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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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daß der Antrag der Fortschrittspartei außer der Verfassung von 1831 noch
ausdrücklich das Wahlgesetz von 1849 hervorhebt, während der Antrag der
Grabowianer nur im Allgemeinen die "Miederherstellung des verfassungs¬
mäßigen Rechtszustandes in Kurhessen" verlangt, und es dahin gestellt sein
läßt, ob das Wahlgesetz von 1849 mit dahin gerechnet werden soll. Bekannt¬
lich war Herr v. Sckleinitz auf dieses Mahlgesetz nicht gut zu sprechen; es
galt ihm als zu demokratisch. Graf Bernstovff wird Wohl nickt besser darüber
denken. Man möchte hier lieber zu dem Wahlgesetz von 1831 zurückspringen,
welches konservative Garantien bietet; obgleich man sich nicht verhehlen kann,
daß dabei dem Princip der Nechtscontinuität. auf welchem die preußische Po¬
litik in der kurhessischen Sache beruht, die Spitze abgebrochen wird. Aber
diese Differenz ist nicht von der Bedeutung, daß darüber die liberalen Frac-
tionen sich spalten dürften. Der Hauptpunkt bleibt immer, daß der Grund¬
satz der Anknüpfung an das alte Recht gewahrt werde. Hierüber sind alle
liberalen Fractionen einig, und es wird die Aufgabe der Commission sein,
eine Formel zu finden, in welcher dieser Grundsatz einen präcisen und
entsprechenden Ausdruck erhält. Wer hier eigensinnig an Nebenpunkten
festhalten wollte, würde unverantwortlich handeln. Denn eine Uneinigkeit
der liberalen Fractionen könnte leicht die Folge haben, daß beide Anträge ver¬
worfen werden. Wenn die Fraction Grabow gegen die Fortschrittspartei und
diese wiederum gegen jene stimmt, und wenn, wie man vermuthen darf, die
Ultramontanen und Reactionäre sich gegen beide Anträge erklären, so würde
jedesmal die Majorität für die Verwerfung gestimmt haben.

Es ist daher nicht daran zu zweifeln, daß in dieser Frage die Rechte
und die Linke und die beiden Mittelfractionen sich einigen werden über das,
was für Kurhessen zu fordern ist. Schwieriger ist die Frage, durch welche
Mittel das Recht wiederhergestellt werden soll. Für gütliche Vorstellungen ist
man in Kassel taub; eine bewaffnete Intervention ist ein Gedanke, zu dem
man sich hier nicht versteigt. Es bleibt also nur die Nichtintervention übrig.
Bedeutet diese nothwendig die Erhaltung des jetzigen "Wtus ciuo? Dann
wäre den armen Hessen nickt zu helfen. Aber die Berliner Allgemeine Zei¬
tung wird wohl Recht haben, wenn sie in dem ganz consequenten Festhalten
an dem Princip der Nichtintervention das beste Mittel sieht, um die surhes¬
sische Frage zu erledigen. Die Konsequenz der Nichtintervention erfordert,
daß man auel die Intervention Anderer nicht duldet. Wenn der Kurfürst
von Hessen unermüdlich daran arbeitet, sich das Schicksal seines Großvaters
zu.bereiten, so wird endlich einmal der Zeitpunkt kommen, wo die Frage er¬
örtert werden muß, ob der Bundestag vorkommenden Falls sich wieder
ebenso benehmen würde, wie 1830 bei Gelegenheit der Thronerledigung in
Braunschweig, oder ob derMursürst noch einmal auf Strafbaiern würde rend-


daß der Antrag der Fortschrittspartei außer der Verfassung von 1831 noch
ausdrücklich das Wahlgesetz von 1849 hervorhebt, während der Antrag der
Grabowianer nur im Allgemeinen die „Miederherstellung des verfassungs¬
mäßigen Rechtszustandes in Kurhessen" verlangt, und es dahin gestellt sein
läßt, ob das Wahlgesetz von 1849 mit dahin gerechnet werden soll. Bekannt¬
lich war Herr v. Sckleinitz auf dieses Mahlgesetz nicht gut zu sprechen; es
galt ihm als zu demokratisch. Graf Bernstovff wird Wohl nickt besser darüber
denken. Man möchte hier lieber zu dem Wahlgesetz von 1831 zurückspringen,
welches konservative Garantien bietet; obgleich man sich nicht verhehlen kann,
daß dabei dem Princip der Nechtscontinuität. auf welchem die preußische Po¬
litik in der kurhessischen Sache beruht, die Spitze abgebrochen wird. Aber
diese Differenz ist nicht von der Bedeutung, daß darüber die liberalen Frac-
tionen sich spalten dürften. Der Hauptpunkt bleibt immer, daß der Grund¬
satz der Anknüpfung an das alte Recht gewahrt werde. Hierüber sind alle
liberalen Fractionen einig, und es wird die Aufgabe der Commission sein,
eine Formel zu finden, in welcher dieser Grundsatz einen präcisen und
entsprechenden Ausdruck erhält. Wer hier eigensinnig an Nebenpunkten
festhalten wollte, würde unverantwortlich handeln. Denn eine Uneinigkeit
der liberalen Fractionen könnte leicht die Folge haben, daß beide Anträge ver¬
worfen werden. Wenn die Fraction Grabow gegen die Fortschrittspartei und
diese wiederum gegen jene stimmt, und wenn, wie man vermuthen darf, die
Ultramontanen und Reactionäre sich gegen beide Anträge erklären, so würde
jedesmal die Majorität für die Verwerfung gestimmt haben.

