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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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seine Regierungen, selbst wo es sich um die wichtigsten Interessen des deut¬
schen Volkes handelt, zu einiger Nachgiebigkeit zu vermögen.

Da es nämlich auf der Hand lag. daß das gemeinsame Werk nie zu
Stande kommen würde, wenn jede der bethätigten Regierungen hartnäckig auf
ihrem Standpunkte beharren und an den von ihren Commissarien ver-
fochtenen Principien festhalten wollte, so hatte sich die preußische mit der
östreichischen und baierischen Negierung dahin verständigt, nicht nur selbst
die etwaigen Erinnerungen gegen den Entwurf der zweiten Lesung möglichst
zu reduciren und die dritte Lesung lediglich auf die Erledigung dieser Er¬
innerungen zu beschränken, sondern auch die anderen betheiligten Regierungen
im Interesse des Zustandekommens eines gemeinsamen Rechtes zu einem
ähnlichen Verhalten aufzufordern. Es ergab sich aber bald, daß die Ueber¬
zeugung von der Nothwendigkeit dieses Verfahrens von mehreren anderen
Regierungen nicht gleichmäßig getheilt wurde, da die Zahl der im Ganzen
gegen den Entwurf zweiter Lesung erhobenen Einwendungen eine ganz un-
verhältnißmüßige war und sogar die Zahl der sämmtlichen Artikel des Ent¬
wurfs erheblich überstieg. Die Regierungen von Preußen, Oestreich und
Baiern sahen sich daher veranlaßt, ihre Ansicht über die Möglichkeit des Zu¬
standekommens des Handelsgesetzbuchs in gleichlautenden Noten an die übri¬
gen Bundesregierungen darzulegen und dabei zugleich ihrerseits mit gutem
Beispiele voranzugehen, indem Oestreich auf alle und jede Einwendung ge¬
gen den Entwurf zweiter Lesung verzichtete, Preußen und Baiern aber je¬
des nur sechs Erinnerungen festhielt. Als es endlich hierauf zur dritten Le¬
sung in Nürnberg kam (19. November 1860), wurde zwar das von dem preu¬
ßischen Abgeordneten in Gemäßheit der ergangenen Noten vorgeschlagene ab¬
gekürzte Verfahren von einzelnen Staaten, unter denen sich namentlich Han¬
nover hervorthat, heftig bekämpft, schließlich aber dennoch, wiewohl unter
fortwährendem Einspruch dieser Staaten sowohl gegen das Verfahren selbst
als auch gegen die formelle Richtigkeit der von dem bairischen Justizminister
als Ehrenpräsidenten geleiteten Abstimmung, die dritte Lesung im Sinne
Preußens, Oestreichs und Baierns vorgenommen und die Konferenz mit der
589. Sitzung geschlossen, demnächst aber von der Bundesversammlung an
sämmtliche Bundesregierungen die Einladung erlassen, dem Entwürfe in ihren
Landen baldmöglichst und ungeändert Gesetzeskraft zu verschaffen.

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß das A. D. H. G. in Sachsen, in
Gemäßheit des Einführungsgesetzcs vom 30. October 1361, am 1. März
1862 in Kraft treten wird und daß es außer hier in der Mehrzahl der Bun¬
desstaaten, namentlich auch in Preußen, Oestreich. Baiern, Würtemberg und
Nassau unverändert angenommen und beziehentlich eingeführt worden ist.
Dagegen sind neueren Zeitungsnachrichten zufolge die drei Hansestädte, Han-


seine Regierungen, selbst wo es sich um die wichtigsten Interessen des deut¬
schen Volkes handelt, zu einiger Nachgiebigkeit zu vermögen.

Da es nämlich auf der Hand lag. daß das gemeinsame Werk nie zu
Stande kommen würde, wenn jede der bethätigten Regierungen hartnäckig auf
ihrem Standpunkte beharren und an den von ihren Commissarien ver-
fochtenen Principien festhalten wollte, so hatte sich die preußische mit der
östreichischen und baierischen Negierung dahin verständigt, nicht nur selbst
die etwaigen Erinnerungen gegen den Entwurf der zweiten Lesung möglichst
zu reduciren und die dritte Lesung lediglich auf die Erledigung dieser Er¬
innerungen zu beschränken, sondern auch die anderen betheiligten Regierungen
im Interesse des Zustandekommens eines gemeinsamen Rechtes zu einem
ähnlichen Verhalten aufzufordern. Es ergab sich aber bald, daß die Ueber¬
zeugung von der Nothwendigkeit dieses Verfahrens von mehreren anderen
Regierungen nicht gleichmäßig getheilt wurde, da die Zahl der im Ganzen
gegen den Entwurf zweiter Lesung erhobenen Einwendungen eine ganz un-
verhältnißmüßige war und sogar die Zahl der sämmtlichen Artikel des Ent¬
wurfs erheblich überstieg. Die Regierungen von Preußen, Oestreich und
Baiern sahen sich daher veranlaßt, ihre Ansicht über die Möglichkeit des Zu¬
standekommens des Handelsgesetzbuchs in gleichlautenden Noten an die übri¬
gen Bundesregierungen darzulegen und dabei zugleich ihrerseits mit gutem
Beispiele voranzugehen, indem Oestreich auf alle und jede Einwendung ge¬
gen den Entwurf zweiter Lesung verzichtete, Preußen und Baiern aber je¬
des nur sechs Erinnerungen festhielt. Als es endlich hierauf zur dritten Le¬
sung in Nürnberg kam (19. November 1860), wurde zwar das von dem preu¬
ßischen Abgeordneten in Gemäßheit der ergangenen Noten vorgeschlagene ab¬
gekürzte Verfahren von einzelnen Staaten, unter denen sich namentlich Han¬
nover hervorthat, heftig bekämpft, schließlich aber dennoch, wiewohl unter
fortwährendem Einspruch dieser Staaten sowohl gegen das Verfahren selbst
als auch gegen die formelle Richtigkeit der von dem bairischen Justizminister
als Ehrenpräsidenten geleiteten Abstimmung, die dritte Lesung im Sinne
Preußens, Oestreichs und Baierns vorgenommen und die Konferenz mit der
589. Sitzung geschlossen, demnächst aber von der Bundesversammlung an
sämmtliche Bundesregierungen die Einladung erlassen, dem Entwürfe in ihren
Landen baldmöglichst und ungeändert Gesetzeskraft zu verschaffen.

