einer so<lb/>
reichen Nebenbuhlerin, und ihre Vertreter werden von jeder Berührung der<lb/>
Übersiedelung des Papstes nach dem heiligen Lande in italienischen und an¬<lb/>
dern Blättern jedesmal in die schmerzlichste Aufregung versetzt. Ihren Lecker¬<lb/>
bissen aber, um mit dem persischen Dichter zu reden, betrachtet Rom als Ger¬<lb/>
stenbrod mit Knoblauch, und wenn je ein heiliger Bater seine Residenz in Je¬<lb/>
rusalem aufschlägt, so wird mens ihm nicht als Berdienst oder Vergehen an¬<lb/>
rechnen dürfen. Die östlichen Brüder tonnen also noch lange ihres Wunders<lb/>
in Ruhe genießen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_340"> Zwar Jerusalem war im Winter 1861 nicht was es hätte sein sollen.<lb/>
Nachdem seit dem letzten orientalischen Kriege die Zahl der zum Osterfeste her¬<lb/>
strömenden Pilger sich durchschnittlich auf 14,000 Seelen belaufen, war diesmal,<lb/>
in Folge der Damascener Metzeleien im Sommer vorher, kaum ein Viertel<lb/>
jener Anzahl erschienen. Ein solcher Ausfall betrifft alle Klassen der jerusa¬<lb/>
lemer Bevölkerung; denn die Pilgerzcit ist zugleich eine Art Messe, für welche<lb/>
der Muhammedaner die Erzeugnisse der heimischen Seifensiedereien, die Früchte<lb/>
und Lederwaren von Damascus, die kostbaren Seiden von Aleppo u. s. w.,<lb/>
der Jude allerlei europäische Stoffe und der Christ vorzüglich die unter dem<lb/>
Namen Sanctuarien bekannten Perlmutterschnitzereien, als Crucifixe, Heiligen¬<lb/>
bilder und Rosenkränze, aufstapelt. Es ist die Erntezeit des Hicropoliten, wäh¬<lb/>
rend welcher er zum großen Theil seines Leibes Nothdurft für das kommende<lb/>
Jahr aus den arglosen Bewohnern der anatolischcn und rumelischcn Binnen¬<lb/>
länder, den Männern von kleinem Hirn und großer Geldkatze, herauszuschlagen<lb/>
hofft. Wenn man nun auch in Jerusalem fremdes Unglück mit derselben Re¬<lb/>
signation zu tragen Pflegt, wie überhaupt in der Levante, so herrschte doch<lb/>
in Beziehung auf die Verdammung der Chnstenschlächtcrei die größte Einigkeit,<lb/>
und fast am lautesten tadelten die Muhamedaner die Heldenthat rhrer Glaubens¬<lb/>
genossen von Damascus, welche sich selber zwar mit der Habe der Gemordeten be¬<lb/>
reichert, dagegen aberso vieleRechtgläubigedraußender Erwerblvsigteitpreisgegcben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_341" next="#ID_342"> Nur die armenische und griechische Klerisei ergab sich^mjt &gt;'mein Gleich¬<lb/>
muthe in das Mißgeschick, der auffallend erscheinen könnte, .da Niemand in<lb/>
gleichem Maße wie sie bei der Frequenz der Pilger interessirt ist. Ich. rede<lb/>
hier nicht von dem Streben der würdigen Männer, das Seelenheil ihrer<lb/>
Beichtkinder zu fördern, sondern lediglich von dem Almosen, das die letzteren<lb/>
in den Klöstern zurückzulassen pflegen, und welches nach geringer Veranschlagung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0130] gefallen, vornehm herabblickt, welches er aber noch einmal zu übernehmen sich bequemen könnte, nachdem er es bereits während der Kreuzfahrerherrschaft in Palästina ein Jahrhundert lang in Scene gesetzt hat, das Wunder des hei¬ ligen Feuers! Die orientalischen Kirchen Jerusalems, namentlich die griechische, zweifeln, wenn ihnen dies Palladium entrissen würde, nicht an den Erfolgen einer so reichen Nebenbuhlerin, und ihre Vertreter werden von jeder Berührung der Übersiedelung des Papstes nach dem heiligen Lande in italienischen und an¬ dern Blättern jedesmal in die schmerzlichste Aufregung versetzt. Ihren Lecker¬ bissen aber, um mit dem persischen Dichter zu reden, betrachtet Rom als Ger¬ stenbrod mit Knoblauch, und wenn je ein heiliger Bater seine Residenz in Je¬ rusalem aufschlägt, so wird mens ihm nicht als Berdienst oder Vergehen an¬ rechnen dürfen. Die östlichen Brüder tonnen also noch lange ihres Wunders in Ruhe genießen. Zwar Jerusalem war im Winter 1861 nicht was es hätte sein sollen. Nachdem seit dem letzten orientalischen Kriege die Zahl der zum Osterfeste her¬ strömenden Pilger sich durchschnittlich auf 14,000 Seelen belaufen, war diesmal, in Folge der Damascener Metzeleien im Sommer vorher, kaum ein Viertel jener Anzahl erschienen. Ein solcher Ausfall betrifft alle Klassen der jerusa¬ lemer Bevölkerung; denn die Pilgerzcit ist zugleich eine Art Messe, für welche der Muhammedaner die Erzeugnisse der heimischen Seifensiedereien, die Früchte und Lederwaren von Damascus, die kostbaren Seiden von Aleppo u. s. w., der Jude allerlei europäische Stoffe und der Christ vorzüglich die unter dem Namen Sanctuarien bekannten Perlmutterschnitzereien, als Crucifixe, Heiligen¬ bilder und Rosenkränze, aufstapelt. Es ist die Erntezeit des Hicropoliten, wäh¬ rend welcher er zum großen Theil seines Leibes Nothdurft für das kommende Jahr aus den arglosen Bewohnern der anatolischcn und rumelischcn Binnen¬ länder, den Männern von kleinem Hirn und großer Geldkatze, herauszuschlagen hofft. Wenn man nun auch in Jerusalem fremdes Unglück mit derselben Re¬ signation zu tragen Pflegt, wie überhaupt in der Levante, so herrschte doch in Beziehung auf die Verdammung der Chnstenschlächtcrei die größte Einigkeit, und fast am lautesten tadelten die Muhamedaner die Heldenthat rhrer Glaubens¬ genossen von Damascus, welche sich selber zwar mit der Habe der Gemordeten be¬ reichert, dagegen aberso vieleRechtgläubigedraußender Erwerblvsigteitpreisgegcben. Nur die armenische und griechische Klerisei ergab sich^mjt >'mein Gleich¬ muthe in das Mißgeschick, der auffallend erscheinen könnte, .da Niemand in gleichem Maße wie sie bei der Frequenz der Pilger interessirt ist. Ich. rede hier nicht von dem Streben der würdigen Männer, das Seelenheil ihrer Beichtkinder zu fördern, sondern lediglich von dem Almosen, das die letzteren in den Klöstern zurückzulassen pflegen, und welches nach geringer Veranschlagung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/130
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/130>, abgerufen am 06.01.2025.