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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Zugleich zeigt eine einfache Vergleichung, daß der rothe Streifen des Ban¬
des dem wahren Orte des Spaltes am nächsten liegt, also am wenigsten abge¬
lenkt oder gebrochen ist, während das violette Ende des Bandes am weitesten
unten, also am meisten von dem wahren Orte des Spaltes entfernt ist. Mit
anderen Worten: Ein Theil der Lichtstrahlen, welche vom Spalt her durch das
Prisma zum Auge kommen, ist weniger, andere mehr gebrochen und zugleich
sind die wenigst abgelenkten roth, die am stärksten abgelenkten violett gefärbt, da¬
her ist es in der Optik Sprachgebrauch geworden, Farbe und Brechung des Lich¬
tes als gleichbedeutend zu betrachten.

Eine weitere Erwägung der oben beschriebenen Erscheinung zeigt nun ferner,
daß die verschieden gefärbten Strahlen des leuchtenden Bandes, bevor sie in das
Prisma sielen, mit einander gemengt waren und keine Färbung erkennen lie¬
ßen, nach ihrem Austritt auf der anderen Seite des Prisma's sind sie nicht nur
getrennt, sondern es zeigt auch jeder seine besondere Färbung. Nun hat aber
in dem Prisma gar .nichts Anderes stattgefunden, als eine verschiedene Ab¬
lenkung der verschieden gefärbten Strahlen, die vorher vereinigt waren; dadurch
daß die einen Strahlen weniger abgelenkt oder gebrochen wurden als die an¬
deren, ist jeder für sich sichtbar gemacht. Das farbige Band enthält also noch
dieselben Lichtstrahlen, welche aus dem Spalte kommen, aber sie sind nicht mehr
vereinigt, sondern neben einander gelegt und daher ist das farbige Band auch
viel länger als der Spalt bereit ist. Vermöge der Eigenthümlichkeit der ver¬
schiedenen Lichtstrahlen, welche im Tageslicht enthalten sind, sich durch ein
Prisma mehr oder weniger ablenken zu lassen, gelingt es, die einzelnen Strah¬
len jeden für sich zu sehen, jeden in seiner eigenen Farbe und jeden an dem
Orte, der ihm vermöge seiner Brechbarkeit im Verhältniß zu den anderen zu¬
kommt.

Das farbige Band nun, welches man durch ein Prisma nach einem leuch¬
tenden Spalt hinsehend erblickt, nennt man ein Spectrum; und diesen Begriff
nebst den oben gemachten Bemerkungen muß man festhalten,, wenn man die
folgenden Entdeckungen recht verstehen will. Natürlich kann hinter dem Spalt
auch eine leuchtende Flamme oder ein glänzender Draht u. s. w. sich befinden,
dann sieht man ebenfalls ein Spectrum, aber je nach der Flamme, welche das
Licht erzeugt, ist das Spectrum in seiner Länge und Färbung ein anderes.
Man wird es daher richtig zu deuten wissen, wenn wir im Folgenden von
Sonnenspectrum, Flammenspectrum u. s. w. reden.

Wenn man unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln, deren Beschreibung
indessen zum Verständniß des Folgenden unnöthig ist. das Sonnenspectrum,
wie Frauenhofer zuerst that, mit einem vergrößernden Fernrohr betrachtet, so
erblickt man in dem Spectrum eine Anzahl dunkler Linien, welche mit der
lichtgebenden Spalte parallel sind und in den verschieden gefärbten Streifen des


Zugleich zeigt eine einfache Vergleichung, daß der rothe Streifen des Ban¬
des dem wahren Orte des Spaltes am nächsten liegt, also am wenigsten abge¬
lenkt oder gebrochen ist, während das violette Ende des Bandes am weitesten
unten, also am meisten von dem wahren Orte des Spaltes entfernt ist. Mit
anderen Worten: Ein Theil der Lichtstrahlen, welche vom Spalt her durch das
Prisma zum Auge kommen, ist weniger, andere mehr gebrochen und zugleich
sind die wenigst abgelenkten roth, die am stärksten abgelenkten violett gefärbt, da¬
her ist es in der Optik Sprachgebrauch geworden, Farbe und Brechung des Lich¬
tes als gleichbedeutend zu betrachten.

Eine weitere Erwägung der oben beschriebenen Erscheinung zeigt nun ferner,
daß die verschieden gefärbten Strahlen des leuchtenden Bandes, bevor sie in das
Prisma sielen, mit einander gemengt waren und keine Färbung erkennen lie¬
ßen, nach ihrem Austritt auf der anderen Seite des Prisma's sind sie nicht nur
getrennt, sondern es zeigt auch jeder seine besondere Färbung. Nun hat aber
in dem Prisma gar .nichts Anderes stattgefunden, als eine verschiedene Ab¬
lenkung der verschieden gefärbten Strahlen, die vorher vereinigt waren; dadurch
daß die einen Strahlen weniger abgelenkt oder gebrochen wurden als die an¬
deren, ist jeder für sich sichtbar gemacht. Das farbige Band enthält also noch
dieselben Lichtstrahlen, welche aus dem Spalte kommen, aber sie sind nicht mehr
vereinigt, sondern neben einander gelegt und daher ist das farbige Band auch
viel länger als der Spalt bereit ist. Vermöge der Eigenthümlichkeit der ver¬
schiedenen Lichtstrahlen, welche im Tageslicht enthalten sind, sich durch ein
Prisma mehr oder weniger ablenken zu lassen, gelingt es, die einzelnen Strah¬
len jeden für sich zu sehen, jeden in seiner eigenen Farbe und jeden an dem
Orte, der ihm vermöge seiner Brechbarkeit im Verhältniß zu den anderen zu¬
kommt.

