Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die nordamerikanische Baumwolle) durch die "Surat" (so bezeichnet Liverpool
die indische Baumwolle) zu ersetzen. Eine ewige, eine anch nur langjährige
Blockade der sicilischen, spanischen, nord- und südamerikanischen Häfen wäre
also gegen die Rechte und Interessen gesammten Menschheit, würde den
berechtigten Widerspruch derselben hervorrufen, und der einzelne Staat müßte
sich diesem Widerspruch ganz ebenso fügen, wie das einzelne Individuum un¬
ter Umständen sein Necht und Interesse dem Staat, dem es angehört, zu
opfern hat.

Die Anwendung hiervon auf die amerikanische Blockade ergibt sich von
selbst. Indeß untersuchen wir jetzt nicht, wie lange die europäischen See¬
mächte die Sperrung der Baumwvllenhäfcn zu dulden hätten, falls dieselbe
eine wirkliche und zureichende wäre. Diese Frage würde erst zur Discussion
reif sein, wenn gar keine Aussicht mehr wäre, daß die Ereignisse in Amerika
selbst den Verkehr mit den Banmwollenstaaten wieder eröffnen könnten. Die
Frage, um die sichs handelt, ist vielmehr die, ob Europa, ob zunächst Eng¬
land und Frankreich, da die Blockade der südliche" Häfni notorisch unwirk-
jam und deshalb nach den Beschlüssen des Pariser Congresses von 1856 un¬
gesetzlich ist, nichl sofort der Föderalregierung in Washington ihren Entschluß
zu wissen thun sollen, sich nicht daran zu kehren, ihren Rhedern und Kauf¬
leuten die Freiheit zum Handel mit jenen Plätzen zu geben und ihnen zu
versprechen, daß sie bei diesem Handel Schutz haben sollen.

Wie der Kaiser Napoleon darüber denkt, ist nicht völlig klar. Auch seine
letzte Thronrede hat keinen Aufschluß gegeben. Wir glauben nur zu wissen,
was er wünscht. Ebenso wenig weiß man genau, was das britische Cabi-
net zu thun vorhat, wohl aber meinen wir sagen zu können, was es thun
oder vielmehr, was es unterlassen sollte.

Die Amerikaner haben durch die theilweise Nerschüttung des Hafens von
Charleston und durch die Drohung, auch andere südliche Häfen in dieser Weise
unbrauchbar zu machen, thatsächlich zugestanden, daß sie außer Stand sind,
die Blockade effectiv zu handhaben. Ueberdies aber wissen wir, daß aus den
meisten Seeplätzen der südlichen Conföderation häusig Schiffe abgehen, um
unaufgehalten von den Kreuzern des Nordens zurückzukehren. Bon Zeit zu
Zeit schleichen sich Küstenfahrer von Hafen zu Hafen. Zwischen Savannah
und gewissen westindische" Orten besteht eine fast regelmäßige Verbindung,
und nur sehr selten verlautet, daß das Blockadegeschwader eines der dabei
betheiligten Schiffe weggenommen hat. Die Blockade entspricht also den Pa¬
riser Vereinbarungen nicht, sie ist keine hermetische Sperre, sie ist folglich un-
giltig. Die Amerikaner können erwidern: wir haben uns bei jenen Verein¬
barungen nicht betheiligt, sie nicht anerkannt. Sehr wohl, aber sie haben,
in Gemeinschaft mit andern Neutralen, wiederholt gegen alle Papierblockaden


31*

die nordamerikanische Baumwolle) durch die „Surat" (so bezeichnet Liverpool
die indische Baumwolle) zu ersetzen. Eine ewige, eine anch nur langjährige
Blockade der sicilischen, spanischen, nord- und südamerikanischen Häfen wäre
also gegen die Rechte und Interessen gesammten Menschheit, würde den
berechtigten Widerspruch derselben hervorrufen, und der einzelne Staat müßte
sich diesem Widerspruch ganz ebenso fügen, wie das einzelne Individuum un¬
ter Umständen sein Necht und Interesse dem Staat, dem es angehört, zu
opfern hat.

Die Anwendung hiervon auf die amerikanische Blockade ergibt sich von
selbst. Indeß untersuchen wir jetzt nicht, wie lange die europäischen See¬
mächte die Sperrung der Baumwvllenhäfcn zu dulden hätten, falls dieselbe
eine wirkliche und zureichende wäre. Diese Frage würde erst zur Discussion
reif sein, wenn gar keine Aussicht mehr wäre, daß die Ereignisse in Amerika
selbst den Verkehr mit den Banmwollenstaaten wieder eröffnen könnten. Die
Frage, um die sichs handelt, ist vielmehr die, ob Europa, ob zunächst Eng¬
land und Frankreich, da die Blockade der südliche» Häfni notorisch unwirk-
jam und deshalb nach den Beschlüssen des Pariser Congresses von 1856 un¬
gesetzlich ist, nichl sofort der Föderalregierung in Washington ihren Entschluß
zu wissen thun sollen, sich nicht daran zu kehren, ihren Rhedern und Kauf¬
leuten die Freiheit zum Handel mit jenen Plätzen zu geben und ihnen zu
versprechen, daß sie bei diesem Handel Schutz haben sollen.

