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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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-- Im vorigen Jahrhundert hielt man abgerissene Stücke von der Kleidung
und die sogenannten "Oelflecklein der seligen Electa" sür heilkräftig, sie waren
ein gangbarer Artikel und wurden stark nach Wien und Gratz versendet. Die
"Oelflecklein" sind kleine Wolllappen, getränkt mit einer schmulug gelben, fettigen
Flüssigkeit, welche die Mutter Electa "ausschwitzen" soll.

Die Freigeisrerei Kaiser Josephs des Zweiten respectirte die selige Electa
sammt ihren Oelflecklein sehr wenig. Der Kaiser bestimmte das Kloster Se. Jo¬
seph zur Aufhebung, die Karmeliterinnen mußten dasselbe dem Orden der englischen
Fräulein, die sich durch Jugenderziehung nützlich machten, ohne Säumen ein¬
räumen und konnten sich noch glücklich schätzen, daß man ihnen erlaubte, bis
auf weitere Befehle das soeben aufgehobene Kloster der Barnabitermönche bei
Se. Benedict auf dem Hradschin zu beziehen. Bei ihrer Uebersiedelung ward
ihnen nicht verwehrt, ihre mumificirte Exoberin Electa mitzunehmen. Sie stellten
dieselbe an ihrem neuen Bestimmungsort rechts vom Hochaltar der Benedicts-
lirche in einem düsteren Gewölbe aus. Anfangs war beschlossen, die Karmeli-
icrinnen dürfen keine neuen Novizen mehr aufnehmen und sollen bis zu ihrem
Aussterben der Se. Benedict bleiben. - Unter Kaiser Franz dem Ersten wurde
denselben jedoch wieder erlaubt, sich von Zeit zu Zeit neu zu recrutiren, und so
hat sich denn dieser nur Andachtsübungen und Selbstkasteiungen gewidmete Orden
in Prag ins auf unsere Tage erhalten. Die Nonnen desselben tragen grobe
braune Kulten und schwarze Schleier und sollen barfuß gehen. Das Boll
kennt sie nur unter dem unrichtigen Namen "Barnabiterinnen" und weiß merk¬
würdige Dinge von der Strenge ihrer Klosterregel zu erzählen. Die Nonnen
bei Se. Benedict essen niemals Fleisch, sie leben nur von Fischen, Gemüsen
und Mehlspeisen, ihr Fastengebot ist so streng, daß sie sich statt der Eier und
der Miller des Oels bedienen müssen. Die Elausur ist eng. die Karmeliterin
darf nicht einmal ihre Ellern empfangen. Bei aller Strenge des Ordens soll
es vor mehreren Jahren denn doch einer Bewohnerin dieses Klosters gelungen
se>n, zu'entfliehen, indem sie sich nicht ohne Lebensgefahr von ihrem Geliebten
in der Maste eines Schornsteinfegers durch den Schornstein entführen ließ.
Man erzählt die Geschichte mit verschiedenen romantischen Details, die wir je¬
doch nicht verbürgen wollen. Die Entführte war angeblich die Tochter eines
rü Oestreich überaus mächtigen Kavaliers und wurde heimlich in das Kloster
Se. Benedict gebracht, weil sie einen Lieveshcmdel mit einem bürgerlichen Lieut¬
enant hatte und nicht von ihm lassen wollte. Der Offizier entwarf rasch seinen
Plan, lernte unter fremdem Namen eiligst das Schornsteinfegerhandwert und
vollbrachte mit fast übermenschlicher Anstrengung den kühnen Entführungsplan.
Von den Entflohenen will man wissen, sie seien glücklich nach Amerika entkom¬
men und habsn von dort des stolzen Cavaliers Verzeihung sammt klingender Mit¬
gift erwirkt, aber nur unter der Bedingung einer ewigen Verborgenheit und


— Im vorigen Jahrhundert hielt man abgerissene Stücke von der Kleidung
und die sogenannten „Oelflecklein der seligen Electa" sür heilkräftig, sie waren
ein gangbarer Artikel und wurden stark nach Wien und Gratz versendet. Die
„Oelflecklein" sind kleine Wolllappen, getränkt mit einer schmulug gelben, fettigen
Flüssigkeit, welche die Mutter Electa „ausschwitzen" soll.

