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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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tritt; oft eine in die allseitig umschließende Hülle und den eigentlichen Schwamm.
Als letzte Enden gewisser solcher Fäden stellen sich die Zellen dar. in denen oder
durch welche die Fortpflanzungszelien, die Samen erzeugt werden. Ist der
Schwamm soweit vorgebildet, dann streckt er sich plötzlich in übermüthiger Kraft¬
entwickelung, nach allen Richtungen hin an Ausdehnung zunehmend (bei den Hut-
Pilzen zunächst den Strunk verlängernd dann den Hut ausbreitend), und tritt
keck ans Licht, den lang aufgesammelten aus der Verderbniß seiner Umgebung
gesogenen Reichthum an Nährstoffen 'den Blicken Aller frech zur Schau
bietend.

Aber da bricht über ihn das Verderben herein. Jbder Schwamm schmeckt
wenigstens irgend einem Geschöpfe gut, wenn auch viele den Menschen schlecht
bekommen. Es findet jeder Fliegenpilz seinen Pombal. und jeder Giftreiz¬
ker seinen Philipp den Schönen, sei es auch nur in Gestalt einer großen
Waldschnecke oder einer Schaar von Käferlarven. Und wo einer durch Zu¬
fall dem An- oder Aufgefressenwerden entgeht, da unterliegt er schnell der
innern Fäulniß. Die schlanken Glocken der Coprinen zerfließen schon zwölf
Stunden nach ihrem Hervortreten zu schwarzem tintenähnlichen Brei. Die
großen Hutpilze widerstehn nur dann irgend länger der Auflösung, wenn
rasch eintretende dürre Witterung ihnen ein Scheinleben fristet: ausgetrocknete,
lebendig todte Neste einer wenn auch unerquicklichen, doch bedeutungsvollen
Vergangenheit. Dann siedeln auf den Amaniten die Syzygiten, auf den
Russulen die Afterophoren sich an; schwächliche Epigonen: die modernen Jesuiten
auf den Trümmern des Gebäudes, dein der Geist des achtzehnten Jahrhun¬
derts den zermalmenden Stoß gab.

Die Trüffeln sind klüger als die Hutschwämme. Sie bleiben lichtscheu,
auch zur Zeit ihrer vollen Ausbildung. Sorgsam entzieht das heimtückische
Gewächs dem Menschen die Fülle des Aroms, die es im Geheimen bereitete.
Die spät den Botanikern gekommene Erkenntniß der Lebenserscheinungen des
vielberufenen PilzeT genial vorausahnend, gab Moliöre dem Prototyp
frommer Heuchler deu Namen der schwarzen Trüffel.*) Aber wie die Ge¬
schichte der Menschheit untröstliche Erscheinungen oft durch unholde Mittel
besiegte, so auch der Mensch die Verstocktheit der Trüffel durch mißgeachtete
Thiere: durch die Hülfe vou Hunden und Schweinen.

Die Keimung der Samen einer der eßbaren Trüffeln ist bis zur Stunde
noch nicht beobachtet; wohl aber die eines ihnen nächst verwandten unter¬
irdischen Pilzes, der Lalsg-miiiÄ vulMris, einer etwa nußgroßen. braunrothen,



") Im italienischen (n"ro>. Den Trüffelnamcn behalten die Norditalicner der
unübertrefflichen weißen Trüffel Piemonts vor (?rilo>Ä heißt übrigens auch T^rwto biauoo.)
Von lartuto kommt der ältere deutsche Name Tartüffel.
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tritt; oft eine in die allseitig umschließende Hülle und den eigentlichen Schwamm.
Als letzte Enden gewisser solcher Fäden stellen sich die Zellen dar. in denen oder
durch welche die Fortpflanzungszelien, die Samen erzeugt werden. Ist der
Schwamm soweit vorgebildet, dann streckt er sich plötzlich in übermüthiger Kraft¬
entwickelung, nach allen Richtungen hin an Ausdehnung zunehmend (bei den Hut-
Pilzen zunächst den Strunk verlängernd dann den Hut ausbreitend), und tritt
keck ans Licht, den lang aufgesammelten aus der Verderbniß seiner Umgebung
gesogenen Reichthum an Nährstoffen 'den Blicken Aller frech zur Schau
bietend.

Aber da bricht über ihn das Verderben herein. Jbder Schwamm schmeckt
wenigstens irgend einem Geschöpfe gut, wenn auch viele den Menschen schlecht
bekommen. Es findet jeder Fliegenpilz seinen Pombal. und jeder Giftreiz¬
ker seinen Philipp den Schönen, sei es auch nur in Gestalt einer großen
Waldschnecke oder einer Schaar von Käferlarven. Und wo einer durch Zu¬
fall dem An- oder Aufgefressenwerden entgeht, da unterliegt er schnell der
innern Fäulniß. Die schlanken Glocken der Coprinen zerfließen schon zwölf
Stunden nach ihrem Hervortreten zu schwarzem tintenähnlichen Brei. Die
großen Hutpilze widerstehn nur dann irgend länger der Auflösung, wenn
rasch eintretende dürre Witterung ihnen ein Scheinleben fristet: ausgetrocknete,
lebendig todte Neste einer wenn auch unerquicklichen, doch bedeutungsvollen
Vergangenheit. Dann siedeln auf den Amaniten die Syzygiten, auf den
Russulen die Afterophoren sich an; schwächliche Epigonen: die modernen Jesuiten
auf den Trümmern des Gebäudes, dein der Geist des achtzehnten Jahrhun¬
derts den zermalmenden Stoß gab.