Es ist daher nicht daran zu zweifeln, daß in dieser Frage die Rechte
und die Linke und die beiden Mittelfractionen sich einigen werden über das,
was für Kurhessen zu fordern ist. Schwieriger ist die Frage, durch welche
Mittel das Recht wiederhergestellt werden soll. Für gütliche Vorstellungen ist
man in Kassel taub; eine bewaffnete Intervention ist ein Gedanke, zu dem
man sich hier nicht versteigt. Es bleibt also nur die Nichtintervention übrig.
Bedeutet diese nothwendig die Erhaltung des jetzigen «Wtus ciuo? Dann
wäre den armen Hessen nickt zu helfen. Aber die Berliner Allgemeine Zei¬
tung wird wohl Recht haben, wenn sie in dem ganz consequenten Festhalten
an dem Princip der Nichtintervention das beste Mittel sieht, um die surhes¬
sische Frage zu erledigen. Die Konsequenz der Nichtintervention erfordert,
daß man auel die Intervention Anderer nicht duldet. Wenn der Kurfürst
von Hessen unermüdlich daran arbeitet, sich das Schicksal seines Großvaters
zu.bereiten, so wird endlich einmal der Zeitpunkt kommen, wo die Frage er¬
örtert werden muß, ob der Bundestag vorkommenden Falls sich wieder
ebenso benehmen würde, wie 1830 bei Gelegenheit der Thronerledigung in
Braunschweig, oder ob derMursürst noch einmal auf Strafbaiern würde rend-


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[0279] daß der Antrag der Fortschrittspartei außer der Verfassung von 1831 noch ausdrücklich das Wahlgesetz von 1849 hervorhebt, während der Antrag der Grabowianer nur im Allgemeinen die „Miederherstellung des verfassungs¬ mäßigen Rechtszustandes in Kurhessen" verlangt, und es dahin gestellt sein läßt, ob das Wahlgesetz von 1849 mit dahin gerechnet werden soll. Bekannt¬ lich war Herr v. Sckleinitz auf dieses Mahlgesetz nicht gut zu sprechen; es galt ihm als zu demokratisch. Graf Bernstovff wird Wohl nickt besser darüber denken. Man möchte hier lieber zu dem Wahlgesetz von 1831 zurückspringen, welches konservative Garantien bietet; obgleich man sich nicht verhehlen kann, daß dabei dem Princip der Nechtscontinuität. auf welchem die preußische Po¬ litik in der kurhessischen Sache beruht, die Spitze abgebrochen wird. Aber diese Differenz ist nicht von der Bedeutung, daß darüber die liberalen Frac- tionen sich spalten dürften. Der Hauptpunkt bleibt immer, daß der Grund¬ satz der Anknüpfung an das alte Recht gewahrt werde. Hierüber sind alle liberalen Fractionen einig, und es wird die Aufgabe der Commission sein, eine Formel zu finden, in welcher dieser Grundsatz einen präcisen und entsprechenden Ausdruck erhält. Wer hier eigensinnig an Nebenpunkten festhalten wollte, würde unverantwortlich handeln. Denn eine Uneinigkeit der liberalen Fractionen könnte leicht die Folge haben, daß beide Anträge ver¬ worfen werden. Wenn die Fraction Grabow gegen die Fortschrittspartei und diese wiederum gegen jene stimmt, und wenn, wie man vermuthen darf, die Ultramontanen und Reactionäre sich gegen beide Anträge erklären, so würde jedesmal die Majorität für die Verwerfung gestimmt haben. Es ist daher nicht daran zu zweifeln, daß in dieser Frage die Rechte und die Linke und die beiden Mittelfractionen sich einigen werden über das, was für Kurhessen zu fordern ist. Schwieriger ist die Frage, durch welche Mittel das Recht wiederhergestellt werden soll. Für gütliche Vorstellungen ist man in Kassel taub; eine bewaffnete Intervention ist ein Gedanke, zu dem man sich hier nicht versteigt. Es bleibt also nur die Nichtintervention übrig. Bedeutet diese nothwendig die Erhaltung des jetzigen «Wtus ciuo? Dann wäre den armen Hessen nickt zu helfen. Aber die Berliner Allgemeine Zei¬ tung wird wohl Recht haben, wenn sie in dem ganz consequenten Festhalten an dem Princip der Nichtintervention das beste Mittel sieht, um die surhes¬ sische Frage zu erledigen. Die Konsequenz der Nichtintervention erfordert, daß man auel die Intervention Anderer nicht duldet. Wenn der Kurfürst von Hessen unermüdlich daran arbeitet, sich das Schicksal seines Großvaters zu.bereiten, so wird endlich einmal der Zeitpunkt kommen, wo die Frage er¬ örtert werden muß, ob der Bundestag vorkommenden Falls sich wieder ebenso benehmen würde, wie 1830 bei Gelegenheit der Thronerledigung in Braunschweig, oder ob derMursürst noch einmal auf Strafbaiern würde rend-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/279>, abgerufen am 28.12.2024.