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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Anfänge der menschlichen Cultur bezeichnen; er hat aber auch, wie andere
Fundstücke darthun, sein Bestehen bis in die Zeit gefristet, wo bereits das
Eisen in Gebrauch kommt. Wie die Ufer des Bielersees, so waren auch die
des Neuenburgersees mit Pfahlbauten besehe. An sechsundzwanzig verschiedenen
Stellen hatte man bis zum Jahre 1858 Ueberreste solcher Anlagen von größeren
oder geringerem Umsange entdeckt; spater sind noch einige neue Stationen
hinzugekommen. Sie liegen meist in einer Entfernung zwischen 400--600 Fuß
vom Lande und. wie auch beim Bielersee, hauptsächlich um der Ostseite, wo
die Ufer sich allmälig absenken und einen breiten, seichten Seerand bilden,
der Anlage solcher Wasserdörfer besonders günstig. Ferner hat mau vierund-
zwanzig Pfahlbauten am nördlichen und südlichen Gestade des Genfersees
wahrgenommen. Sie erstrecken sich bis tief in den See hinein und zeigen
einen festem und besser erhaltenen Unterbau als die Bauten an den östlichen
Seen. Dann sind an der Ost- und Westseite des kleinen, in der Nähe von
Bern gelegenen Moosseedorfsees zwei Pfahlbautenreste hervorgetreten; ein
anderer auf einer kleinen, künstlich angelegten Insel des Jnlwylersees, eine
Stunde südlich von dem Städtchen Wangen unweit Solothurn. Der Zü¬
richersee hat vier Ansiedelungen zu Tage kommen lassen und eben so viele der
Pfäffikoner See. Einen besonders wichtigen und lehrreichen Fund hat man
im Wauwylersee gemacht. Dieser Ntedfee, im Canton Luzern in einem weiten
offenen Thale nahe bei Sursee gelegen, wurde schon vor einigen Jahren durch
Abzugsgräben fast ganz trocken gelegt. Beim Torfstechen stieß man im Früh¬
jahr 1859 auf einen Pfahlbau, der sich durch seine eigenthümliche Construction
von den bisher bekannt gewordenen wesentlich unterscheidet und auch in an¬
dern Beziehungen bemerkenswerth ist. Der Bodensee, mit seinem nördlichen
Ufer Deutschland, mit dem südlichen der Schweiz zugehörig, ist uuter allen
'bis jetzt untersuchten Gewässern am dichtesten mit Pfahldörfern besetzt gewesen;
die Beweise dafür sind an den nördlichen und südlichen Gestaden des Unter-
sees, und am Obersec auf einer kleinen Insel, dem Heideländli (.peidenläno-
lein), zwischen Rorschach und Staat, an siebzehn und vielleicht "och mehreren
Stationen vorhanden, und nach einem Bericht der Allgem. Augsburger Zei¬
tung vom 1. Juli 1858 sind in der Gegend von Lindau und Bregenz noch
ebenso viele entdeckt und deren höchst interessante Fundstücke in das Museum
des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen abgeliefert worden. Auch im
Nußbaumsee zwischen Stein und Franenfelo, im Scmpacher, Walenstädter,
Murtner und Greifen-See soll Pfahlwerk zu Tage gekommen sein, doch ist
eine genauere Untersuchung noch nicht vorgenommen. Ferner machen Fund¬
gegenstände, die schon in früherer Zeit dem Lao dö Brüssel enthoben worden
sind, es wenigstens sehr wahrscheinlich, daß auch dort solche Niederlassungen
bestanden haben. Gehen wir weiter nach Hoch-Savouen, so finden wir in


