Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

geschwollene Backen zu bekommen. Aehnlich verhält sichs mit der Artillerie,
obwol sie beim Volle in großer Achtung steht. Die Partei, welche bei Re¬
volutionen mit Kcnionen auszieht, glaubt immer des Sieges gewiß sein zu
können.

Das Heer wird durch Pressung rccrutirt. d. h. man fängt sich die Leute
mit List oder Zwang für die Regimenter. Ein beliebter Kunstgriff ist. daß
man die Militärmusik vor der Kaserne spielen läßt und wenn sich eine gute
Anzahl von Zuhörern eingestellt hat, die Masse plötzlich umringt und die,
welche dem niedern Volk angehören, herausgreift, in Uniform steckt und nach
einer entfernten Garnison ttansponirt, wo sie in den ersten Monaten streng
bewacht werden, damit sie nicht davonlaufen. Während der letzten Revolution
geschah es sogar nicht selten, daß man Leute, die aus dem Theater oder aus
der Messe kamen, von der Straße aufgriff, um sie sofort gegen den Mut
zu führen.

Dennoch ließe sich mit solchen Soldaten etwas ausrichten, wenn die
Offiziere Mexico's mehr taugten. Diese aber, die meist den Revolutionen
oder sonst einem Zufall ihre Anstellung danke", entbehren größtentheils
aller militärischen Kenntnisse, und uicht selten begibt sichs. daß sie die Ersten
sind, die bei einem Treffen die Flucht ergreifen. Die Offiziere, im Frieden
in prächtigen von Goldstickerei strotzenden Uniformen und mit Orden auf
der Brust einherstolzirend, verlieren beim Ausmarsch gegen den Feind ihr
militärisches Aussehen vollständig. In eine graue Bauernjacke gekleidet, mit
Beinkleidern von derselben Farbe angethan, den breitrandigen mexicanischen
Hut auf dem Kopfe, zeichnen sie sich nur durch Epauletten aus. So lange
sie im Dienst sind, erhalten sie hohen Sold, ein Divisionsgeneral hat jähr¬
lich 5000, ein Oberst 2400, ein Hauptmann 800, ein Leutnant 550 Dollars;
aber wenn sie nicht gerade beim Regiment eingetheilt sind, was in Friedens-
zeiten mit der großen Mehrzahl der Fall ist. wird ihnen gar nichts gezahlt.
Der Soldat erhält monatlich 15. der Unteroffizier 20 Dollars, aber nur
wenn sein Oberst ein ehrlicher Mann ist; denn viele Truppencommandantcn
machen sich kein Gewissen daraus, die Löhnung ihrer Leute wo nur immer
möglich zu unterschlagen.

Mit diesen Truppen läßt sich die Besetzung der Küstenplätze durch eine
europäische Macht nicht abwehren, und ebensowenig wird man mit ihnen den
Marsch der Spanier nach der Hauptstadt und die Einnahme derselben ver¬
hindern können. Etwas Anderes aber ist für das Jnvafionöheer, sich im
Besitz dieser Positionen zu behaupten und den Norden, sowie den tiefen Sü¬
den zu erobern. Es wäre dies ein Unternehmen, noch schwieriger als die
Eroberung Marokko's. Wie dort das Maurenheer in jeder Schlacht unterlag,
so würde auch hier jedes Treffen zwischen Beracruz und Mexico mit dem Sieg


27 *

geschwollene Backen zu bekommen. Aehnlich verhält sichs mit der Artillerie,
obwol sie beim Volle in großer Achtung steht. Die Partei, welche bei Re¬
volutionen mit Kcnionen auszieht, glaubt immer des Sieges gewiß sein zu
können.

Das Heer wird durch Pressung rccrutirt. d. h. man fängt sich die Leute
mit List oder Zwang für die Regimenter. Ein beliebter Kunstgriff ist. daß
man die Militärmusik vor der Kaserne spielen läßt und wenn sich eine gute
Anzahl von Zuhörern eingestellt hat, die Masse plötzlich umringt und die,
welche dem niedern Volk angehören, herausgreift, in Uniform steckt und nach
einer entfernten Garnison ttansponirt, wo sie in den ersten Monaten streng
bewacht werden, damit sie nicht davonlaufen. Während der letzten Revolution
geschah es sogar nicht selten, daß man Leute, die aus dem Theater oder aus
der Messe kamen, von der Straße aufgriff, um sie sofort gegen den Mut
zu führen.

