Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.trauen gleicht nur zu sehr der Sibylle, welche ihre Bücher zum Kauf bietet. Jetzt beginnt die ernste Zeit der Erfahrungen sowohl für die Krone, als Es ist vielleicht hart, daß das Geschick dem milden und guten Herrn, wel¬ 66*
trauen gleicht nur zu sehr der Sibylle, welche ihre Bücher zum Kauf bietet. Jetzt beginnt die ernste Zeit der Erfahrungen sowohl für die Krone, als Es ist vielleicht hart, daß das Geschick dem milden und guten Herrn, wel¬ 66*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0531" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113773"/> <p xml:id="ID_1680" prev="#ID_1679"> trauen gleicht nur zu sehr der Sibylle, welche ihre Bücher zum Kauf bietet.<lb/> Je länger das Zaudern, desto geringer wird ihre Gegenleistung, während die Forderung<lb/> dieselbe bleibt, ja sich steigert. Denn auch die Führer der Parteien stehen unter<lb/> dem Einfluß der Stunde, schärfer sind die Gegensätze gespannt, größer ist das<lb/> Mißtrauen geworden.- der stille Schmerz über Enttäuschungen, welche die nächste<lb/> Vergangenheit brachte, hat das Begehren gesteigert. So würde jetzt auch ein<lb/> liberales Ministerium eine schwierige Stellung zu der Krone und zu der Volks¬<lb/> vertretung gehabt haben. Wir hoffen allerdings in nicht ferner Zeit die Fünf<lb/> wieder im Rath der Krone zu sehen, aber das darf nur unter ganz veränder¬<lb/> ten Verhältnissen geschehen, die ihre Hirse verdienstlicher, ihre Freiheit größer<lb/> machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1681"> Jetzt beginnt die ernste Zeit der Erfahrungen sowohl für die Krone, als<lb/> für das preußische Volt. Der Gegensatz zwischen den Neigungen der höchsten<lb/> Staatsgewalt und allen liberalen Fractionen des Volkes ist offen ausgesprochen.<lb/> Es ist ein Kampf, der in Preußen nicht neu ist, aber zum ersten Mal in den<lb/> Versammlungen, der Presse und der Tribüne offen und loyal ausgekämpft wer¬<lb/> den wird. Kein Zweifel, welcher Seite der Sieg werden muß. Selbst dem<lb/> Fremden, der in die Zustände Preußens hineinblickt, wird ohne Mühe deutlich,<lb/> daß die liberalen Parteien für die nächste Zukunft nicht nur die beste Be¬<lb/> rechtigung haben, sondern daß jede Rücksicht auf die höchsten Interessen des<lb/> Staates die Herrscher Preußens bestimmen muß, sich mit ihren Forderungen zu<lb/> befreunden. Denn alle Abweichung von solchem Wege ist gerade jetzt so gefähr¬<lb/> lich geworden, daß es auch talentvollen Beamten eines zurückstauenden Mimi»<lb/> steriums unmöglich wird, im Innern und nach außen etwas wesentlich Nützliches<lb/> durchzusetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1682" next="#ID_1683"> Es ist vielleicht hart, daß das Geschick dem milden und guten Herrn, wel¬<lb/> cher jetzt die Krone trägt, in seinem höhern Lebensalter die bittersten Erfah¬<lb/> rungen für das Gemüth eines Herrschers auferlegt, die Verpflichtung, mit einer<lb/> neuen Macht verhandeln zu müssen, die in seiner Jugend noch gar nicht vorhanden<lb/> war, die er zu achten und zu scheuen noch nicht übergroße Veranlassung gehabt bat.<lb/> Wie lange ists her, daß ihn das Volk als seine Hoffnung, sein Glück, den<lb/> Bringer einer neuen Zeit begrüßte! Ungewöhnlich schnell ist diese Poesie aus<lb/> seinem ehrlichen Leben geschwunden. Dieselben Männer, welche ihm vor kur¬<lb/> zem so vertrauend zujauchzten, stimmen, schreiben, agitiren gegen einige sei¬<lb/> ner liebsten Pläne! — Diejenigen aber, welche jetzt den zweiten Sohn<lb/> Friedrich Wilhelm des Dritten umgeben, haben kein Recht deshalb das Volk<lb/> und die Gegenwart anzuklagen, nur die öde, kleine, geistvolle Vergangenheit<lb/> seines Staates. Denn der deutschen Natur ist eigen, daß sie mit freudiger Hin¬<lb/> gabe sich der Gewalt unterordnet, welche ihr eine große Idee, Wärme und Begeiste¬<lb/> rung zu geben Dermag, daß sie aber sehr leicht gereizt und verstimmt in mürri-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 66*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0531]
trauen gleicht nur zu sehr der Sibylle, welche ihre Bücher zum Kauf bietet.
