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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Thätigkeit als Lehrer und als Schriftsteller mit dem neuen Beruf ohne Nach,
theil für die deutsche Wissenschaft zu vereinigen. Und wir meinen, daß nicht
jeder Monat einer Session die Mitwirkung eines Mannes erfordert, dessen
erste Aufgabe bis jetzt war, der nächstfolgenden Generation deutscher Politiker
eine männliche Bildung zu geben.

Unter den kleineren Schriften, zu denen Sybel in München veranlaßt
wurde, ist die oben angezeigte eine der lehrreichsten. Sie ist ein Muster von
Arbeit, alle Vorzüge seines Wesens finden sich darin, sicheres Gruppircn des
historischen Stoffes, eine geistvolle Methode der Beweisführung, ehrliches
und festes Urtheil, scharfsinniges zuweilen kühnes Combiniren. Ihre Aufgabe ist,
nachzuweisen, wie seit ältester Zeit die Idee des römischen Kaiserthums der
deutschen Nation zum Verhängniß geworden ist; wie jede Dynastie der
deutschen Kaiser von Karl dem Großen bis über die Hohenstaufen hinaus zum
größten Nachtheil für das politische Leben der Deutschen für sich die Herr¬
schaft in Italien suchte; wie deshalb der Stnatsbau der Deutschen in
Trümmer siel. Schwäche, Ohnmacht, Auflösung viele Jahrhunderte deutscher
Geschichte zu einem kläglichen Bilde machten; wie der Kaiser zum Schatten
wurde und den besten Theil seiner Macht an den römischen Bischof ver¬
lor; wie seit der Reformation die Politik der Habsburger nur wie zufällig deutsch
sein konnte, während sie ihren Staat im Bunde und in Abhängigkeit von Rom
und im Gegensatz gegen die Bedürfnisse des deutschen Volkes und des neuen
Protestantismus ausbildeten. Endlich daß jetzt, nach mehr als tausendjährigem
historischen Verlauf, das nationale Streben der deutschen Stämme nach einem
Bundesstaate unter einheitlicher Führung keine unerhörte und neue Forderung
ist, sondern in neuer Form ein altes Verlangen, welches in den verschie¬
densten Jahrhunderten bald in der Politik einzelner Kaiser, bald in den Ansichten
patriotischer Reichsfürsten, bald als Sehnsucht der Nation zu Tage gekom¬
men ist.

Es ist nicht sowohl die Neuheit der Resultate, welche dieser Schrift des
deutschen Historikers so hohes Interesse gibt, als die gesunde, feste, rücksichts¬
lose und dabei doch versöhnende Weise, in welcher ein tüchtiger Mann von
tiefem Wissen die Ereignisse darstellt, seinen Ueberzeugungen Ausdruck.gibt.
Die Freude an dem Inhalt der Schrift soll dem Leser d. Bl. hier nicht
durch einen Auszug aus derselben vorweggenommen werden. Nur einige
Bemerkungen werden dazugefügt.

Die Einwirkungen, welche eine Nation auf die Nachbarvölker ausübt,
bilden, in ihrem geschichtlichen Verlaufe zusammengefaßt, besonders deshalb
sehr lehrreiche Momente der Geschichtschreibung, weil hierbei die Völker als
geistige Einheiten erscheinen, deren innerste Eigenthümlichkeit ähnlich wie die
einzelner Menschen in der Wechselwirkung sichtbar wird. Die Familie von


Thätigkeit als Lehrer und als Schriftsteller mit dem neuen Beruf ohne Nach,
theil für die deutsche Wissenschaft zu vereinigen. Und wir meinen, daß nicht
jeder Monat einer Session die Mitwirkung eines Mannes erfordert, dessen
erste Aufgabe bis jetzt war, der nächstfolgenden Generation deutscher Politiker
eine männliche Bildung zu geben.

Unter den kleineren Schriften, zu denen Sybel in München veranlaßt
wurde, ist die oben angezeigte eine der lehrreichsten. Sie ist ein Muster von
Arbeit, alle Vorzüge seines Wesens finden sich darin, sicheres Gruppircn des
historischen Stoffes, eine geistvolle Methode der Beweisführung, ehrliches
und festes Urtheil, scharfsinniges zuweilen kühnes Combiniren. Ihre Aufgabe ist,
nachzuweisen, wie seit ältester Zeit die Idee des römischen Kaiserthums der
deutschen Nation zum Verhängniß geworden ist; wie jede Dynastie der
deutschen Kaiser von Karl dem Großen bis über die Hohenstaufen hinaus zum
größten Nachtheil für das politische Leben der Deutschen für sich die Herr¬
schaft in Italien suchte; wie deshalb der Stnatsbau der Deutschen in
Trümmer siel. Schwäche, Ohnmacht, Auflösung viele Jahrhunderte deutscher
Geschichte zu einem kläglichen Bilde machten; wie der Kaiser zum Schatten
wurde und den besten Theil seiner Macht an den römischen Bischof ver¬
lor; wie seit der Reformation die Politik der Habsburger nur wie zufällig deutsch
sein konnte, während sie ihren Staat im Bunde und in Abhängigkeit von Rom
und im Gegensatz gegen die Bedürfnisse des deutschen Volkes und des neuen
Protestantismus ausbildeten. Endlich daß jetzt, nach mehr als tausendjährigem
historischen Verlauf, das nationale Streben der deutschen Stämme nach einem
Bundesstaate unter einheitlicher Führung keine unerhörte und neue Forderung
ist, sondern in neuer Form ein altes Verlangen, welches in den verschie¬
densten Jahrhunderten bald in der Politik einzelner Kaiser, bald in den Ansichten
patriotischer Reichsfürsten, bald als Sehnsucht der Nation zu Tage gekom¬
men ist.

Es ist nicht sowohl die Neuheit der Resultate, welche dieser Schrift des
deutschen Historikers so hohes Interesse gibt, als die gesunde, feste, rücksichts¬
lose und dabei doch versöhnende Weise, in welcher ein tüchtiger Mann von
tiefem Wissen die Ereignisse darstellt, seinen Ueberzeugungen Ausdruck.gibt.
Die Freude an dem Inhalt der Schrift soll dem Leser d. Bl. hier nicht
durch einen Auszug aus derselben vorweggenommen werden. Nur einige
Bemerkungen werden dazugefügt.

Die Einwirkungen, welche eine Nation auf die Nachbarvölker ausübt,
bilden, in ihrem geschichtlichen Verlaufe zusammengefaßt, besonders deshalb
sehr lehrreiche Momente der Geschichtschreibung, weil hierbei die Völker als
geistige Einheiten erscheinen, deren innerste Eigenthümlichkeit ähnlich wie die
einzelner Menschen in der Wechselwirkung sichtbar wird. Die Familie von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/238>, abgerufen am 27.12.2024.