Dennoch ließe sich mit solchen Soldaten etwas ausrichten, wenn die
Offiziere Mexico's mehr taugten. Diese aber, die meist den Revolutionen
oder sonst einem Zufall ihre Anstellung danke», entbehren größtentheils
aller militärischen Kenntnisse, und uicht selten begibt sichs. daß sie die Ersten
sind, die bei einem Treffen die Flucht ergreifen. Die Offiziere, im Frieden
in prächtigen von Goldstickerei strotzenden Uniformen und mit Orden auf
der Brust einherstolzirend, verlieren beim Ausmarsch gegen den Feind ihr
militärisches Aussehen vollständig. In eine graue Bauernjacke gekleidet, mit
Beinkleidern von derselben Farbe angethan, den breitrandigen mexicanischen
Hut auf dem Kopfe, zeichnen sie sich nur durch Epauletten aus. So lange
sie im Dienst sind, erhalten sie hohen Sold, ein Divisionsgeneral hat jähr¬
lich 5000, ein Oberst 2400, ein Hauptmann 800, ein Leutnant 550 Dollars;
aber wenn sie nicht gerade beim Regiment eingetheilt sind, was in Friedens-
zeiten mit der großen Mehrzahl der Fall ist. wird ihnen gar nichts gezahlt.
Der Soldat erhält monatlich 15. der Unteroffizier 20 Dollars, aber nur
wenn sein Oberst ein ehrlicher Mann ist; denn viele Truppencommandantcn
machen sich kein Gewissen daraus, die Löhnung ihrer Leute wo nur immer
möglich zu unterschlagen.

Mit diesen Truppen läßt sich die Besetzung der Küstenplätze durch eine
europäische Macht nicht abwehren, und ebensowenig wird man mit ihnen den
Marsch der Spanier nach der Hauptstadt und die Einnahme derselben ver¬
hindern können. Etwas Anderes aber ist für das Jnvafionöheer, sich im
Besitz dieser Positionen zu behaupten und den Norden, sowie den tiefen Sü¬
den zu erobern. Es wäre dies ein Unternehmen, noch schwieriger als die
Eroberung Marokko's. Wie dort das Maurenheer in jeder Schlacht unterlag,
so würde auch hier jedes Treffen zwischen Beracruz und Mexico mit dem Sieg


