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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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ihm das Treiben Montanelli's und Guerrazzi's verkehrt erschien. Er wurde
Mitglied der Regierungscommission, die den Großherzog zurückrief; als jedoch
Leopold die Oestreicher mitbrachte, forderte der Baron sofort seine Entlassung,
begab sich wieder auf seine Burg Brolio und zog die Zugbrücke hinter sich auf.
Zehn Jahre lang beschäftigte er sich nun mit Austrocknung der Maremmen,
und da er die Sache mit Ernst und Umsicht auffaßte und sich mit seinen Bauern
selbst an die Arbeit machte, so erzielte er wunderbare Erfolge, während der
Großherzog, auf dessen Seite jene Eigenschaften mangelten, mit dem gleichen
Unternehmen wenig oder nichts erreichte.

Das Jahr der Befreiung kam, 1859. In Florenz beriethen die Liberalen
eine Sturmpetition, welche die nothwendigen Reformen erzwingen sollte. Rica-
soli widersehte sich. "Wer soll die Adresse überbringen?" rief der stolze Herr.
"Ich nicht!" Und die Adresse wurde verworfen, Toscana wandte sich dem ge¬
krönten Soldaten Italiens zu, und der Großherzog verließ Ende April Resi¬
denz und Land, welches von da an von Buoncampagni und Ricasoli, von Letz¬
terem als Minister des Innern, im Namen Victor Emanuels verwaltet
wurde.

Selten wurde eines Amts mannhafter und zugleich milder gewartet, selten
treue Tüchtigkeit mit mehr Vertrauen von Seiten des Volkes vergolten, mit
besserm Erfolg gekrönt. Uebergangszustände, wie sie jetzt in Neapel vorkom¬
men, sind in Toscana nicht zu bemerken gewesen, und wenn es Schwierig¬
keiten gab, so waren sie vom Ausland geschaffen. Man weiß, weshalb der
Prinz Napoleon mit einem Armeecorps nach Livorno und Florenz geschickt
wurde, weshalb Frankreich lange Zeit die Einverleibung Toscana's in Piemont
verweigerte, weshalb die Herren Reizet und Poniatowski hier herumhorchten
und flüsterten. Aber diese französischen Agenten trafen in Ricasoli ihren Mann.
Als einer derselben ihm wieder einmal mit Anträgen und Vorschlägen zusetzte,
fuhr der Baron heraus: "Da Su so eindringlich mit mir verhandeln, so er¬
kennen Sie mich doch als Landesregierung an?" -- "Das thun wir durch¬
aus nicht," war die Antwort. -- "Nun Wohl", versetzte jener, "ich meiner¬
seits erkenne Sie ebensowenig an." Nicht weniger standhaft verfuhr Ricasoli
gegen Mazzini und dessen Plan, von Toscana die Revolution irach dem
Kirchenstaat hinüberzuspielen. Er machte dieses Unternehmen, sobald er
davon vernommen, zu Schande und trieb die Sendlinge des Agitators über
die Grenze.

So nach beiden Seiten hin geharnischt gegen die Feinde seiner Ueber¬
zeugung brachte er die Einverleibung des Großherzogthums in das Königreich
,Italien, erst als Minister, dann als Generalgouvemeur wirkend, immer die
Seele der toscanischen Regierung, im Lauf von zwei Jahren glücklich zu Stande.
Von Beibehaltung der Autonomie wollte er nichts hören. In Paris hatte


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ihm das Treiben Montanelli's und Guerrazzi's verkehrt erschien. Er wurde
Mitglied der Regierungscommission, die den Großherzog zurückrief; als jedoch
Leopold die Oestreicher mitbrachte, forderte der Baron sofort seine Entlassung,
begab sich wieder auf seine Burg Brolio und zog die Zugbrücke hinter sich auf.
Zehn Jahre lang beschäftigte er sich nun mit Austrocknung der Maremmen,
und da er die Sache mit Ernst und Umsicht auffaßte und sich mit seinen Bauern
selbst an die Arbeit machte, so erzielte er wunderbare Erfolge, während der
Großherzog, auf dessen Seite jene Eigenschaften mangelten, mit dem gleichen
Unternehmen wenig oder nichts erreichte.

Das Jahr der Befreiung kam, 1859. In Florenz beriethen die Liberalen
eine Sturmpetition, welche die nothwendigen Reformen erzwingen sollte. Rica-
soli widersehte sich. „Wer soll die Adresse überbringen?" rief der stolze Herr.
„Ich nicht!" Und die Adresse wurde verworfen, Toscana wandte sich dem ge¬
krönten Soldaten Italiens zu, und der Großherzog verließ Ende April Resi¬
denz und Land, welches von da an von Buoncampagni und Ricasoli, von Letz¬
terem als Minister des Innern, im Namen Victor Emanuels verwaltet
wurde.

