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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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die an dem einen haftet, nicht mehr die Gesundheit des andern beeinträchtigen
könnte und nach der Trennung nicht mehr mit den Kräften dieses andern ge¬
nährt werden würde.

Das sind sicher wichtige Gründe. Allein sie werden unsrer Meinung nach
ron andern beträchtlich überwogen.

Erstens wird eine Einmischung Europa's in den amerikanischen Streit
voraussichtlich unnöthig sein. Der Norden muß sich in wenigen Monaten
überzeugen, daß die Niederwerfung der Revolution des Südens über seine
Kräfte geht. So lange man an die Existenz einer mächtigen "monistischen
Partei in den conföderirten Staaten glauben, so lange man meinen konnte,
dieselben hätten es blos auf Erlangung guter Bedingungen abgesehen und
würden den Widerstand nicht aufs Aeußerste treiben, nicht zu Opfern für
ihre Unabhängigkeit bereit sein, durfte man auf Erfolg der Anstrengungen
des Nordens hoffen. Jetzt ist das vorüber. Der Süden hat seine Position
behauptet, und der Norden sieht sich, wohin er blickt, von Verlegenheiten
umgeben. Im Lager am Potomac herrscht Zwiespalt und Widerspenstigkeit,
die Expedition den Mississippi hinab wird von Kundigen für eine Abge¬
schmacktheit erklärt, mit dem zu Port Royal gekanteten Heere will es nicht
vorwärts. Die Frage, was mit den Sklaven zu thun, spaltet auch den Nor¬
den in Parteien. Der Krieg verlangt Geld in ungeheurem Summen, man
sagt, täglich mehr als eine Million Dollars, und das vorhandene Geld ist
verbraucht, neues schwer zu beschaffen. Die indirecten Steuern bringen we¬
nig ein, directe sind noch nicht bewilligt und noch weniger eingehoben. Schon
hat man zu dem verzweifelten und jedenfalls bald erschöpften Mittel gegrif¬
fen, uneinlösbarcs Papiergeld auszugeben. In spätestens zwölf Monaten
wird der Krieg, wenn der Norden nicht inzwischen eine Reihe entscheidender
Siege ersieht oder sonst ein Wunder geschieht, ein Ende nehmen. Ist es
unter solchen Umständen der Mühe werth durch Aufhebung der Blockade zu
intervcniren?

Zweitens ist es von Wichtigkeit, daß der Friede zwischen den kämpfen-
den Parteien, wenn er kommt, ein dauernder sei, und dies kann er nicht sein,
wenn er nicht durch die eigne Ueberzeugung, sondern (man denke an den
Kampf zwischen Ungarn und Oestreich und die russische, an den zwischen
Dänemark und Schleswig-Holstein und die östreichische Einmischung) durch
Zwang von außen, der einmal aufhören kann, herbeigeführt wird. Sieht
der Norden, nachdem er alle seine Kraft verbraucht, daß der Süden ihm ge¬
wachsen ist, so wird er zuletzt sich in das Unvermeidliche schicken und seinen
Wunsch nach Wiedereinverleibung der Sklavcnhalterstaaten als einen unerfüll¬
baren aufgeben; gibt man ihm dagegen durch eine Einmischung Gelegenheit,
das Mißlingen seines Versuchs, die Revolution zu unterdrücken, mit einer


die an dem einen haftet, nicht mehr die Gesundheit des andern beeinträchtigen
könnte und nach der Trennung nicht mehr mit den Kräften dieses andern ge¬
nährt werden würde.

Das sind sicher wichtige Gründe. Allein sie werden unsrer Meinung nach
ron andern beträchtlich überwogen.

Erstens wird eine Einmischung Europa's in den amerikanischen Streit
voraussichtlich unnöthig sein. Der Norden muß sich in wenigen Monaten
überzeugen, daß die Niederwerfung der Revolution des Südens über seine
Kräfte geht. So lange man an die Existenz einer mächtigen «monistischen
Partei in den conföderirten Staaten glauben, so lange man meinen konnte,
dieselben hätten es blos auf Erlangung guter Bedingungen abgesehen und
würden den Widerstand nicht aufs Aeußerste treiben, nicht zu Opfern für
ihre Unabhängigkeit bereit sein, durfte man auf Erfolg der Anstrengungen
des Nordens hoffen. Jetzt ist das vorüber. Der Süden hat seine Position
behauptet, und der Norden sieht sich, wohin er blickt, von Verlegenheiten
umgeben. Im Lager am Potomac herrscht Zwiespalt und Widerspenstigkeit,
die Expedition den Mississippi hinab wird von Kundigen für eine Abge¬
schmacktheit erklärt, mit dem zu Port Royal gekanteten Heere will es nicht
vorwärts. Die Frage, was mit den Sklaven zu thun, spaltet auch den Nor¬
den in Parteien. Der Krieg verlangt Geld in ungeheurem Summen, man
sagt, täglich mehr als eine Million Dollars, und das vorhandene Geld ist
verbraucht, neues schwer zu beschaffen. Die indirecten Steuern bringen we¬
nig ein, directe sind noch nicht bewilligt und noch weniger eingehoben. Schon
hat man zu dem verzweifelten und jedenfalls bald erschöpften Mittel gegrif¬
fen, uneinlösbarcs Papiergeld auszugeben. In spätestens zwölf Monaten
wird der Krieg, wenn der Norden nicht inzwischen eine Reihe entscheidender
Siege ersieht oder sonst ein Wunder geschieht, ein Ende nehmen. Ist es
unter solchen Umständen der Mühe werth durch Aufhebung der Blockade zu
intervcniren?

Zweitens ist es von Wichtigkeit, daß der Friede zwischen den kämpfen-
den Parteien, wenn er kommt, ein dauernder sei, und dies kann er nicht sein,
wenn er nicht durch die eigne Ueberzeugung, sondern (man denke an den
Kampf zwischen Ungarn und Oestreich und die russische, an den zwischen
Dänemark und Schleswig-Holstein und die östreichische Einmischung) durch
Zwang von außen, der einmal aufhören kann, herbeigeführt wird. Sieht
der Norden, nachdem er alle seine Kraft verbraucht, daß der Süden ihm ge¬
wachsen ist, so wird er zuletzt sich in das Unvermeidliche schicken und seinen
Wunsch nach Wiedereinverleibung der Sklavcnhalterstaaten als einen unerfüll¬
baren aufgeben; gibt man ihm dagegen durch eine Einmischung Gelegenheit,
das Mißlingen seines Versuchs, die Revolution zu unterdrücken, mit einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/253>, abgerufen am 23.07.2024.