Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Apolloinsel nicht zu entweihen, ihre Todtenstätte hatten, und holen sich, allen
Verboten der Regierung zum Spott, aus den weit und breit verstreuten Trüm¬
mern der Städte der Lebendigen wie der Todten ihren Bedarf an Marmor¬
stücken, mit oder ohne Inschriften, mit oder ohne Reliefs, wie es sich gerade
trifft, um -- den Kalk für ihre Gebäude daraus zu brennen. -- Noch eine
andre Bestimmung des Antiquitütengesetzes, nach welcher kein Nest des Alter¬
thums aus dem Lande geführt werden darf, ist von einer Engherzigkeit, wel¬
cher weder die päpstliche, noch irgend eine andre der italienischen Regierungen
etwas Aehnliches an die Seite zu setzen hat, und dabei eben durch ihren Ri¬
gorismus unausführbar. Erreicht wird dadurch nichts, als daß heimlich aus¬
geführt wird, was öffentlich fortzuschaffen nicht gestattet ist, und daß es den
so ins Ausland gebrachten Kunstwerken an dem Ursprungszeugniß gebricht,
welches für die Erkenntniß des Zusammenhangs, in welchem dieselben ge.
schaffen worden, und daher für die gerechte Würdigung ihres Werthes so
überaus wünschenswert!), ja nothwendig ist. In den verschiedenen Museen
Europas befinden sich viele Werke, aus deren griechischem Ursprung kein Hehl
gemacht wird; wie viele mögen noch daneben dort sein, denen die Illegiti¬
mität der Erwerbung dieses Heimathszeugniß entzieht und deren Werth für
wissenschaftliche Benutzung durch diesen Mangel bedeutend geschmälert wird!
Jeder Fremde nimmt aus Griechenland diese oder jene Reliquie alter Kunst
mit in die Heimat!); in Aegion, dem einstigen Sitz des Bundeshciligthums
von Achaja, lagen in dem Keller eines Handlungshauses einige schöne Sta¬
tuen, in Kisten wohl verpackt, um vorangegangenen Genossen nach England
zu folgen: sollte Aegion der einzige Ausfuhrplatz für solche Waare sein? --

Es ist ein Nachtbild, welches wir entworfen haben, aber, wir können es
getrost sagen, in keinem Zuge entstellt. Möchte doch die griechische Negierung
zur Einsicht kommen, daß um den angedeuteten Uebelständen abzuhelfen zwei
Mittel unerläßlich sind: der schleunige Bau eines Museums in Athen, das
wahrlich ein dringenderes Bedürfniß ist als die Errichtung eines Akademiege-
büudes, und eine verständigere und umsichtigere Fürsorge für die Alterthümer
im ganzen Königreich, unterstützt durch ein revidirtes Antiquitätengesetz, dessen
Grundzüge längst von einem erfahrenen Kenner der einschlagenden Verhält¬
nisse entworfen sind. Der Staat gestatte einem Jeden, auf eignem Grund
und Boden nach Herzenslust Ausgrabungen vorzunehmen, behalte sich aber
-das Vorkaufsrecht vor; alle Denkmäler von historischer oder nationaler Bedeu¬
tung oder von hervorragendem künstlerischen Werth erhalte er ausnahmslos
dem Lande, bei denjenigen Werken aber, welche, wie die Grabreliefs oder
fabrikmäßigen Grabstatuen, mehr dem Kunghandwerk als der freien Kunst
angehören, und von denen wenige Exemplare fast denselben Werth haben wie
die ganze Reihe, jedenfalls genügen, um die Gattung zu reprüsentiren, bei


59"

Apolloinsel nicht zu entweihen, ihre Todtenstätte hatten, und holen sich, allen
Verboten der Regierung zum Spott, aus den weit und breit verstreuten Trüm¬
mern der Städte der Lebendigen wie der Todten ihren Bedarf an Marmor¬
stücken, mit oder ohne Inschriften, mit oder ohne Reliefs, wie es sich gerade
trifft, um — den Kalk für ihre Gebäude daraus zu brennen. — Noch eine
andre Bestimmung des Antiquitütengesetzes, nach welcher kein Nest des Alter¬
thums aus dem Lande geführt werden darf, ist von einer Engherzigkeit, wel¬
cher weder die päpstliche, noch irgend eine andre der italienischen Regierungen
etwas Aehnliches an die Seite zu setzen hat, und dabei eben durch ihren Ri¬
gorismus unausführbar. Erreicht wird dadurch nichts, als daß heimlich aus¬
geführt wird, was öffentlich fortzuschaffen nicht gestattet ist, und daß es den
so ins Ausland gebrachten Kunstwerken an dem Ursprungszeugniß gebricht,
welches für die Erkenntniß des Zusammenhangs, in welchem dieselben ge.
schaffen worden, und daher für die gerechte Würdigung ihres Werthes so
überaus wünschenswert!), ja nothwendig ist. In den verschiedenen Museen
Europas befinden sich viele Werke, aus deren griechischem Ursprung kein Hehl
gemacht wird; wie viele mögen noch daneben dort sein, denen die Illegiti¬
mität der Erwerbung dieses Heimathszeugniß entzieht und deren Werth für
wissenschaftliche Benutzung durch diesen Mangel bedeutend geschmälert wird!
Jeder Fremde nimmt aus Griechenland diese oder jene Reliquie alter Kunst
mit in die Heimat!); in Aegion, dem einstigen Sitz des Bundeshciligthums
von Achaja, lagen in dem Keller eines Handlungshauses einige schöne Sta¬
tuen, in Kisten wohl verpackt, um vorangegangenen Genossen nach England
zu folgen: sollte Aegion der einzige Ausfuhrplatz für solche Waare sein? —

