Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Unfern vom Sarge des Longinus. welchen, nebenbei gesagt, eine in Prag Der Piaristenordenspriester Schalter erwähnt dieser Vision des Herzogs F. v. S. Unfern vom Sarge des Longinus. welchen, nebenbei gesagt, eine in Prag Der Piaristenordenspriester Schalter erwähnt dieser Vision des Herzogs F. v. S. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113896"/> <p xml:id="ID_296"> Unfern vom Sarge des Longinus. welchen, nebenbei gesagt, eine in Prag<lb/> lebende Adelsfamilie für ihren Ahnherrn hält, hängt ein großes Oelgemälde, aus<lb/> welchem der Apostel Petrus abgebildet ist. wie er auf einer Wolke stehend einen<lb/> vor ihm halbnackt liegenden Mann geißelt. Der arme Gezüchtigte hat neben<lb/> sich am Bette eine Herzogskrone und einen Purpurmantel liegen. Petrus ruft<lb/> ihm die Worte zu: Keääs, czuoä 8umpsistil (Gib heraus, was du genommen!)<lb/> und erhält zur Antwort: „KeiZelam et amplitieado!" (Ich werde wiedergeben<lb/> und vermehren!) Nach den alten Aufzeichnungen des Capitels soll dieses Bild<lb/> folgende Geschichte verewigen: Friedrich Herzog von Böhmen entzog dem Dom¬<lb/> capitel im Jahre 1187 das Dorf Swrcowic und beleknte damit seinen Günst¬<lb/> ling Habrowec. Noch in derselben Nacht hatte der Herzog eine Vision, Se.<lb/> Petrus erschien ihm und hielt demselben eine Strafpredigt. Da diese nichts<lb/> nützte, kam der Apostel in der folgenden Nacht wieder, weckte den Herzog und<lb/> sprach „Steh auf, Unbußfertiger!" Friedrich richtete sich gehorsam auf und fühlte<lb/> von einer Geißel, die Se. Petrus schwang, die empfindlichsten Schläge auf seinen<lb/> entblößten Rücken fallen. Die Geißelung hielt an, bis der Herzog gelobte, das<lb/> entfremdete Dorf dem Capitel wiederzugeben. Die Striemen sollen noch am<lb/> anderen Tage an Friedrichs Körper zu sehen gewesen sein. Der Herzog beschrieb<lb/> übrigens den Apostel Petrus als einen ältlichen Mann mit einer Glcche und<lb/> gutmüthiger Miene, bekleidet mit einem rothen Mantel.</p><lb/> <p xml:id="ID_297"> Der Piaristenordenspriester Schalter erwähnt dieser Vision des Herzogs<lb/> Friedrich in seiner böhmischen Topographie im Jahre 1785 und fügt die Bemer¬<lb/> kung hinzu: „Ob aber diese Geißelung durch einen verkappten oder durch den<lb/> wirklichen heiligen Peter verrichtet worden sei, das überlasse ich der Entscheidung<lb/> unserer Herrn Kritiker." — Das Capitclarchiv läßt uns auch hier nicht im Stich:<lb/> es enthält eine Urkunde — angeblich von 1187 — in welcher Herzog Friedrich<lb/> in lateinischer Sprache dem Apostel Petrus die erhaltenen Hiebe quittirt: „Ich<lb/> Herzog Friedrich danke Dir, heiliger Peter, daß Du mich gewürdiget hast, mich<lb/> im Schlafe zu besuchen und auch empfindlich zu ernähren, daß ich mich in der<lb/> Beförderung der Ehre dieser Kirche wachsamer bezeuge" u. s. w. — Das Dom¬<lb/> stift Wysehrad that sich auf diese Geschichte so viel zu gut, daß es die Vision<lb/> und Geißelung des Herzogs sogar in eines seiner Sigille aufnahm!--</p><lb/> <note type="byline"> F. v. S.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
Unfern vom Sarge des Longinus. welchen, nebenbei gesagt, eine in Prag
lebende Adelsfamilie für ihren Ahnherrn hält, hängt ein großes Oelgemälde, aus
welchem der Apostel Petrus abgebildet ist. wie er auf einer Wolke stehend einen
vor ihm halbnackt liegenden Mann geißelt. Der arme Gezüchtigte hat neben
sich am Bette eine Herzogskrone und einen Purpurmantel liegen. Petrus ruft
ihm die Worte zu: Keääs, czuoä 8umpsistil (Gib heraus, was du genommen!)
und erhält zur Antwort: „KeiZelam et amplitieado!" (Ich werde wiedergeben
und vermehren!) Nach den alten Aufzeichnungen des Capitels soll dieses Bild
folgende Geschichte verewigen: Friedrich Herzog von Böhmen entzog dem Dom¬
capitel im Jahre 1187 das Dorf Swrcowic und beleknte damit seinen Günst¬
ling Habrowec. Noch in derselben Nacht hatte der Herzog eine Vision, Se.
Petrus erschien ihm und hielt demselben eine Strafpredigt. Da diese nichts
nützte, kam der Apostel in der folgenden Nacht wieder, weckte den Herzog und
sprach „Steh auf, Unbußfertiger!" Friedrich richtete sich gehorsam auf und fühlte
von einer Geißel, die Se. Petrus schwang, die empfindlichsten Schläge auf seinen
entblößten Rücken fallen. Die Geißelung hielt an, bis der Herzog gelobte, das
entfremdete Dorf dem Capitel wiederzugeben. Die Striemen sollen noch am
anderen Tage an Friedrichs Körper zu sehen gewesen sein. Der Herzog beschrieb
übrigens den Apostel Petrus als einen ältlichen Mann mit einer Glcche und
gutmüthiger Miene, bekleidet mit einem rothen Mantel.
Der Piaristenordenspriester Schalter erwähnt dieser Vision des Herzogs
Friedrich in seiner böhmischen Topographie im Jahre 1785 und fügt die Bemer¬
kung hinzu: „Ob aber diese Geißelung durch einen verkappten oder durch den
wirklichen heiligen Peter verrichtet worden sei, das überlasse ich der Entscheidung
unserer Herrn Kritiker." — Das Capitclarchiv läßt uns auch hier nicht im Stich:
es enthält eine Urkunde — angeblich von 1187 — in welcher Herzog Friedrich
in lateinischer Sprache dem Apostel Petrus die erhaltenen Hiebe quittirt: „Ich
Herzog Friedrich danke Dir, heiliger Peter, daß Du mich gewürdiget hast, mich
im Schlafe zu besuchen und auch empfindlich zu ernähren, daß ich mich in der
Beförderung der Ehre dieser Kirche wachsamer bezeuge" u. s. w. — Das Dom¬
stift Wysehrad that sich auf diese Geschichte so viel zu gut, daß es die Vision
und Geißelung des Herzogs sogar in eines seiner Sigille aufnahm!--
F. v. S.
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