Je länger das Zaudern, desto geringer wird ihre Gegenleistung, während die Forderung
dieselbe bleibt, ja sich steigert. Denn auch die Führer der Parteien stehen unter
dem Einfluß der Stunde, schärfer sind die Gegensätze gespannt, größer ist das
Mißtrauen geworden.- der stille Schmerz über Enttäuschungen, welche die nächste
Vergangenheit brachte, hat das Begehren gesteigert. So würde jetzt auch ein
liberales Ministerium eine schwierige Stellung zu der Krone und zu der Volks¬
vertretung gehabt haben. Wir hoffen allerdings in nicht ferner Zeit die Fünf
wieder im Rath der Krone zu sehen, aber das darf nur unter ganz veränder¬
ten Verhältnissen geschehen, die ihre Hirse verdienstlicher, ihre Freiheit größer
machen.
Jetzt beginnt die ernste Zeit der Erfahrungen sowohl für die Krone, als
für das preußische Volt. Der Gegensatz zwischen den Neigungen der höchsten
Staatsgewalt und allen liberalen Fractionen des Volkes ist offen ausgesprochen.
Es ist ein Kampf, der in Preußen nicht neu ist, aber zum ersten Mal in den
Versammlungen, der Presse und der Tribüne offen und loyal ausgekämpft wer¬
den wird. Kein Zweifel, welcher Seite der Sieg werden muß. Selbst dem
Fremden, der in die Zustände Preußens hineinblickt, wird ohne Mühe deutlich,
daß die liberalen Parteien für die nächste Zukunft nicht nur die beste Be¬
rechtigung haben, sondern daß jede Rücksicht auf die höchsten Interessen des
Staates die Herrscher Preußens bestimmen muß, sich mit ihren Forderungen zu
befreunden. Denn alle Abweichung von solchem Wege ist gerade jetzt so gefähr¬
lich geworden, daß es auch talentvollen Beamten eines zurückstauenden Mimi»
steriums unmöglich wird, im Innern und nach außen etwas wesentlich Nützliches
durchzusetzen.
Es ist vielleicht hart, daß das Geschick dem milden und guten Herrn, wel¬
cher jetzt die Krone trägt, in seinem höhern Lebensalter die bittersten Erfah¬
rungen für das Gemüth eines Herrschers auferlegt, die Verpflichtung, mit einer
neuen Macht verhandeln zu müssen, die in seiner Jugend noch gar nicht vorhanden
war, die er zu achten und zu scheuen noch nicht übergroße Veranlassung gehabt bat.
Wie lange ists her, daß ihn das Volk als seine Hoffnung, sein Glück, den
Bringer einer neuen Zeit begrüßte! Ungewöhnlich schnell ist diese Poesie aus
seinem ehrlichen Leben geschwunden. Dieselben Männer, welche ihm vor kur¬
zem so vertrauend zujauchzten, stimmen, schreiben, agitiren gegen einige sei¬
ner liebsten Pläne! — Diejenigen aber, welche jetzt den zweiten Sohn
Friedrich Wilhelm des Dritten umgeben, haben kein Recht deshalb das Volk
und die Gegenwart anzuklagen, nur die öde, kleine, geistvolle Vergangenheit
seines Staates. Denn der deutschen Natur ist eigen, daß sie mit freudiger Hin¬
gabe sich der Gewalt unterordnet, welche ihr eine große Idee, Wärme und Begeiste¬
rung zu geben Dermag, daß sie aber sehr leicht gereizt und verstimmt in mürri-
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