Selten wurde eines Amts mannhafter und zugleich milder gewartet, selten
treue Tüchtigkeit mit mehr Vertrauen von Seiten des Volkes vergolten, mit
besserm Erfolg gekrönt. Uebergangszustände, wie sie jetzt in Neapel vorkom¬
men, sind in Toscana nicht zu bemerken gewesen, und wenn es Schwierig¬
keiten gab, so waren sie vom Ausland geschaffen. Man weiß, weshalb der
Prinz Napoleon mit einem Armeecorps nach Livorno und Florenz geschickt
wurde, weshalb Frankreich lange Zeit die Einverleibung Toscana's in Piemont
verweigerte, weshalb die Herren Reizet und Poniatowski hier herumhorchten
und flüsterten. Aber diese französischen Agenten trafen in Ricasoli ihren Mann.
Als einer derselben ihm wieder einmal mit Anträgen und Vorschlägen zusetzte,
fuhr der Baron heraus: „Da Su so eindringlich mit mir verhandeln, so er¬
kennen Sie mich doch als Landesregierung an?" — „Das thun wir durch¬
aus nicht," war die Antwort. — „Nun Wohl", versetzte jener, „ich meiner¬
seits erkenne Sie ebensowenig an." Nicht weniger standhaft verfuhr Ricasoli
gegen Mazzini und dessen Plan, von Toscana die Revolution irach dem
Kirchenstaat hinüberzuspielen. Er machte dieses Unternehmen, sobald er
davon vernommen, zu Schande und trieb die Sendlinge des Agitators über
die Grenze.

So nach beiden Seiten hin geharnischt gegen die Feinde seiner Ueber¬
zeugung brachte er die Einverleibung des Großherzogthums in das Königreich
,Italien, erst als Minister, dann als Generalgouvemeur wirkend, immer die
Seele der toscanischen Regierung, im Lauf von zwei Jahren glücklich zu Stande.
Von Beibehaltung der Autonomie wollte er nichts hören. In Paris hatte


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[0491] ihm das Treiben Montanelli's und Guerrazzi's verkehrt erschien. Er wurde Mitglied der Regierungscommission, die den Großherzog zurückrief; als jedoch Leopold die Oestreicher mitbrachte, forderte der Baron sofort seine Entlassung, begab sich wieder auf seine Burg Brolio und zog die Zugbrücke hinter sich auf. Zehn Jahre lang beschäftigte er sich nun mit Austrocknung der Maremmen, und da er die Sache mit Ernst und Umsicht auffaßte und sich mit seinen Bauern selbst an die Arbeit machte, so erzielte er wunderbare Erfolge, während der Großherzog, auf dessen Seite jene Eigenschaften mangelten, mit dem gleichen Unternehmen wenig oder nichts erreichte. Das Jahr der Befreiung kam, 1859. In Florenz beriethen die Liberalen eine Sturmpetition, welche die nothwendigen Reformen erzwingen sollte. Rica- soli widersehte sich. „Wer soll die Adresse überbringen?" rief der stolze Herr. „Ich nicht!" Und die Adresse wurde verworfen, Toscana wandte sich dem ge¬ krönten Soldaten Italiens zu, und der Großherzog verließ Ende April Resi¬ denz und Land, welches von da an von Buoncampagni und Ricasoli, von Letz¬ terem als Minister des Innern, im Namen Victor Emanuels verwaltet wurde. Selten wurde eines Amts mannhafter und zugleich milder gewartet, selten treue Tüchtigkeit mit mehr Vertrauen von Seiten des Volkes vergolten, mit besserm Erfolg gekrönt. Uebergangszustände, wie sie jetzt in Neapel vorkom¬ men, sind in Toscana nicht zu bemerken gewesen, und wenn es Schwierig¬ keiten gab, so waren sie vom Ausland geschaffen. Man weiß, weshalb der Prinz Napoleon mit einem Armeecorps nach Livorno und Florenz geschickt wurde, weshalb Frankreich lange Zeit die Einverleibung Toscana's in Piemont verweigerte, weshalb die Herren Reizet und Poniatowski hier herumhorchten und flüsterten. Aber diese französischen Agenten trafen in Ricasoli ihren Mann. Als einer derselben ihm wieder einmal mit Anträgen und Vorschlägen zusetzte, fuhr der Baron heraus: „Da Su so eindringlich mit mir verhandeln, so er¬ kennen Sie mich doch als Landesregierung an?" — „Das thun wir durch¬ aus nicht," war die Antwort. — „Nun Wohl", versetzte jener, „ich meiner¬ seits erkenne Sie ebensowenig an." Nicht weniger standhaft verfuhr Ricasoli gegen Mazzini und dessen Plan, von Toscana die Revolution irach dem Kirchenstaat hinüberzuspielen. Er machte dieses Unternehmen, sobald er davon vernommen, zu Schande und trieb die Sendlinge des Agitators über die Grenze. So nach beiden Seiten hin geharnischt gegen die Feinde seiner Ueber¬ zeugung brachte er die Einverleibung des Großherzogthums in das Königreich ,Italien, erst als Minister, dann als Generalgouvemeur wirkend, immer die Seele der toscanischen Regierung, im Lauf von zwei Jahren glücklich zu Stande. Von Beibehaltung der Autonomie wollte er nichts hören. In Paris hatte 61*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/491>, abgerufen am 28.12.2024.