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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Noch war die Communication mit der Stadt frei, aber jn der Nacht vom
7. Mai wollten die Franzosen den Holm abgreifen, was der Gouverneur
erfahren und deswegen eine Verstärkung hingeschickt hatte. Der Angriff ge¬
schah wirklich. Russen, unter einem Major v. Aelter, 1500 Mann stark mit
15 Geschützen, vertheidigten ihn. Er ging in dieser Nacht verloren -- wie?
ist bis heute nicht genügend aufgeklärt worden. Die Bestürzung der Be¬
satzung von Neufahrwasscr war außerordentlich, und so wenig ich auch davon
verstand, sah ich doch ein, daß es ein großes Unglück für uns war, von der
Festung ganz abgeschnitten zu sein. Ich erinnere mich, daß ein einziger Fi¬
scher aus Neufahrwasser es einige Male wagte, unterm Schutze der Nacht, die
zu dieser Jahreszeit nur kurz und gar nicht finster ist, nach Danzig hin und
zurück zu fahren, um Nachricht zu bringen, das glückte noch ein Mal, aber eines
Morgens kam der Nachen mit der Leiche des braven Schiffers angeschwommen,
und nun hörte alle directe Communication auf. Man hatte das gefürchtet,
und deshalb war unter der Anleitung eines Kaufmannes Gibson schon am
4. Mai ein Telegraph errichtet worden, mittels dessen die Nachrichten, welche
von Pillau und Königsberg einliefen, nach Danzig mitgetheilt wurden. Uns
hatte es an Lebensmitteln und frischem Fleisch nie gefehlt, und auch jetzt man¬
gelte es nie daran, da sie durch Handelsschiffe gebracht wurden, die aber weit
draußen auf der^Rhede bleiben mußten, weil es wegen der französischen Bat¬
terien, von wo aus auf die Schiffe geschossen werden konnte, gefährlich war
in den Hafen einzulaufen.

Eines Tages erfuhren wir, daß ein solches Fahrzeug, ich glaube ein
dänisches, mit Delicatessen auf der Rhede liege. Der Oberfeuerwerker Köhl-
horn forderte mich auf, mit ihm eine Partie dahin zu machen; wir mietheten
ein kleines Boot mit 2 tüchtigen Schiffern und erreichten das fragliche Schiff,
obschon es eine Meile vom Strande ankert"?, in kurzer Zeit, da wir bei dem
günstigen frischen Landwinde das Segel benutzen konnten. Wir amüsirten
uns dort sehr gut, aßen und tranken prächtig und dachten nicht an den Auf¬
bruch, als mit einem Male der Capitain in die Cajüte trat und uns auf¬
forderte, so bald als möglich ans Land zu eilen, weil sich ein Sturm erhöbe
und er nicht wisse, ob er nicht gar die Anker kappen müsse, in welchem Fall
wir mit ihm fahren müßten. Wir eilten aufs Verdeck, und da schwankte das
Schiff bereits so, daß unser Boot immer so lang die Leine war, womit man
es befestigt, vom Schiffe abstand und dann wieder hinangeworfen wurde. Man
mußte den Moment abpassen, wo das Boot an das Schiff schlug, und sich
vom Ende der Strickleiter hineinfallen lassen. Dies wurde denn glücklich
ausgeführt, und wir waren mit unsern Schiffern im Boote. Aber jetzt war
guter Rath theuer. Die Nuder wurden eingesetzt, die See ging sehr hoch, Wind
und Wellen gegen uns. wir wurden bespritzt, dann naß wie die Katzen und
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Noch war die Communication mit der Stadt frei, aber jn der Nacht vom
7. Mai wollten die Franzosen den Holm abgreifen, was der Gouverneur
erfahren und deswegen eine Verstärkung hingeschickt hatte. Der Angriff ge¬
schah wirklich. Russen, unter einem Major v. Aelter, 1500 Mann stark mit
15 Geschützen, vertheidigten ihn. Er ging in dieser Nacht verloren — wie?
ist bis heute nicht genügend aufgeklärt worden. Die Bestürzung der Be¬
satzung von Neufahrwasscr war außerordentlich, und so wenig ich auch davon
verstand, sah ich doch ein, daß es ein großes Unglück für uns war, von der
Festung ganz abgeschnitten zu sein. Ich erinnere mich, daß ein einziger Fi¬
scher aus Neufahrwasser es einige Male wagte, unterm Schutze der Nacht, die
zu dieser Jahreszeit nur kurz und gar nicht finster ist, nach Danzig hin und
zurück zu fahren, um Nachricht zu bringen, das glückte noch ein Mal, aber eines
Morgens kam der Nachen mit der Leiche des braven Schiffers angeschwommen,
und nun hörte alle directe Communication auf. Man hatte das gefürchtet,
und deshalb war unter der Anleitung eines Kaufmannes Gibson schon am
4. Mai ein Telegraph errichtet worden, mittels dessen die Nachrichten, welche
von Pillau und Königsberg einliefen, nach Danzig mitgetheilt wurden. Uns
hatte es an Lebensmitteln und frischem Fleisch nie gefehlt, und auch jetzt man¬
gelte es nie daran, da sie durch Handelsschiffe gebracht wurden, die aber weit
draußen auf der^Rhede bleiben mußten, weil es wegen der französischen Bat¬
terien, von wo aus auf die Schiffe geschossen werden konnte, gefährlich war
in den Hafen einzulaufen.

Eines Tages erfuhren wir, daß ein solches Fahrzeug, ich glaube ein
dänisches, mit Delicatessen auf der Rhede liege. Der Oberfeuerwerker Köhl-
horn forderte mich auf, mit ihm eine Partie dahin zu machen; wir mietheten
ein kleines Boot mit 2 tüchtigen Schiffern und erreichten das fragliche Schiff,
obschon es eine Meile vom Strande ankert«?, in kurzer Zeit, da wir bei dem
günstigen frischen Landwinde das Segel benutzen konnten. Wir amüsirten
uns dort sehr gut, aßen und tranken prächtig und dachten nicht an den Auf¬
bruch, als mit einem Male der Capitain in die Cajüte trat und uns auf¬
forderte, so bald als möglich ans Land zu eilen, weil sich ein Sturm erhöbe
und er nicht wisse, ob er nicht gar die Anker kappen müsse, in welchem Fall
wir mit ihm fahren müßten. Wir eilten aufs Verdeck, und da schwankte das
Schiff bereits so, daß unser Boot immer so lang die Leine war, womit man
es befestigt, vom Schiffe abstand und dann wieder hinangeworfen wurde. Man
mußte den Moment abpassen, wo das Boot an das Schiff schlug, und sich
vom Ende der Strickleiter hineinfallen lassen. Dies wurde denn glücklich
ausgeführt, und wir waren mit unsern Schiffern im Boote. Aber jetzt war
guter Rath theuer. Die Nuder wurden eingesetzt, die See ging sehr hoch, Wind
und Wellen gegen uns. wir wurden bespritzt, dann naß wie die Katzen und
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/64>, abgerufen am 28.12.2024.