Wie der Kaiser Napoleon darüber denkt, ist nicht völlig klar. Auch seine
letzte Thronrede hat keinen Aufschluß gegeben. Wir glauben nur zu wissen,
was er wünscht. Ebenso wenig weiß man genau, was das britische Cabi-
net zu thun vorhat, wohl aber meinen wir sagen zu können, was es thun
oder vielmehr, was es unterlassen sollte.

Die Amerikaner haben durch die theilweise Nerschüttung des Hafens von
Charleston und durch die Drohung, auch andere südliche Häfen in dieser Weise
unbrauchbar zu machen, thatsächlich zugestanden, daß sie außer Stand sind,
die Blockade effectiv zu handhaben. Ueberdies aber wissen wir, daß aus den
meisten Seeplätzen der südlichen Conföderation häusig Schiffe abgehen, um
unaufgehalten von den Kreuzern des Nordens zurückzukehren. Bon Zeit zu
Zeit schleichen sich Küstenfahrer von Hafen zu Hafen. Zwischen Savannah
und gewissen westindische» Orten besteht eine fast regelmäßige Verbindung,
und nur sehr selten verlautet, daß das Blockadegeschwader eines der dabei
betheiligten Schiffe weggenommen hat. Die Blockade entspricht also den Pa¬
riser Vereinbarungen nicht, sie ist keine hermetische Sperre, sie ist folglich un-
giltig. Die Amerikaner können erwidern: wir haben uns bei jenen Verein¬
barungen nicht betheiligt, sie nicht anerkannt. Sehr wohl, aber sie haben,
in Gemeinschaft mit andern Neutralen, wiederholt gegen alle Papierblockaden


