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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Ehre anzuthun, ein Mahl bei ihm einzunehmen. Der vorsichtige Kaufmann
lehnte dies ab, worauf der Fürst ihm bemerkte, daß er nicht die Absicht habe,
ihn zu prügeln, und daß er. wenn er sie hätte, kein langes Federlesen machen,
sondern ihn sofort durchhauen würde. Tschurkin willigte jetzt wohl oder übel
ein, mit nach Zaboria zu kommen, wo der Fürst sich ganz so betrug, als ob
jener sein Principal sei, ihm den Ehrenplatz einräumte, ihn Herr titulirte
und ihm bei Tafel aufwartete. Nach Tische wurde Tschurkin dann entlassen und
zwar mit einem glänzenden Geschenke -- zwei jungen Hunden, die soeben von
Proserpina. der Lieblingshündin Sr. Hoheit, zur Welt gebracht worden waren.

Fürst Alexis Juriwitsch, selbst ziemlich tapfer und kühn (wenn er nicht
gerade' am actu'inen tremöns litt) war natürlich ein Bewunderer von Tapfer¬
keit und Kühnheit an Andern. Einst, als er sich ohne Begleiter auf dem
Jahrmarkt befand, sah er eine" Kaufmann, der ihn dadurch beleidigt hatte:
daß er,, nachdem er in Zaboria gespeist, plötzlich weggereist war, ohne die
Späße abzuwarten, die Alexis Juriwitsch bei solchen Gelegenheilen mit seinen
Gästen zu treiben Pflegte. Der Fürst gab ihm durch ein Zeichen zu ver¬
stehen, daß er mit ihm ein Hühnchen zu rupfen habe, aber jener antwortete,
"Nein, Hoheit, halten zu Gnaden, Sie tonnen zu mir kommen, aber ich werde
nicht zu Ihnen gehen. Ich bin kein Liebhaber von Ihren Maulschellen und
Stockprügeln und Peitschenhieben."

"O!" schrie Alexis Juriwitfch mit einer wenig respectvollen Anspielung
auf die Mutter des Mannes und stürzte auf ihn los.

Nun traf sichs, daß die lange Gasse, in der dieses Zusammentreffen statt¬
gefunden, an einem großen Teiche endigte und weder rechts noch links aus¬
zuweichen war. Der Kaufmann lief davon, der Fürst hinter ihm her und
das dauerte so lange, bis jener am Rande des Wassers ankam. Hier setzte
er sich hin, zog die Stiefel aus und watete hinein. Der Fürst that des¬
gleichen, und so gingen sie in den Teich, bis der Verfolgte an den Hals, der
etwas kleinere Verfolger bis unter die Arme im Wasser stand.

"Komm zu mir", rief letzterer, "ich habe was mit dir abzumachen."

"Nein, Hoheit", entgegnete jener, ebenfalls winkend. "Sie können zu mir
kommen, aber ich werde nicht zu Ihnen gehen."

"Aber ich werde ersaufen." sagte der Fürst.

"Das hängt von Gottes Willen ab", antwortete der Kaufmann, "ich
komme auf keinen Fall zu Ihnen."

Dieses Hin- und Herreden währte einige Zeit fort, aber endlich wurde
Beiden die Sache zu kalt.

"Na", sagte Fürst Alexis Juriwitsch, "ich kann richtige Kerle leiden.
Komm und iß bei mir wie gewöhnlich, und ich will deine Beleidigung ver¬
gessen sein lassen."


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Ehre anzuthun, ein Mahl bei ihm einzunehmen. Der vorsichtige Kaufmann
lehnte dies ab, worauf der Fürst ihm bemerkte, daß er nicht die Absicht habe,
ihn zu prügeln, und daß er. wenn er sie hätte, kein langes Federlesen machen,
sondern ihn sofort durchhauen würde. Tschurkin willigte jetzt wohl oder übel
ein, mit nach Zaboria zu kommen, wo der Fürst sich ganz so betrug, als ob
jener sein Principal sei, ihm den Ehrenplatz einräumte, ihn Herr titulirte
und ihm bei Tafel aufwartete. Nach Tische wurde Tschurkin dann entlassen und
zwar mit einem glänzenden Geschenke — zwei jungen Hunden, die soeben von
Proserpina. der Lieblingshündin Sr. Hoheit, zur Welt gebracht worden waren.

Fürst Alexis Juriwitsch, selbst ziemlich tapfer und kühn (wenn er nicht
gerade' am actu'inen tremöns litt) war natürlich ein Bewunderer von Tapfer¬
keit und Kühnheit an Andern. Einst, als er sich ohne Begleiter auf dem
Jahrmarkt befand, sah er eine» Kaufmann, der ihn dadurch beleidigt hatte:
daß er,, nachdem er in Zaboria gespeist, plötzlich weggereist war, ohne die
Späße abzuwarten, die Alexis Juriwitsch bei solchen Gelegenheilen mit seinen
Gästen zu treiben Pflegte. Der Fürst gab ihm durch ein Zeichen zu ver¬
stehen, daß er mit ihm ein Hühnchen zu rupfen habe, aber jener antwortete,
„Nein, Hoheit, halten zu Gnaden, Sie tonnen zu mir kommen, aber ich werde
nicht zu Ihnen gehen. Ich bin kein Liebhaber von Ihren Maulschellen und
Stockprügeln und Peitschenhieben."

