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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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nichts mehr übrig als die Erinnerung und eine unvergleichliche Aussicht auf Prag
und die umliegende Landschaft; der Wysehrad ist eine ^Citadelle geworden, de¬
ren Besatzung aus einigen Artilleristen und weniger Infanterie besteht. Neben
dem Säbel hat sich auch der Krummstab oben behauptet, es gibt da ein eige¬
nes Domcapitel mit einem reich dotirter Probst, einem Dechant und einigen
Domherrn, welche sämmtlich Bischofsmützen zu tragen berechtigt sind und sich
früher großer Vorrechte erfreuten, Ihre .Capitelkirche Se. Peter und Paul,
mitten in der Citadelle, datirt vom Jahre 1070, ist aber in ihrer jetzigen
Gestalt aus Ruinen entstanden, nur ein Schatten dessen, was sie ehedem war.
Becker breiten sich nächst dieser Kirche aus und machen noch immer die Anwen¬
dung des "Saatfelder sind, wo einst Troja stand" durch Zacharias Theobald
wahr.

Wenn wir nun einmal in der Geschichte des Hussitenkrieges blättern,
welche Mag. Zacharias Theobald im Jahre IK21 zu Nürnberg herausgab, hal¬
ten wir bei folgender Stelle verwundert inne: Auf dem Kirchhof (des Wyse>
brät) liegt eine große Säule, die der Teufel soll von Rom, wie man vorgibt,
geholet haben. Aber was verständige Leute sein und was von den Sachen
wissen, die sagen, es sei noch eine Säule in der alten Kirche Petri und Pauli,
so zerstört worden." Trojzdcm, daß es schon im Jahre 1621 so "verständige
Leute" gab, avancirte diese Säule bald darauf in das Innere der Peter- und
Paulkirche, bis K. Joseph der Zweite sie wieder aus der Kirche wälzen ließ.
Sie liegt nun links vom Haupteingang zu Se. Peter und Paul im Grase des
weiten Kirchhofes in drei langen Stücken. Wenn wir kaum einen Moment
bei derselben stehen bleiben, um deren Material -- es ist Syenit -- und die
Nundung an den Bruchstellen zu untersuchen, klirrt hinter uns ein Schlüssel¬
bund, und dessen Trägerin, eine alte Kirchenwaschfrau oder dergleichen, fragt, ob
es uns nicht gefällig, die "uralte" Kirche zu sehen, und erzählt uns im gebro¬
chenem Deutsch die Geschichte von der Teufclssäule, welche in ihrer Grundform
bereits in Redelns "schcnswürdigem Prag" (1710) also gedruckt zu lesen

"Es hatte ein Priester der Kirche Se. Petri und Pauli auf dem Wysehrad
durch Verführung des Teufels ein Bündnis; mit demselben gemacht, mit der
Bedingung, wenn er in der Zeit, da er die Messe lese, eine Säule aus der
Marienkirche über der Tiber zu Rom bringen könnte, wollte er sich ihm ergeben.
Der Teufel hörte diesen Antrag gern, machte sich gleich in aller Eil nach Rom
und brachte die Säule von dannen, kam aber zu spät, indem die Messe schon
aus war, worüber er entrüstet die Säule durch das Dach und das Gewölbe
in die Kirche warf, daß solche in drei Stücke sprang, welche drei Stücke noch
heute zu Tage in den Kapellen Francisco und Pauli Bekehrung zur linken Seite
bei dem Eingang in die Kirche Se. Petri und Pauli gezeigt werden." Welt¬
liche Geschichtskenner wollen allerdings behaupten, die Entstehung dieser Legende


nichts mehr übrig als die Erinnerung und eine unvergleichliche Aussicht auf Prag
und die umliegende Landschaft; der Wysehrad ist eine ^Citadelle geworden, de¬
ren Besatzung aus einigen Artilleristen und weniger Infanterie besteht. Neben
dem Säbel hat sich auch der Krummstab oben behauptet, es gibt da ein eige¬
nes Domcapitel mit einem reich dotirter Probst, einem Dechant und einigen
Domherrn, welche sämmtlich Bischofsmützen zu tragen berechtigt sind und sich
früher großer Vorrechte erfreuten, Ihre .Capitelkirche Se. Peter und Paul,
mitten in der Citadelle, datirt vom Jahre 1070, ist aber in ihrer jetzigen
Gestalt aus Ruinen entstanden, nur ein Schatten dessen, was sie ehedem war.
Becker breiten sich nächst dieser Kirche aus und machen noch immer die Anwen¬
dung des „Saatfelder sind, wo einst Troja stand" durch Zacharias Theobald
wahr.