Es ist ein Nachtbild, welches wir entworfen haben, aber, wir können es
getrost sagen, in keinem Zuge entstellt. Möchte doch die griechische Negierung
zur Einsicht kommen, daß um den angedeuteten Uebelständen abzuhelfen zwei
Mittel unerläßlich sind: der schleunige Bau eines Museums in Athen, das
wahrlich ein dringenderes Bedürfniß ist als die Errichtung eines Akademiege-
büudes, und eine verständigere und umsichtigere Fürsorge für die Alterthümer
im ganzen Königreich, unterstützt durch ein revidirtes Antiquitätengesetz, dessen
Grundzüge längst von einem erfahrenen Kenner der einschlagenden Verhält¬
nisse entworfen sind. Der Staat gestatte einem Jeden, auf eignem Grund
und Boden nach Herzenslust Ausgrabungen vorzunehmen, behalte sich aber
-das Vorkaufsrecht vor; alle Denkmäler von historischer oder nationaler Bedeu¬
tung oder von hervorragendem künstlerischen Werth erhalte er ausnahmslos
dem Lande, bei denjenigen Werken aber, welche, wie die Grabreliefs oder
fabrikmäßigen Grabstatuen, mehr dem Kunghandwerk als der freien Kunst
angehören, und von denen wenige Exemplare fast denselben Werth haben wie
die ganze Reihe, jedenfalls genügen, um die Gattung zu reprüsentiren, bei