27 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113461"/>
            <p xml:id="ID_650" prev="#ID_649"> geschwollene Backen zu bekommen. Aehnlich verhält sichs mit der Artillerie,<lb/>
obwol sie beim Volle in großer Achtung steht. Die Partei, welche bei Re¬<lb/>
volutionen mit Kcnionen auszieht, glaubt immer des Sieges gewiß sein zu<lb/>
können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_651"> Das Heer wird durch Pressung rccrutirt. d. h. man fängt sich die Leute<lb/>
mit List oder Zwang für die Regimenter. Ein beliebter Kunstgriff ist. daß<lb/>
man die Militärmusik vor der Kaserne spielen läßt und wenn sich eine gute<lb/>
Anzahl von Zuhörern eingestellt hat, die Masse plötzlich umringt und die,<lb/>
welche dem niedern Volk angehören, herausgreift, in Uniform steckt und nach<lb/>
einer entfernten Garnison ttansponirt, wo sie in den ersten Monaten streng<lb/>
bewacht werden, damit sie nicht davonlaufen. Während der letzten Revolution<lb/>
geschah es sogar nicht selten, daß man Leute, die aus dem Theater oder aus<lb/>
der Messe kamen, von der Straße aufgriff, um sie sofort gegen den Mut<lb/>
zu führen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_652"> Dennoch ließe sich mit solchen Soldaten etwas ausrichten, wenn die<lb/>
Offiziere Mexico's mehr taugten. Diese aber, die meist den Revolutionen<lb/>
oder sonst einem Zufall ihre Anstellung danke», entbehren größtentheils<lb/>
aller militärischen Kenntnisse, und uicht selten begibt sichs. daß sie die Ersten<lb/>
sind, die bei einem Treffen die Flucht ergreifen. Die Offiziere, im Frieden<lb/>
in prächtigen von Goldstickerei strotzenden Uniformen und mit Orden auf<lb/>
der Brust einherstolzirend, verlieren beim Ausmarsch gegen den Feind ihr<lb/>
militärisches Aussehen vollständig. In eine graue Bauernjacke gekleidet, mit<lb/>
Beinkleidern von derselben Farbe angethan, den breitrandigen mexicanischen<lb/>
Hut auf dem Kopfe, zeichnen sie sich nur durch Epauletten aus. So lange<lb/>
sie im Dienst sind, erhalten sie hohen Sold, ein Divisionsgeneral hat jähr¬<lb/>
lich 5000, ein Oberst 2400, ein Hauptmann 800, ein Leutnant 550 Dollars;<lb/>
aber wenn sie nicht gerade beim Regiment eingetheilt sind, was in Friedens-<lb/>
zeiten mit der großen Mehrzahl der Fall ist. wird ihnen gar nichts gezahlt.<lb/>
Der Soldat erhält monatlich 15. der Unteroffizier 20 Dollars, aber nur<lb/>
wenn sein Oberst ein ehrlicher Mann ist; denn viele Truppencommandantcn<lb/>
machen sich kein Gewissen daraus, die Löhnung ihrer Leute wo nur immer<lb/>
möglich zu unterschlagen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_653" next="#ID_654"> Mit diesen Truppen läßt sich die Besetzung der Küstenplätze durch eine<lb/>
europäische Macht nicht abwehren, und ebensowenig wird man mit ihnen den<lb/>
Marsch der Spanier nach der Hauptstadt und die Einnahme derselben ver¬<lb/>
hindern können. Etwas Anderes aber ist für das Jnvafionöheer, sich im<lb/>
Besitz dieser Positionen zu behaupten und den Norden, sowie den tiefen Sü¬<lb/>
den zu erobern. Es wäre dies ein Unternehmen, noch schwieriger als die<lb/>
Eroberung Marokko's. Wie dort das Maurenheer in jeder Schlacht unterlag,<lb/>
so würde auch hier jedes Treffen zwischen Beracruz und Mexico mit dem Sieg</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 27 *</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0219] geschwollene Backen zu bekommen. Aehnlich verhält sichs mit der Artillerie, obwol sie beim Volle in großer Achtung steht. Die Partei, welche bei Re¬ volutionen mit Kcnionen auszieht, glaubt immer des Sieges gewiß sein zu können. Das Heer wird durch Pressung rccrutirt. d. h. man fängt sich die Leute mit List oder Zwang für die Regimenter. Ein beliebter Kunstgriff ist. daß man die Militärmusik vor der Kaserne spielen läßt und wenn sich eine gute Anzahl von Zuhörern eingestellt hat, die Masse plötzlich umringt und die, welche dem niedern Volk angehören, herausgreift, in Uniform steckt und nach einer entfernten Garnison ttansponirt, wo sie in den ersten Monaten streng bewacht werden, damit sie nicht davonlaufen. Während der letzten Revolution geschah es sogar nicht selten, daß man Leute, die aus dem Theater oder aus der Messe kamen, von der Straße aufgriff, um sie sofort gegen den Mut zu führen. Dennoch ließe sich mit solchen Soldaten etwas ausrichten, wenn die Offiziere Mexico's mehr taugten. Diese aber, die meist den Revolutionen oder sonst einem Zufall ihre Anstellung danke», entbehren größtentheils aller militärischen Kenntnisse, und uicht selten begibt sichs. daß sie die Ersten sind, die bei einem Treffen die Flucht ergreifen. Die Offiziere, im Frieden in prächtigen von Goldstickerei strotzenden Uniformen und mit Orden auf der Brust einherstolzirend, verlieren beim Ausmarsch gegen den Feind ihr militärisches Aussehen vollständig. In eine graue Bauernjacke gekleidet, mit Beinkleidern von derselben Farbe angethan, den breitrandigen mexicanischen Hut auf dem Kopfe, zeichnen sie sich nur durch Epauletten aus. So lange sie im Dienst sind, erhalten sie hohen Sold, ein Divisionsgeneral hat jähr¬ lich 5000, ein Oberst 2400, ein Hauptmann 800, ein Leutnant 550 Dollars; aber wenn sie nicht gerade beim Regiment eingetheilt sind, was in Friedens- zeiten mit der großen Mehrzahl der Fall ist. wird ihnen gar nichts gezahlt. Der Soldat erhält monatlich 15. der Unteroffizier 20 Dollars, aber nur wenn sein Oberst ein ehrlicher Mann ist; denn viele Truppencommandantcn machen sich kein Gewissen daraus, die Löhnung ihrer Leute wo nur immer möglich zu unterschlagen. Mit diesen Truppen läßt sich die Besetzung der Küstenplätze durch eine europäische Macht nicht abwehren, und ebensowenig wird man mit ihnen den Marsch der Spanier nach der Hauptstadt und die Einnahme derselben ver¬ hindern können. Etwas Anderes aber ist für das Jnvafionöheer, sich im Besitz dieser Positionen zu behaupten und den Norden, sowie den tiefen Sü¬ den zu erobern. Es wäre dies ein Unternehmen, noch schwieriger als die Eroberung Marokko's. Wie dort das Maurenheer in jeder Schlacht unterlag, so würde auch hier jedes Treffen zwischen Beracruz und Mexico mit dem Sieg 27 *

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/219
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/219>, abgerufen am 28.12.2024.