Wenn wir nun einmal in der Geschichte des Hussitenkrieges blättern,
welche Mag. Zacharias Theobald im Jahre IK21 zu Nürnberg herausgab, hal¬
ten wir bei folgender Stelle verwundert inne: Auf dem Kirchhof (des Wyse>
brät) liegt eine große Säule, die der Teufel soll von Rom, wie man vorgibt,
geholet haben. Aber was verständige Leute sein und was von den Sachen
wissen, die sagen, es sei noch eine Säule in der alten Kirche Petri und Pauli,
so zerstört worden." Trojzdcm, daß es schon im Jahre 1621 so „verständige
Leute" gab, avancirte diese Säule bald darauf in das Innere der Peter- und
Paulkirche, bis K. Joseph der Zweite sie wieder aus der Kirche wälzen ließ.
Sie liegt nun links vom Haupteingang zu Se. Peter und Paul im Grase des
weiten Kirchhofes in drei langen Stücken. Wenn wir kaum einen Moment
bei derselben stehen bleiben, um deren Material — es ist Syenit — und die
Nundung an den Bruchstellen zu untersuchen, klirrt hinter uns ein Schlüssel¬
bund, und dessen Trägerin, eine alte Kirchenwaschfrau oder dergleichen, fragt, ob
es uns nicht gefällig, die „uralte" Kirche zu sehen, und erzählt uns im gebro¬
chenem Deutsch die Geschichte von der Teufclssäule, welche in ihrer Grundform
bereits in Redelns „schcnswürdigem Prag" (1710) also gedruckt zu lesen

„Es hatte ein Priester der Kirche Se. Petri und Pauli auf dem Wysehrad
durch Verführung des Teufels ein Bündnis; mit demselben gemacht, mit der
Bedingung, wenn er in der Zeit, da er die Messe lese, eine Säule aus der
Marienkirche über der Tiber zu Rom bringen könnte, wollte er sich ihm ergeben.
Der Teufel hörte diesen Antrag gern, machte sich gleich in aller Eil nach Rom
und brachte die Säule von dannen, kam aber zu spät, indem die Messe schon
aus war, worüber er entrüstet die Säule durch das Dach und das Gewölbe
in die Kirche warf, daß solche in drei Stücke sprang, welche drei Stücke noch
heute zu Tage in den Kapellen Francisco und Pauli Bekehrung zur linken Seite
bei dem Eingang in die Kirche Se. Petri und Pauli gezeigt werden." Welt¬
liche Geschichtskenner wollen allerdings behaupten, die Entstehung dieser Legende


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[0114] nichts mehr übrig als die Erinnerung und eine unvergleichliche Aussicht auf Prag und die umliegende Landschaft; der Wysehrad ist eine ^Citadelle geworden, de¬ ren Besatzung aus einigen Artilleristen und weniger Infanterie besteht. Neben dem Säbel hat sich auch der Krummstab oben behauptet, es gibt da ein eige¬ nes Domcapitel mit einem reich dotirter Probst, einem Dechant und einigen Domherrn, welche sämmtlich Bischofsmützen zu tragen berechtigt sind und sich früher großer Vorrechte erfreuten, Ihre .Capitelkirche Se. Peter und Paul, mitten in der Citadelle, datirt vom Jahre 1070, ist aber in ihrer jetzigen Gestalt aus Ruinen entstanden, nur ein Schatten dessen, was sie ehedem war. Becker breiten sich nächst dieser Kirche aus und machen noch immer die Anwen¬ dung des „Saatfelder sind, wo einst Troja stand" durch Zacharias Theobald wahr. Wenn wir nun einmal in der Geschichte des Hussitenkrieges blättern, welche Mag. Zacharias Theobald im Jahre IK21 zu Nürnberg herausgab, hal¬ ten wir bei folgender Stelle verwundert inne: Auf dem Kirchhof (des Wyse> brät) liegt eine große Säule, die der Teufel soll von Rom, wie man vorgibt, geholet haben. Aber was verständige Leute sein und was von den Sachen wissen, die sagen, es sei noch eine Säule in der alten Kirche Petri und Pauli, so zerstört worden." Trojzdcm, daß es schon im Jahre 1621 so „verständige Leute" gab, avancirte diese Säule bald darauf in das Innere der Peter- und Paulkirche, bis K. Joseph der Zweite sie wieder aus der Kirche wälzen ließ. Sie liegt nun links vom Haupteingang zu Se. Peter und Paul im Grase des weiten Kirchhofes in drei langen Stücken. Wenn wir kaum einen Moment bei derselben stehen bleiben, um deren Material — es ist Syenit — und die Nundung an den Bruchstellen zu untersuchen, klirrt hinter uns ein Schlüssel¬ bund, und dessen Trägerin, eine alte Kirchenwaschfrau oder dergleichen, fragt, ob es uns nicht gefällig, die „uralte" Kirche zu sehen, und erzählt uns im gebro¬ chenem Deutsch die Geschichte von der Teufclssäule, welche in ihrer Grundform bereits in Redelns „schcnswürdigem Prag" (1710) also gedruckt zu lesen „Es hatte ein Priester der Kirche Se. Petri und Pauli auf dem Wysehrad durch Verführung des Teufels ein Bündnis; mit demselben gemacht, mit der Bedingung, wenn er in der Zeit, da er die Messe lese, eine Säule aus der Marienkirche über der Tiber zu Rom bringen könnte, wollte er sich ihm ergeben. Der Teufel hörte diesen Antrag gern, machte sich gleich in aller Eil nach Rom und brachte die Säule von dannen, kam aber zu spät, indem die Messe schon aus war, worüber er entrüstet die Säule durch das Dach und das Gewölbe in die Kirche warf, daß solche in drei Stücke sprang, welche drei Stücke noch heute zu Tage in den Kapellen Francisco und Pauli Bekehrung zur linken Seite bei dem Eingang in die Kirche Se. Petri und Pauli gezeigt werden." Welt¬ liche Geschichtskenner wollen allerdings behaupten, die Entstehung dieser Legende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/114>, abgerufen am 06.01.2025.