„O!" schrie Alexis Juriwitfch mit einer wenig respectvollen Anspielung
auf die Mutter des Mannes und stürzte auf ihn los.

Nun traf sichs, daß die lange Gasse, in der dieses Zusammentreffen statt¬
gefunden, an einem großen Teiche endigte und weder rechts noch links aus¬
zuweichen war. Der Kaufmann lief davon, der Fürst hinter ihm her und
das dauerte so lange, bis jener am Rande des Wassers ankam. Hier setzte
er sich hin, zog die Stiefel aus und watete hinein. Der Fürst that des¬
gleichen, und so gingen sie in den Teich, bis der Verfolgte an den Hals, der
etwas kleinere Verfolger bis unter die Arme im Wasser stand.

„Komm zu mir", rief letzterer, „ich habe was mit dir abzumachen."

„Nein, Hoheit", entgegnete jener, ebenfalls winkend. „Sie können zu mir
kommen, aber ich werde nicht zu Ihnen gehen."

„Aber ich werde ersaufen." sagte der Fürst.

„Das hängt von Gottes Willen ab", antwortete der Kaufmann, „ich
komme auf keinen Fall zu Ihnen."

Dieses Hin- und Herreden währte einige Zeit fort, aber endlich wurde
Beiden die Sache zu kalt.

„Na", sagte Fürst Alexis Juriwitsch, „ich kann richtige Kerle leiden.
Komm und iß bei mir wie gewöhnlich, und ich will deine Beleidigung ver¬
gessen sein lassen."


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[0427] Ehre anzuthun, ein Mahl bei ihm einzunehmen. Der vorsichtige Kaufmann lehnte dies ab, worauf der Fürst ihm bemerkte, daß er nicht die Absicht habe, ihn zu prügeln, und daß er. wenn er sie hätte, kein langes Federlesen machen, sondern ihn sofort durchhauen würde. Tschurkin willigte jetzt wohl oder übel ein, mit nach Zaboria zu kommen, wo der Fürst sich ganz so betrug, als ob jener sein Principal sei, ihm den Ehrenplatz einräumte, ihn Herr titulirte und ihm bei Tafel aufwartete. Nach Tische wurde Tschurkin dann entlassen und zwar mit einem glänzenden Geschenke — zwei jungen Hunden, die soeben von Proserpina. der Lieblingshündin Sr. Hoheit, zur Welt gebracht worden waren. Fürst Alexis Juriwitsch, selbst ziemlich tapfer und kühn (wenn er nicht gerade' am actu'inen tremöns litt) war natürlich ein Bewunderer von Tapfer¬ keit und Kühnheit an Andern. Einst, als er sich ohne Begleiter auf dem Jahrmarkt befand, sah er eine» Kaufmann, der ihn dadurch beleidigt hatte: daß er,, nachdem er in Zaboria gespeist, plötzlich weggereist war, ohne die Späße abzuwarten, die Alexis Juriwitsch bei solchen Gelegenheilen mit seinen Gästen zu treiben Pflegte. Der Fürst gab ihm durch ein Zeichen zu ver¬ stehen, daß er mit ihm ein Hühnchen zu rupfen habe, aber jener antwortete, „Nein, Hoheit, halten zu Gnaden, Sie tonnen zu mir kommen, aber ich werde nicht zu Ihnen gehen. Ich bin kein Liebhaber von Ihren Maulschellen und Stockprügeln und Peitschenhieben." „O!" schrie Alexis Juriwitfch mit einer wenig respectvollen Anspielung auf die Mutter des Mannes und stürzte auf ihn los. Nun traf sichs, daß die lange Gasse, in der dieses Zusammentreffen statt¬ gefunden, an einem großen Teiche endigte und weder rechts noch links aus¬ zuweichen war. Der Kaufmann lief davon, der Fürst hinter ihm her und das dauerte so lange, bis jener am Rande des Wassers ankam. Hier setzte er sich hin, zog die Stiefel aus und watete hinein. Der Fürst that des¬ gleichen, und so gingen sie in den Teich, bis der Verfolgte an den Hals, der etwas kleinere Verfolger bis unter die Arme im Wasser stand. „Komm zu mir", rief letzterer, „ich habe was mit dir abzumachen." „Nein, Hoheit", entgegnete jener, ebenfalls winkend. „Sie können zu mir kommen, aber ich werde nicht zu Ihnen gehen." „Aber ich werde ersaufen." sagte der Fürst. „Das hängt von Gottes Willen ab", antwortete der Kaufmann, „ich komme auf keinen Fall zu Ihnen." Dieses Hin- und Herreden währte einige Zeit fort, aber endlich wurde Beiden die Sache zu kalt. „Na", sagte Fürst Alexis Juriwitsch, „ich kann richtige Kerle leiden. Komm und iß bei mir wie gewöhnlich, und ich will deine Beleidigung ver¬ gessen sein lassen." . 53*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/427>, abgerufen am 28.09.2024.