Die Freigeisrerei Kaiser Josephs des Zweiten respectirte die selige Electa
sammt ihren Oelflecklein sehr wenig. Der Kaiser bestimmte das Kloster Se. Jo¬
seph zur Aufhebung, die Karmeliterinnen mußten dasselbe dem Orden der englischen
Fräulein, die sich durch Jugenderziehung nützlich machten, ohne Säumen ein¬
räumen und konnten sich noch glücklich schätzen, daß man ihnen erlaubte, bis
auf weitere Befehle das soeben aufgehobene Kloster der Barnabitermönche bei
Se. Benedict auf dem Hradschin zu beziehen. Bei ihrer Uebersiedelung ward
ihnen nicht verwehrt, ihre mumificirte Exoberin Electa mitzunehmen. Sie stellten
dieselbe an ihrem neuen Bestimmungsort rechts vom Hochaltar der Benedicts-
lirche in einem düsteren Gewölbe aus. Anfangs war beschlossen, die Karmeli-
icrinnen dürfen keine neuen Novizen mehr aufnehmen und sollen bis zu ihrem
Aussterben der Se. Benedict bleiben. - Unter Kaiser Franz dem Ersten wurde
denselben jedoch wieder erlaubt, sich von Zeit zu Zeit neu zu recrutiren, und so
hat sich denn dieser nur Andachtsübungen und Selbstkasteiungen gewidmete Orden
in Prag ins auf unsere Tage erhalten. Die Nonnen desselben tragen grobe
braune Kulten und schwarze Schleier und sollen barfuß gehen. Das Boll
kennt sie nur unter dem unrichtigen Namen „Barnabiterinnen" und weiß merk¬
würdige Dinge von der Strenge ihrer Klosterregel zu erzählen. Die Nonnen
bei Se. Benedict essen niemals Fleisch, sie leben nur von Fischen, Gemüsen
und Mehlspeisen, ihr Fastengebot ist so streng, daß sie sich statt der Eier und
der Miller des Oels bedienen müssen. Die Elausur ist eng. die Karmeliterin
darf nicht einmal ihre Ellern empfangen. Bei aller Strenge des Ordens soll
es vor mehreren Jahren denn doch einer Bewohnerin dieses Klosters gelungen
se>n, zu'entfliehen, indem sie sich nicht ohne Lebensgefahr von ihrem Geliebten
in der Maste eines Schornsteinfegers durch den Schornstein entführen ließ.
Man erzählt die Geschichte mit verschiedenen romantischen Details, die wir je¬
doch nicht verbürgen wollen. Die Entführte war angeblich die Tochter eines
rü Oestreich überaus mächtigen Kavaliers und wurde heimlich in das Kloster
Se. Benedict gebracht, weil sie einen Lieveshcmdel mit einem bürgerlichen Lieut¬
enant hatte und nicht von ihm lassen wollte. Der Offizier entwarf rasch seinen
Plan, lernte unter fremdem Namen eiligst das Schornsteinfegerhandwert und
vollbrachte mit fast übermenschlicher Anstrengung den kühnen Entführungsplan.
Von den Entflohenen will man wissen, sie seien glücklich nach Amerika entkom¬
men und habsn von dort des stolzen Cavaliers Verzeihung sammt klingender Mit¬
gift erwirkt, aber nur unter der Bedingung einer ewigen Verborgenheit und


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[0112] — Im vorigen Jahrhundert hielt man abgerissene Stücke von der Kleidung und die sogenannten „Oelflecklein der seligen Electa" sür heilkräftig, sie waren ein gangbarer Artikel und wurden stark nach Wien und Gratz versendet. Die „Oelflecklein" sind kleine Wolllappen, getränkt mit einer schmulug gelben, fettigen Flüssigkeit, welche die Mutter Electa „ausschwitzen" soll. Die Freigeisrerei Kaiser Josephs des Zweiten respectirte die selige Electa sammt ihren Oelflecklein sehr wenig. Der Kaiser bestimmte das Kloster Se. Jo¬ seph zur Aufhebung, die Karmeliterinnen mußten dasselbe dem Orden der englischen Fräulein, die sich durch Jugenderziehung nützlich machten, ohne Säumen ein¬ räumen und konnten sich noch glücklich schätzen, daß man ihnen erlaubte, bis auf weitere Befehle das soeben aufgehobene Kloster der Barnabitermönche bei Se. Benedict auf dem Hradschin zu beziehen. Bei ihrer Uebersiedelung ward ihnen nicht verwehrt, ihre mumificirte Exoberin Electa mitzunehmen. Sie stellten dieselbe an ihrem neuen Bestimmungsort rechts vom Hochaltar der Benedicts- lirche in einem düsteren Gewölbe aus. Anfangs war beschlossen, die Karmeli- icrinnen dürfen keine neuen Novizen mehr aufnehmen und sollen bis zu ihrem Aussterben der Se. Benedict bleiben. - Unter Kaiser Franz dem Ersten wurde denselben jedoch wieder erlaubt, sich von Zeit zu Zeit neu zu recrutiren, und so hat sich denn dieser nur Andachtsübungen und Selbstkasteiungen gewidmete Orden in Prag ins auf unsere Tage erhalten. Die Nonnen desselben tragen grobe braune Kulten und schwarze Schleier und sollen barfuß gehen. Das Boll kennt sie nur unter dem unrichtigen Namen „Barnabiterinnen" und weiß merk¬ würdige Dinge von der Strenge ihrer Klosterregel zu erzählen. Die Nonnen bei Se. Benedict essen niemals Fleisch, sie leben nur von Fischen, Gemüsen und Mehlspeisen, ihr Fastengebot ist so streng, daß sie sich statt der Eier und der Miller des Oels bedienen müssen. Die Elausur ist eng. die Karmeliterin darf nicht einmal ihre Ellern empfangen. Bei aller Strenge des Ordens soll es vor mehreren Jahren denn doch einer Bewohnerin dieses Klosters gelungen se>n, zu'entfliehen, indem sie sich nicht ohne Lebensgefahr von ihrem Geliebten in der Maste eines Schornsteinfegers durch den Schornstein entführen ließ. Man erzählt die Geschichte mit verschiedenen romantischen Details, die wir je¬ doch nicht verbürgen wollen. Die Entführte war angeblich die Tochter eines rü Oestreich überaus mächtigen Kavaliers und wurde heimlich in das Kloster Se. Benedict gebracht, weil sie einen Lieveshcmdel mit einem bürgerlichen Lieut¬ enant hatte und nicht von ihm lassen wollte. Der Offizier entwarf rasch seinen Plan, lernte unter fremdem Namen eiligst das Schornsteinfegerhandwert und vollbrachte mit fast übermenschlicher Anstrengung den kühnen Entführungsplan. Von den Entflohenen will man wissen, sie seien glücklich nach Amerika entkom¬ men und habsn von dort des stolzen Cavaliers Verzeihung sammt klingender Mit¬ gift erwirkt, aber nur unter der Bedingung einer ewigen Verborgenheit und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/112>, abgerufen am 06.01.2025.