31*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113493"/>
          <p xml:id="ID_746" prev="#ID_745"> die nordamerikanische Baumwolle) durch die &#x201E;Surat" (so bezeichnet Liverpool<lb/>
die indische Baumwolle) zu ersetzen. Eine ewige, eine anch nur langjährige<lb/>
Blockade der sicilischen, spanischen, nord- und südamerikanischen Häfen wäre<lb/>
also gegen die Rechte und Interessen gesammten Menschheit, würde den<lb/>
berechtigten Widerspruch derselben hervorrufen, und der einzelne Staat müßte<lb/>
sich diesem Widerspruch ganz ebenso fügen, wie das einzelne Individuum un¬<lb/>
ter Umständen sein Necht und Interesse dem Staat, dem es angehört, zu<lb/>
opfern hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_747"> Die Anwendung hiervon auf die amerikanische Blockade ergibt sich von<lb/>
selbst. Indeß untersuchen wir jetzt nicht, wie lange die europäischen See¬<lb/>
mächte die Sperrung der Baumwvllenhäfcn zu dulden hätten, falls dieselbe<lb/>
eine wirkliche und zureichende wäre. Diese Frage würde erst zur Discussion<lb/>
reif sein, wenn gar keine Aussicht mehr wäre, daß die Ereignisse in Amerika<lb/>
selbst den Verkehr mit den Banmwollenstaaten wieder eröffnen könnten. Die<lb/>
Frage, um die sichs handelt, ist vielmehr die, ob Europa, ob zunächst Eng¬<lb/>
land und Frankreich, da die Blockade der südliche» Häfni notorisch unwirk-<lb/>
jam und deshalb nach den Beschlüssen des Pariser Congresses von 1856 un¬<lb/>
gesetzlich ist, nichl sofort der Föderalregierung in Washington ihren Entschluß<lb/>
zu wissen thun sollen, sich nicht daran zu kehren, ihren Rhedern und Kauf¬<lb/>
leuten die Freiheit zum Handel mit jenen Plätzen zu geben und ihnen zu<lb/>
versprechen, daß sie bei diesem Handel Schutz haben sollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_748"> Wie der Kaiser Napoleon darüber denkt, ist nicht völlig klar. Auch seine<lb/>
letzte Thronrede hat keinen Aufschluß gegeben. Wir glauben nur zu wissen,<lb/>
was er wünscht. Ebenso wenig weiß man genau, was das britische Cabi-<lb/>
net zu thun vorhat, wohl aber meinen wir sagen zu können, was es thun<lb/>
oder vielmehr, was es unterlassen sollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_749" next="#ID_750"> Die Amerikaner haben durch die theilweise Nerschüttung des Hafens von<lb/>
Charleston und durch die Drohung, auch andere südliche Häfen in dieser Weise<lb/>
unbrauchbar zu machen, thatsächlich zugestanden, daß sie außer Stand sind,<lb/>
die Blockade effectiv zu handhaben. Ueberdies aber wissen wir, daß aus den<lb/>
meisten Seeplätzen der südlichen Conföderation häusig Schiffe abgehen, um<lb/>
unaufgehalten von den Kreuzern des Nordens zurückzukehren. Bon Zeit zu<lb/>
Zeit schleichen sich Küstenfahrer von Hafen zu Hafen. Zwischen Savannah<lb/>
und gewissen westindische» Orten besteht eine fast regelmäßige Verbindung,<lb/>
und nur sehr selten verlautet, daß das Blockadegeschwader eines der dabei<lb/>
betheiligten Schiffe weggenommen hat. Die Blockade entspricht also den Pa¬<lb/>
riser Vereinbarungen nicht, sie ist keine hermetische Sperre, sie ist folglich un-<lb/>
giltig. Die Amerikaner können erwidern: wir haben uns bei jenen Verein¬<lb/>
barungen nicht betheiligt, sie nicht anerkannt. Sehr wohl, aber sie haben,<lb/>
in Gemeinschaft mit andern Neutralen, wiederholt gegen alle Papierblockaden</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 31*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0251] die nordamerikanische Baumwolle) durch die „Surat" (so bezeichnet Liverpool die indische Baumwolle) zu ersetzen. Eine ewige, eine anch nur langjährige Blockade der sicilischen, spanischen, nord- und südamerikanischen Häfen wäre also gegen die Rechte und Interessen gesammten Menschheit, würde den berechtigten Widerspruch derselben hervorrufen, und der einzelne Staat müßte sich diesem Widerspruch ganz ebenso fügen, wie das einzelne Individuum un¬ ter Umständen sein Necht und Interesse dem Staat, dem es angehört, zu opfern hat. Die Anwendung hiervon auf die amerikanische Blockade ergibt sich von selbst. Indeß untersuchen wir jetzt nicht, wie lange die europäischen See¬ mächte die Sperrung der Baumwvllenhäfcn zu dulden hätten, falls dieselbe eine wirkliche und zureichende wäre. Diese Frage würde erst zur Discussion reif sein, wenn gar keine Aussicht mehr wäre, daß die Ereignisse in Amerika selbst den Verkehr mit den Banmwollenstaaten wieder eröffnen könnten. Die Frage, um die sichs handelt, ist vielmehr die, ob Europa, ob zunächst Eng¬ land und Frankreich, da die Blockade der südliche» Häfni notorisch unwirk- jam und deshalb nach den Beschlüssen des Pariser Congresses von 1856 un¬ gesetzlich ist, nichl sofort der Föderalregierung in Washington ihren Entschluß zu wissen thun sollen, sich nicht daran zu kehren, ihren Rhedern und Kauf¬ leuten die Freiheit zum Handel mit jenen Plätzen zu geben und ihnen zu versprechen, daß sie bei diesem Handel Schutz haben sollen. Wie der Kaiser Napoleon darüber denkt, ist nicht völlig klar. Auch seine letzte Thronrede hat keinen Aufschluß gegeben. Wir glauben nur zu wissen, was er wünscht. Ebenso wenig weiß man genau, was das britische Cabi- net zu thun vorhat, wohl aber meinen wir sagen zu können, was es thun oder vielmehr, was es unterlassen sollte. Die Amerikaner haben durch die theilweise Nerschüttung des Hafens von Charleston und durch die Drohung, auch andere südliche Häfen in dieser Weise unbrauchbar zu machen, thatsächlich zugestanden, daß sie außer Stand sind, die Blockade effectiv zu handhaben. Ueberdies aber wissen wir, daß aus den meisten Seeplätzen der südlichen Conföderation häusig Schiffe abgehen, um unaufgehalten von den Kreuzern des Nordens zurückzukehren. Bon Zeit zu Zeit schleichen sich Küstenfahrer von Hafen zu Hafen. Zwischen Savannah und gewissen westindische» Orten besteht eine fast regelmäßige Verbindung, und nur sehr selten verlautet, daß das Blockadegeschwader eines der dabei betheiligten Schiffe weggenommen hat. Die Blockade entspricht also den Pa¬ riser Vereinbarungen nicht, sie ist keine hermetische Sperre, sie ist folglich un- giltig. Die Amerikaner können erwidern: wir haben uns bei jenen Verein¬ barungen nicht betheiligt, sie nicht anerkannt. Sehr wohl, aber sie haben, in Gemeinschaft mit andern Neutralen, wiederholt gegen alle Papierblockaden 31*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/251
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/251>, abgerufen am 23.07.2024.