Die Trüffeln sind klüger als die Hutschwämme. Sie bleiben lichtscheu,
auch zur Zeit ihrer vollen Ausbildung. Sorgsam entzieht das heimtückische
Gewächs dem Menschen die Fülle des Aroms, die es im Geheimen bereitete.
Die spät den Botanikern gekommene Erkenntniß der Lebenserscheinungen des
vielberufenen PilzeT genial vorausahnend, gab Moliöre dem Prototyp
frommer Heuchler deu Namen der schwarzen Trüffel.*) Aber wie die Ge¬
schichte der Menschheit untröstliche Erscheinungen oft durch unholde Mittel
besiegte, so auch der Mensch die Verstocktheit der Trüffel durch mißgeachtete
Thiere: durch die Hülfe vou Hunden und Schweinen.

Die Keimung der Samen einer der eßbaren Trüffeln ist bis zur Stunde
noch nicht beobachtet; wohl aber die eines ihnen nächst verwandten unter¬
irdischen Pilzes, der Lalsg-miiiÄ vulMris, einer etwa nußgroßen. braunrothen,



") Im italienischen (n«ro>. Den Trüffelnamcn behalten die Norditalicner der
unübertrefflichen weißen Trüffel Piemonts vor (?rilo>Ä heißt übrigens auch T^rwto biauoo.)
Von lartuto kommt der ältere deutsche Name Tartüffel.
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[0267] tritt; oft eine in die allseitig umschließende Hülle und den eigentlichen Schwamm. Als letzte Enden gewisser solcher Fäden stellen sich die Zellen dar. in denen oder durch welche die Fortpflanzungszelien, die Samen erzeugt werden. Ist der Schwamm soweit vorgebildet, dann streckt er sich plötzlich in übermüthiger Kraft¬ entwickelung, nach allen Richtungen hin an Ausdehnung zunehmend (bei den Hut- Pilzen zunächst den Strunk verlängernd dann den Hut ausbreitend), und tritt keck ans Licht, den lang aufgesammelten aus der Verderbniß seiner Umgebung gesogenen Reichthum an Nährstoffen 'den Blicken Aller frech zur Schau bietend. Aber da bricht über ihn das Verderben herein. Jbder Schwamm schmeckt wenigstens irgend einem Geschöpfe gut, wenn auch viele den Menschen schlecht bekommen. Es findet jeder Fliegenpilz seinen Pombal. und jeder Giftreiz¬ ker seinen Philipp den Schönen, sei es auch nur in Gestalt einer großen Waldschnecke oder einer Schaar von Käferlarven. Und wo einer durch Zu¬ fall dem An- oder Aufgefressenwerden entgeht, da unterliegt er schnell der innern Fäulniß. Die schlanken Glocken der Coprinen zerfließen schon zwölf Stunden nach ihrem Hervortreten zu schwarzem tintenähnlichen Brei. Die großen Hutpilze widerstehn nur dann irgend länger der Auflösung, wenn rasch eintretende dürre Witterung ihnen ein Scheinleben fristet: ausgetrocknete, lebendig todte Neste einer wenn auch unerquicklichen, doch bedeutungsvollen Vergangenheit. Dann siedeln auf den Amaniten die Syzygiten, auf den Russulen die Afterophoren sich an; schwächliche Epigonen: die modernen Jesuiten auf den Trümmern des Gebäudes, dein der Geist des achtzehnten Jahrhun¬ derts den zermalmenden Stoß gab. Die Trüffeln sind klüger als die Hutschwämme. Sie bleiben lichtscheu, auch zur Zeit ihrer vollen Ausbildung. Sorgsam entzieht das heimtückische Gewächs dem Menschen die Fülle des Aroms, die es im Geheimen bereitete. Die spät den Botanikern gekommene Erkenntniß der Lebenserscheinungen des vielberufenen PilzeT genial vorausahnend, gab Moliöre dem Prototyp frommer Heuchler deu Namen der schwarzen Trüffel.*) Aber wie die Ge¬ schichte der Menschheit untröstliche Erscheinungen oft durch unholde Mittel besiegte, so auch der Mensch die Verstocktheit der Trüffel durch mißgeachtete Thiere: durch die Hülfe vou Hunden und Schweinen. Die Keimung der Samen einer der eßbaren Trüffeln ist bis zur Stunde noch nicht beobachtet; wohl aber die eines ihnen nächst verwandten unter¬ irdischen Pilzes, der Lalsg-miiiÄ vulMris, einer etwa nußgroßen. braunrothen, ") Im italienischen (n«ro>. Den Trüffelnamcn behalten die Norditalicner der unübertrefflichen weißen Trüffel Piemonts vor (?rilo>Ä heißt übrigens auch T^rwto biauoo.) Von lartuto kommt der ältere deutsche Name Tartüffel. 33"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/267>, abgerufen am 28.12.2024.