59"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113717"/>
          <p xml:id="ID_1498" prev="#ID_1497"> Apolloinsel nicht zu entweihen, ihre Todtenstätte hatten, und holen sich, allen<lb/>
Verboten der Regierung zum Spott, aus den weit und breit verstreuten Trüm¬<lb/>
mern der Städte der Lebendigen wie der Todten ihren Bedarf an Marmor¬<lb/>
stücken, mit oder ohne Inschriften, mit oder ohne Reliefs, wie es sich gerade<lb/>
trifft, um &#x2014; den Kalk für ihre Gebäude daraus zu brennen. &#x2014; Noch eine<lb/>
andre Bestimmung des Antiquitütengesetzes, nach welcher kein Nest des Alter¬<lb/>
thums aus dem Lande geführt werden darf, ist von einer Engherzigkeit, wel¬<lb/>
cher weder die päpstliche, noch irgend eine andre der italienischen Regierungen<lb/>
etwas Aehnliches an die Seite zu setzen hat, und dabei eben durch ihren Ri¬<lb/>
gorismus unausführbar. Erreicht wird dadurch nichts, als daß heimlich aus¬<lb/>
geführt wird, was öffentlich fortzuschaffen nicht gestattet ist, und daß es den<lb/>
so ins Ausland gebrachten Kunstwerken an dem Ursprungszeugniß gebricht,<lb/>
welches für die Erkenntniß des Zusammenhangs, in welchem dieselben ge.<lb/>
schaffen worden, und daher für die gerechte Würdigung ihres Werthes so<lb/>
überaus wünschenswert!), ja nothwendig ist.  In den verschiedenen Museen<lb/>
Europas befinden sich viele Werke, aus deren griechischem Ursprung kein Hehl<lb/>
gemacht wird; wie viele mögen noch daneben dort sein, denen die Illegiti¬<lb/>
mität der Erwerbung dieses Heimathszeugniß entzieht und deren Werth für<lb/>
wissenschaftliche Benutzung durch diesen Mangel bedeutend geschmälert wird!<lb/>
Jeder Fremde nimmt aus Griechenland diese oder jene Reliquie alter Kunst<lb/>
mit in die Heimat!); in Aegion, dem einstigen Sitz des Bundeshciligthums<lb/>
von Achaja, lagen in dem Keller eines Handlungshauses einige schöne Sta¬<lb/>
tuen, in Kisten wohl verpackt, um vorangegangenen Genossen nach England<lb/>
zu folgen: sollte Aegion der einzige Ausfuhrplatz für solche Waare sein? &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1499" next="#ID_1500"> Es ist ein Nachtbild, welches wir entworfen haben, aber, wir können es<lb/>
getrost sagen, in keinem Zuge entstellt. Möchte doch die griechische Negierung<lb/>
zur Einsicht kommen, daß um den angedeuteten Uebelständen abzuhelfen zwei<lb/>
Mittel unerläßlich sind: der schleunige Bau eines Museums in Athen, das<lb/>
wahrlich ein dringenderes Bedürfniß ist als die Errichtung eines Akademiege-<lb/>
büudes, und eine verständigere und umsichtigere Fürsorge für die Alterthümer<lb/>
im ganzen Königreich, unterstützt durch ein revidirtes Antiquitätengesetz, dessen<lb/>
Grundzüge längst von einem erfahrenen Kenner der einschlagenden Verhält¬<lb/>
nisse entworfen sind. Der Staat gestatte einem Jeden, auf eignem Grund<lb/>
und Boden nach Herzenslust Ausgrabungen vorzunehmen, behalte sich aber<lb/>
-das Vorkaufsrecht vor; alle Denkmäler von historischer oder nationaler Bedeu¬<lb/>
tung oder von hervorragendem künstlerischen Werth erhalte er ausnahmslos<lb/>
dem Lande, bei denjenigen Werken aber, welche, wie die Grabreliefs oder<lb/>
fabrikmäßigen Grabstatuen, mehr dem Kunghandwerk als der freien Kunst<lb/>
angehören, und von denen wenige Exemplare fast denselben Werth haben wie<lb/>
die ganze Reihe, jedenfalls genügen, um die Gattung zu reprüsentiren, bei</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 59"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0475] Apolloinsel nicht zu entweihen, ihre Todtenstätte hatten, und holen sich, allen Verboten der Regierung zum Spott, aus den weit und breit verstreuten Trüm¬ mern der Städte der Lebendigen wie der Todten ihren Bedarf an Marmor¬ stücken, mit oder ohne Inschriften, mit oder ohne Reliefs, wie es sich gerade trifft, um — den Kalk für ihre Gebäude daraus zu brennen. — Noch eine andre Bestimmung des Antiquitütengesetzes, nach welcher kein Nest des Alter¬ thums aus dem Lande geführt werden darf, ist von einer Engherzigkeit, wel¬ cher weder die päpstliche, noch irgend eine andre der italienischen Regierungen etwas Aehnliches an die Seite zu setzen hat, und dabei eben durch ihren Ri¬ gorismus unausführbar. Erreicht wird dadurch nichts, als daß heimlich aus¬ geführt wird, was öffentlich fortzuschaffen nicht gestattet ist, und daß es den so ins Ausland gebrachten Kunstwerken an dem Ursprungszeugniß gebricht, welches für die Erkenntniß des Zusammenhangs, in welchem dieselben ge. schaffen worden, und daher für die gerechte Würdigung ihres Werthes so überaus wünschenswert!), ja nothwendig ist. In den verschiedenen Museen Europas befinden sich viele Werke, aus deren griechischem Ursprung kein Hehl gemacht wird; wie viele mögen noch daneben dort sein, denen die Illegiti¬ mität der Erwerbung dieses Heimathszeugniß entzieht und deren Werth für wissenschaftliche Benutzung durch diesen Mangel bedeutend geschmälert wird! Jeder Fremde nimmt aus Griechenland diese oder jene Reliquie alter Kunst mit in die Heimat!); in Aegion, dem einstigen Sitz des Bundeshciligthums von Achaja, lagen in dem Keller eines Handlungshauses einige schöne Sta¬ tuen, in Kisten wohl verpackt, um vorangegangenen Genossen nach England zu folgen: sollte Aegion der einzige Ausfuhrplatz für solche Waare sein? — Es ist ein Nachtbild, welches wir entworfen haben, aber, wir können es getrost sagen, in keinem Zuge entstellt. Möchte doch die griechische Negierung zur Einsicht kommen, daß um den angedeuteten Uebelständen abzuhelfen zwei Mittel unerläßlich sind: der schleunige Bau eines Museums in Athen, das wahrlich ein dringenderes Bedürfniß ist als die Errichtung eines Akademiege- büudes, und eine verständigere und umsichtigere Fürsorge für die Alterthümer im ganzen Königreich, unterstützt durch ein revidirtes Antiquitätengesetz, dessen Grundzüge längst von einem erfahrenen Kenner der einschlagenden Verhält¬ nisse entworfen sind. Der Staat gestatte einem Jeden, auf eignem Grund und Boden nach Herzenslust Ausgrabungen vorzunehmen, behalte sich aber -das Vorkaufsrecht vor; alle Denkmäler von historischer oder nationaler Bedeu¬ tung oder von hervorragendem künstlerischen Werth erhalte er ausnahmslos dem Lande, bei denjenigen Werken aber, welche, wie die Grabreliefs oder fabrikmäßigen Grabstatuen, mehr dem Kunghandwerk als der freien Kunst angehören, und von denen wenige Exemplare fast denselben Werth haben wie die ganze Reihe, jedenfalls genügen, um die Gattung zu reprüsentiren, bei 59"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/475
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/475>, abgerufen am 26.06.2024.