Grenjboten I. 1662. 28

Anfänge der menschlichen Cultur bezeichnen; er hat aber auch, wie andere
Fundstücke darthun, sein Bestehen bis in die Zeit gefristet, wo bereits das
Eisen in Gebrauch kommt. Wie die Ufer des Bielersees, so waren auch die
des Neuenburgersees mit Pfahlbauten besehe. An sechsundzwanzig verschiedenen
Stellen hatte man bis zum Jahre 1858 Ueberreste solcher Anlagen von größeren
oder geringerem Umsange entdeckt; spater sind noch einige neue Stationen
hinzugekommen. Sie liegen meist in einer Entfernung zwischen 400—600 Fuß
vom Lande und. wie auch beim Bielersee, hauptsächlich um der Ostseite, wo
die Ufer sich allmälig absenken und einen breiten, seichten Seerand bilden,
der Anlage solcher Wasserdörfer besonders günstig. Ferner hat mau vierund-
zwanzig Pfahlbauten am nördlichen und südlichen Gestade des Genfersees
wahrgenommen. Sie erstrecken sich bis tief in den See hinein und zeigen
einen festem und besser erhaltenen Unterbau als die Bauten an den östlichen
Seen. Dann sind an der Ost- und Westseite des kleinen, in der Nähe von
Bern gelegenen Moosseedorfsees zwei Pfahlbautenreste hervorgetreten; ein
anderer auf einer kleinen, künstlich angelegten Insel des Jnlwylersees, eine
Stunde südlich von dem Städtchen Wangen unweit Solothurn. Der Zü¬
richersee hat vier Ansiedelungen zu Tage kommen lassen und eben so viele der
Pfäffikoner See. Einen besonders wichtigen und lehrreichen Fund hat man
im Wauwylersee gemacht. Dieser Ntedfee, im Canton Luzern in einem weiten
offenen Thale nahe bei Sursee gelegen, wurde schon vor einigen Jahren durch
Abzugsgräben fast ganz trocken gelegt. Beim Torfstechen stieß man im Früh¬
jahr 1859 auf einen Pfahlbau, der sich durch seine eigenthümliche Construction
von den bisher bekannt gewordenen wesentlich unterscheidet und auch in an¬
dern Beziehungen bemerkenswerth ist. Der Bodensee, mit seinem nördlichen
Ufer Deutschland, mit dem südlichen der Schweiz zugehörig, ist uuter allen
'bis jetzt untersuchten Gewässern am dichtesten mit Pfahldörfern besetzt gewesen;
die Beweise dafür sind an den nördlichen und südlichen Gestaden des Unter-
sees, und am Obersec auf einer kleinen Insel, dem Heideländli (.peidenläno-
lein), zwischen Rorschach und Staat, an siebzehn und vielleicht »och mehreren
Stationen vorhanden, und nach einem Bericht der Allgem. Augsburger Zei¬
tung vom 1. Juli 1858 sind in der Gegend von Lindau und Bregenz noch
ebenso viele entdeckt und deren höchst interessante Fundstücke in das Museum
des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen abgeliefert worden. Auch im
Nußbaumsee zwischen Stein und Franenfelo, im Scmpacher, Walenstädter,
Murtner und Greifen-See soll Pfahlwerk zu Tage gekommen sein, doch ist
eine genauere Untersuchung noch nicht vorgenommen. Ferner machen Fund¬
gegenstände, die schon in früherer Zeit dem Lao dö Brüssel enthoben worden
sind, es wenigstens sehr wahrscheinlich, daß auch dort solche Niederlassungen
bestanden haben. Gehen wir weiter nach Hoch-Savouen, so finden wir in


Grenjboten I. 1662. 28
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[0225] Anfänge der menschlichen Cultur bezeichnen; er hat aber auch, wie andere Fundstücke darthun, sein Bestehen bis in die Zeit gefristet, wo bereits das Eisen in Gebrauch kommt. Wie die Ufer des Bielersees, so waren auch die des Neuenburgersees mit Pfahlbauten besehe. An sechsundzwanzig verschiedenen Stellen hatte man bis zum Jahre 1858 Ueberreste solcher Anlagen von größeren oder geringerem Umsange entdeckt; spater sind noch einige neue Stationen hinzugekommen. Sie liegen meist in einer Entfernung zwischen 400—600 Fuß vom Lande und. wie auch beim Bielersee, hauptsächlich um der Ostseite, wo die Ufer sich allmälig absenken und einen breiten, seichten Seerand bilden, der Anlage solcher Wasserdörfer besonders günstig. Ferner hat mau vierund- zwanzig Pfahlbauten am nördlichen und südlichen Gestade des Genfersees wahrgenommen. Sie erstrecken sich bis tief in den See hinein und zeigen einen festem und besser erhaltenen Unterbau als die Bauten an den östlichen Seen. Dann sind an der Ost- und Westseite des kleinen, in der Nähe von Bern gelegenen Moosseedorfsees zwei Pfahlbautenreste hervorgetreten; ein anderer auf einer kleinen, künstlich angelegten Insel des Jnlwylersees, eine Stunde südlich von dem Städtchen Wangen unweit Solothurn. Der Zü¬ richersee hat vier Ansiedelungen zu Tage kommen lassen und eben so viele der Pfäffikoner See. Einen besonders wichtigen und lehrreichen Fund hat man im Wauwylersee gemacht. Dieser Ntedfee, im Canton Luzern in einem weiten offenen Thale nahe bei Sursee gelegen, wurde schon vor einigen Jahren durch Abzugsgräben fast ganz trocken gelegt. Beim Torfstechen stieß man im Früh¬ jahr 1859 auf einen Pfahlbau, der sich durch seine eigenthümliche Construction von den bisher bekannt gewordenen wesentlich unterscheidet und auch in an¬ dern Beziehungen bemerkenswerth ist. Der Bodensee, mit seinem nördlichen Ufer Deutschland, mit dem südlichen der Schweiz zugehörig, ist uuter allen 'bis jetzt untersuchten Gewässern am dichtesten mit Pfahldörfern besetzt gewesen; die Beweise dafür sind an den nördlichen und südlichen Gestaden des Unter- sees, und am Obersec auf einer kleinen Insel, dem Heideländli (.peidenläno- lein), zwischen Rorschach und Staat, an siebzehn und vielleicht »och mehreren Stationen vorhanden, und nach einem Bericht der Allgem. Augsburger Zei¬ tung vom 1. Juli 1858 sind in der Gegend von Lindau und Bregenz noch ebenso viele entdeckt und deren höchst interessante Fundstücke in das Museum des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen abgeliefert worden. Auch im Nußbaumsee zwischen Stein und Franenfelo, im Scmpacher, Walenstädter, Murtner und Greifen-See soll Pfahlwerk zu Tage gekommen sein, doch ist eine genauere Untersuchung noch nicht vorgenommen. Ferner machen Fund¬ gegenstände, die schon in früherer Zeit dem Lao dö Brüssel enthoben worden sind, es wenigstens sehr wahrscheinlich, daß auch dort solche Niederlassungen bestanden haben. Gehen wir weiter nach Hoch-Savouen, so finden wir in Grenjboten I. 1662. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/225>, abgerufen am 28.12.2024.