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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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führen, welche das Götzenbild seiner Schrecken berauben, indem sie ihm Trotz
zu bieten wagen."

Die angeführten Worte zeigen die Auffassung Fronde's. Er steht un¬
bedingt auf der Seite der Reformation. Von diesem Standpunkte aus ver¬
folgt er die vielfach verschlungenen Fäden der Unterhandlung, welche nach
Campeggio's Abberufung noch einige Jahre zwischen Heinrich, dem Papst,
und dein König von Frankreich geführt wurden. Der Papst suchte immer
neue Ausflüchte; aber es war klar, daß er in seiner Abhängigkeit von Karl
dem Fünften nie eine den Wünschen Heinrich's entsprechende Entscheidung
geben werde. Endlich war Heinrich der Achte des Wartens müde und hei-
rathete Anna Boleyn, noch bevor seine Ehe mit Katharina aufgelöst war,
im Januar 1533. Ein Act des Parlaments verbot jede Appellation von
geistlichen Richtern an den Papst. Beide Häuser erklärten, daß Papst Julius
der Zweite, indem er die Erlaubniß zur Heirath Heinrich's mit Katharina er¬
theilte, seine Befugniß überschritten habe und daß also diese Ehe von Anfang
an nichtig war. Dann ward unter dem Vorsitz des Erzbischofs Crnnmcr ein
geistlicher Gerichtshof gebildet, welcher Katharina nach Dunstablc vorlud.
Katharina erkannte die Competenz des Gerichtshofs nicht an, und weigerte
sich zu erscheinen. Das Gericht schritt nichts desto weniger vor, und
am 23. Mai verkündete Cranmer das Urtheil, daß die Ehe von Anfang
an null und nichtig gewesen sei. Es war die einfache Consequenz dieses
Urtheils, daß Katharina von jetzt an officiell nickt mehr als Königin, son¬
dern nur noch als Wittwe des Prinzen Arthur, als Princeß Dowager betrach¬
tet wurde. Dann ward Anna Boleyn am 31. Mai als Königin gekrönt.
Das Volk, welches von ihr einen Erben der Krone erwartete, jubelte ihr zu.
Schon trug sie ein Kind unter dem Herzen, zwar nicht einen Sohn, sondern
die künftige Königin Elisabeth.

Vergeblich versuchte Franz der Erste von Frankreich noch einmal zwischen
dem Papst und Heinrich zu vermitteln. Die spanische Partei hatte am römi¬
schen Hofe die Oberhand. Am 23. März 1534 erklärte Clemens der Siebente
in Uebereinstimmung mit der Majorität der Cardinäle, daß die ursprüngliche
Heirath giltig und daß die Dispensation, durch welche sie erlaubt wurde,
gesetzmäßig gewesen sei. Demgemäß wurde Heinrich, falls er diesem Urtheil
sich nicht unterwerfen sollte, für ausgeschlossen von der Gemeinschaft der
Kirche erklärt, und seine Unterthanen wurden von der Pflicht der Treue gegen
ihn entbunden. Aber die Donner des Vaticans schreckten in England nicht
mehr. Die Antwort aus diese Sentenz bestand in der Vernichtung der Su¬
prematie des Papstes über die englische Kirche. Seine bisherige Gewalt ward
auf den König übertragen. Für England war der Papst von da an nur
noch Bischof von Rom.


führen, welche das Götzenbild seiner Schrecken berauben, indem sie ihm Trotz
zu bieten wagen."

Die angeführten Worte zeigen die Auffassung Fronde's. Er steht un¬
bedingt auf der Seite der Reformation. Von diesem Standpunkte aus ver¬
folgt er die vielfach verschlungenen Fäden der Unterhandlung, welche nach
Campeggio's Abberufung noch einige Jahre zwischen Heinrich, dem Papst,
und dein König von Frankreich geführt wurden. Der Papst suchte immer
neue Ausflüchte; aber es war klar, daß er in seiner Abhängigkeit von Karl
dem Fünften nie eine den Wünschen Heinrich's entsprechende Entscheidung
geben werde. Endlich war Heinrich der Achte des Wartens müde und hei-
rathete Anna Boleyn, noch bevor seine Ehe mit Katharina aufgelöst war,
im Januar 1533. Ein Act des Parlaments verbot jede Appellation von
geistlichen Richtern an den Papst. Beide Häuser erklärten, daß Papst Julius
der Zweite, indem er die Erlaubniß zur Heirath Heinrich's mit Katharina er¬
theilte, seine Befugniß überschritten habe und daß also diese Ehe von Anfang
an nichtig war. Dann ward unter dem Vorsitz des Erzbischofs Crnnmcr ein
geistlicher Gerichtshof gebildet, welcher Katharina nach Dunstablc vorlud.
Katharina erkannte die Competenz des Gerichtshofs nicht an, und weigerte
sich zu erscheinen. Das Gericht schritt nichts desto weniger vor, und
am 23. Mai verkündete Cranmer das Urtheil, daß die Ehe von Anfang
an null und nichtig gewesen sei. Es war die einfache Consequenz dieses
Urtheils, daß Katharina von jetzt an officiell nickt mehr als Königin, son¬
dern nur noch als Wittwe des Prinzen Arthur, als Princeß Dowager betrach¬
tet wurde. Dann ward Anna Boleyn am 31. Mai als Königin gekrönt.
Das Volk, welches von ihr einen Erben der Krone erwartete, jubelte ihr zu.
Schon trug sie ein Kind unter dem Herzen, zwar nicht einen Sohn, sondern
die künftige Königin Elisabeth.

Vergeblich versuchte Franz der Erste von Frankreich noch einmal zwischen
dem Papst und Heinrich zu vermitteln. Die spanische Partei hatte am römi¬
schen Hofe die Oberhand. Am 23. März 1534 erklärte Clemens der Siebente
in Uebereinstimmung mit der Majorität der Cardinäle, daß die ursprüngliche
Heirath giltig und daß die Dispensation, durch welche sie erlaubt wurde,
gesetzmäßig gewesen sei. Demgemäß wurde Heinrich, falls er diesem Urtheil
sich nicht unterwerfen sollte, für ausgeschlossen von der Gemeinschaft der
Kirche erklärt, und seine Unterthanen wurden von der Pflicht der Treue gegen
ihn entbunden. Aber die Donner des Vaticans schreckten in England nicht
mehr. Die Antwort aus diese Sentenz bestand in der Vernichtung der Su¬
prematie des Papstes über die englische Kirche. Seine bisherige Gewalt ward
auf den König übertragen. Für England war der Papst von da an nur
noch Bischof von Rom.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/461>, abgerufen am 26.06.2024.