Das farbige Band nun, welches man durch ein Prisma nach einem leuch¬
tenden Spalt hinsehend erblickt, nennt man ein Spectrum; und diesen Begriff
nebst den oben gemachten Bemerkungen muß man festhalten,, wenn man die
folgenden Entdeckungen recht verstehen will. Natürlich kann hinter dem Spalt
auch eine leuchtende Flamme oder ein glänzender Draht u. s. w. sich befinden,
dann sieht man ebenfalls ein Spectrum, aber je nach der Flamme, welche das
Licht erzeugt, ist das Spectrum in seiner Länge und Färbung ein anderes.
Man wird es daher richtig zu deuten wissen, wenn wir im Folgenden von
Sonnenspectrum, Flammenspectrum u. s. w. reden.

Wenn man unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln, deren Beschreibung
indessen zum Verständniß des Folgenden unnöthig ist. das Sonnenspectrum,
wie Frauenhofer zuerst that, mit einem vergrößernden Fernrohr betrachtet, so
erblickt man in dem Spectrum eine Anzahl dunkler Linien, welche mit der
lichtgebenden Spalte parallel sind und in den verschieden gefärbten Streifen des


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[0508] Zugleich zeigt eine einfache Vergleichung, daß der rothe Streifen des Ban¬ des dem wahren Orte des Spaltes am nächsten liegt, also am wenigsten abge¬ lenkt oder gebrochen ist, während das violette Ende des Bandes am weitesten unten, also am meisten von dem wahren Orte des Spaltes entfernt ist. Mit anderen Worten: Ein Theil der Lichtstrahlen, welche vom Spalt her durch das Prisma zum Auge kommen, ist weniger, andere mehr gebrochen und zugleich sind die wenigst abgelenkten roth, die am stärksten abgelenkten violett gefärbt, da¬ her ist es in der Optik Sprachgebrauch geworden, Farbe und Brechung des Lich¬ tes als gleichbedeutend zu betrachten. Eine weitere Erwägung der oben beschriebenen Erscheinung zeigt nun ferner, daß die verschieden gefärbten Strahlen des leuchtenden Bandes, bevor sie in das Prisma sielen, mit einander gemengt waren und keine Färbung erkennen lie¬ ßen, nach ihrem Austritt auf der anderen Seite des Prisma's sind sie nicht nur getrennt, sondern es zeigt auch jeder seine besondere Färbung. Nun hat aber in dem Prisma gar .nichts Anderes stattgefunden, als eine verschiedene Ab¬ lenkung der verschieden gefärbten Strahlen, die vorher vereinigt waren; dadurch daß die einen Strahlen weniger abgelenkt oder gebrochen wurden als die an¬ deren, ist jeder für sich sichtbar gemacht. Das farbige Band enthält also noch dieselben Lichtstrahlen, welche aus dem Spalte kommen, aber sie sind nicht mehr vereinigt, sondern neben einander gelegt und daher ist das farbige Band auch viel länger als der Spalt bereit ist. Vermöge der Eigenthümlichkeit der ver¬ schiedenen Lichtstrahlen, welche im Tageslicht enthalten sind, sich durch ein Prisma mehr oder weniger ablenken zu lassen, gelingt es, die einzelnen Strah¬ len jeden für sich zu sehen, jeden in seiner eigenen Farbe und jeden an dem Orte, der ihm vermöge seiner Brechbarkeit im Verhältniß zu den anderen zu¬ kommt. Das farbige Band nun, welches man durch ein Prisma nach einem leuch¬ tenden Spalt hinsehend erblickt, nennt man ein Spectrum; und diesen Begriff nebst den oben gemachten Bemerkungen muß man festhalten,, wenn man die folgenden Entdeckungen recht verstehen will. Natürlich kann hinter dem Spalt auch eine leuchtende Flamme oder ein glänzender Draht u. s. w. sich befinden, dann sieht man ebenfalls ein Spectrum, aber je nach der Flamme, welche das Licht erzeugt, ist das Spectrum in seiner Länge und Färbung ein anderes. Man wird es daher richtig zu deuten wissen, wenn wir im Folgenden von Sonnenspectrum, Flammenspectrum u. s. w. reden. Wenn man unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln, deren Beschreibung indessen zum Verständniß des Folgenden unnöthig ist. das Sonnenspectrum, wie Frauenhofer zuerst that, mit einem vergrößernden Fernrohr betrachtet, so erblickt man in dem Spectrum eine Anzahl dunkler Linien, welche mit der lichtgebenden Spalte parallel sind und in den verschieden gefärbten Streifen des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/508>, abgerufen am 23.07.2024.