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß das A. D. H. G. in Sachsen, in
Gemäßheit des Einführungsgesetzcs vom 30. October 1361, am 1. März
1862 in Kraft treten wird und daß es außer hier in der Mehrzahl der Bun¬
desstaaten, namentlich auch in Preußen, Oestreich. Baiern, Würtemberg und
Nassau unverändert angenommen und beziehentlich eingeführt worden ist.
Dagegen sind neueren Zeitungsnachrichten zufolge die drei Hansestädte, Han-


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[0292] seine Regierungen, selbst wo es sich um die wichtigsten Interessen des deut¬ schen Volkes handelt, zu einiger Nachgiebigkeit zu vermögen. Da es nämlich auf der Hand lag. daß das gemeinsame Werk nie zu Stande kommen würde, wenn jede der bethätigten Regierungen hartnäckig auf ihrem Standpunkte beharren und an den von ihren Commissarien ver- fochtenen Principien festhalten wollte, so hatte sich die preußische mit der östreichischen und baierischen Negierung dahin verständigt, nicht nur selbst die etwaigen Erinnerungen gegen den Entwurf der zweiten Lesung möglichst zu reduciren und die dritte Lesung lediglich auf die Erledigung dieser Er¬ innerungen zu beschränken, sondern auch die anderen betheiligten Regierungen im Interesse des Zustandekommens eines gemeinsamen Rechtes zu einem ähnlichen Verhalten aufzufordern. Es ergab sich aber bald, daß die Ueber¬ zeugung von der Nothwendigkeit dieses Verfahrens von mehreren anderen Regierungen nicht gleichmäßig getheilt wurde, da die Zahl der im Ganzen gegen den Entwurf zweiter Lesung erhobenen Einwendungen eine ganz un- verhältnißmüßige war und sogar die Zahl der sämmtlichen Artikel des Ent¬ wurfs erheblich überstieg. Die Regierungen von Preußen, Oestreich und Baiern sahen sich daher veranlaßt, ihre Ansicht über die Möglichkeit des Zu¬ standekommens des Handelsgesetzbuchs in gleichlautenden Noten an die übri¬ gen Bundesregierungen darzulegen und dabei zugleich ihrerseits mit gutem Beispiele voranzugehen, indem Oestreich auf alle und jede Einwendung ge¬ gen den Entwurf zweiter Lesung verzichtete, Preußen und Baiern aber je¬ des nur sechs Erinnerungen festhielt. Als es endlich hierauf zur dritten Le¬ sung in Nürnberg kam (19. November 1860), wurde zwar das von dem preu¬ ßischen Abgeordneten in Gemäßheit der ergangenen Noten vorgeschlagene ab¬ gekürzte Verfahren von einzelnen Staaten, unter denen sich namentlich Han¬ nover hervorthat, heftig bekämpft, schließlich aber dennoch, wiewohl unter fortwährendem Einspruch dieser Staaten sowohl gegen das Verfahren selbst als auch gegen die formelle Richtigkeit der von dem bairischen Justizminister als Ehrenpräsidenten geleiteten Abstimmung, die dritte Lesung im Sinne Preußens, Oestreichs und Baierns vorgenommen und die Konferenz mit der 589. Sitzung geschlossen, demnächst aber von der Bundesversammlung an sämmtliche Bundesregierungen die Einladung erlassen, dem Entwürfe in ihren Landen baldmöglichst und ungeändert Gesetzeskraft zu verschaffen. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß das A. D. H. G. in Sachsen, in Gemäßheit des Einführungsgesetzcs vom 30. October 1361, am 1. März 1862 in Kraft treten wird und daß es außer hier in der Mehrzahl der Bun¬ desstaaten, namentlich auch in Preußen, Oestreich. Baiern, Würtemberg und Nassau unverändert angenommen und beziehentlich eingeführt worden ist. Dagegen sind neueren Zeitungsnachrichten zufolge die drei Hansestädte, Han-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/292>, abgerufen am 23.07.2024.