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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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eigen Herrschaft versprechen können, es wird aber vermuthlich auch keinen
Einspruch gegen die Aufrichtung dieser Herrschaft thun, da aller Wahrscheinlich¬
keit nach dieselbe ähnliche Folgen wie eine Besitznahme Mexico's durch Frank¬
reich haben, d. h. zur Ablenkung und Schwächung der Kräfte eines heimlichen
Feindes führen würde. Ob aber Frankreich Spanien lange, ob es auf die
Dauer den jetzigen Bundesgenossen unterstützen kann, ist eine Frage, deren
Beantwortung von der Gestalt abhängt, welche die Dinge in der nordameri¬
kanischen Union gewinnen werden.

Nehmen wir an, Spanien würde infolge von Ereignissen in Amerika bei
Verfolgung von weiteren, hinter den officiellen Versicherungen über die Zwecke
der Alliirten verborgenen Plänen allein gelassen, so würde es sich in großer
Verlegenheit befinden, und daß Frankreich kein für alle Wendungen sicherer
Bundesgenosse ist, hat der Krieg in der Krim den Engländern, der in Ita¬
lien den Piemontesen zur Genüge gezeigt.

Spanien --- so versichern seine Freunde, und wir wollen ihnen hier
glauben -- hat sich in den letzten fünfzehn Jahren merkwürdig gehoben.
Durch elende Regenten, dann durch Bürgerkriege tief heruntergebracht, ver.
schuldet und verarmt, ist es in erstaunlicher Weise wieder emporgestiegen, so
daß es jetzt die erste der Mächte zweiten Ranges ist und sich bereits zum Ein¬
tritt in die Reihe der Großmächte anmelden lassen konnte. Seine Finanzen
haben sich gebessert, sein Heer ist in gutem Staude, seine Flotte nach der
französischen die stärkste des Mittelmeeres. Dennoch meinen wir nicht, daß
es allein im Stande sein würde, seine Herrschaft "in Mexico von Neuem
dauernd zu begründen. Im Gegentheil fürchten wir, daß es mit einem sol¬
chen Versuch scheitern und zugleich seine Finanzen von Neuem ruiniren würde.
Es ist beinahe ebenso schwer denkbar, daß Spanien seine Verlornen ameri¬
kanischen Besitzungen wieder gewinnt, als daß England die Ver. Staaten
wieder in britische Kolonien verwandelt. In Mexico ohne sichere Ver¬
bündete Eroberungspolitik verfolgen heißt über kurz oder lang, d. h. un¬
mittelbar nach Beendigung des nordamerikanischen Bürgerkrieges, gleichviel
wie derselbe ausgehe, ob in Wiederherstellung der Union oder, wie wir er¬
warten, in Zerfall in eine Süd- und eine Nordhälfte, an den durch diesen
Krieg geweckten kriegerischen ^Geist Cuba und Alles, was sonst in Amerika
spanisch ist, verlieren.

Aber schon mit Mexico allein würde, wie der Unabhängigkeitskrieg der
zwanziger Jahre zeigt, der Kampf kein ganz leichter sein. Oberflächlich be¬
trachtet scheint das nicht so. Miramon, so lesen wir. ist nach Veracruz ab¬
gereist, um unter dem Schutz der spanischen Bayonnette dieselbe verrätherische
Rolle gegen sein Vaterland zu spielen, wie Santana in der Republik Domingo.
Er wird, so heißt es. die Reste der monarchischen Partei im Lande orgamsiren


Grenzboten I. 1662. 27

eigen Herrschaft versprechen können, es wird aber vermuthlich auch keinen
Einspruch gegen die Aufrichtung dieser Herrschaft thun, da aller Wahrscheinlich¬
keit nach dieselbe ähnliche Folgen wie eine Besitznahme Mexico's durch Frank¬
reich haben, d. h. zur Ablenkung und Schwächung der Kräfte eines heimlichen
Feindes führen würde. Ob aber Frankreich Spanien lange, ob es auf die
Dauer den jetzigen Bundesgenossen unterstützen kann, ist eine Frage, deren
Beantwortung von der Gestalt abhängt, welche die Dinge in der nordameri¬
kanischen Union gewinnen werden.

Nehmen wir an, Spanien würde infolge von Ereignissen in Amerika bei
Verfolgung von weiteren, hinter den officiellen Versicherungen über die Zwecke
der Alliirten verborgenen Plänen allein gelassen, so würde es sich in großer
Verlegenheit befinden, und daß Frankreich kein für alle Wendungen sicherer
Bundesgenosse ist, hat der Krieg in der Krim den Engländern, der in Ita¬
lien den Piemontesen zur Genüge gezeigt.

Spanien -— so versichern seine Freunde, und wir wollen ihnen hier
glauben — hat sich in den letzten fünfzehn Jahren merkwürdig gehoben.
Durch elende Regenten, dann durch Bürgerkriege tief heruntergebracht, ver.
schuldet und verarmt, ist es in erstaunlicher Weise wieder emporgestiegen, so
daß es jetzt die erste der Mächte zweiten Ranges ist und sich bereits zum Ein¬
tritt in die Reihe der Großmächte anmelden lassen konnte. Seine Finanzen
haben sich gebessert, sein Heer ist in gutem Staude, seine Flotte nach der
französischen die stärkste des Mittelmeeres. Dennoch meinen wir nicht, daß
es allein im Stande sein würde, seine Herrschaft "in Mexico von Neuem
dauernd zu begründen. Im Gegentheil fürchten wir, daß es mit einem sol¬
chen Versuch scheitern und zugleich seine Finanzen von Neuem ruiniren würde.
Es ist beinahe ebenso schwer denkbar, daß Spanien seine Verlornen ameri¬
kanischen Besitzungen wieder gewinnt, als daß England die Ver. Staaten
wieder in britische Kolonien verwandelt. In Mexico ohne sichere Ver¬
bündete Eroberungspolitik verfolgen heißt über kurz oder lang, d. h. un¬
mittelbar nach Beendigung des nordamerikanischen Bürgerkrieges, gleichviel
wie derselbe ausgehe, ob in Wiederherstellung der Union oder, wie wir er¬
warten, in Zerfall in eine Süd- und eine Nordhälfte, an den durch diesen
Krieg geweckten kriegerischen ^Geist Cuba und Alles, was sonst in Amerika
spanisch ist, verlieren.

Aber schon mit Mexico allein würde, wie der Unabhängigkeitskrieg der
zwanziger Jahre zeigt, der Kampf kein ganz leichter sein. Oberflächlich be¬
trachtet scheint das nicht so. Miramon, so lesen wir. ist nach Veracruz ab¬
gereist, um unter dem Schutz der spanischen Bayonnette dieselbe verrätherische
Rolle gegen sein Vaterland zu spielen, wie Santana in der Republik Domingo.
Er wird, so heißt es. die Reste der monarchischen Partei im Lande orgamsiren


Grenzboten I. 1662. 27
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[0217] eigen Herrschaft versprechen können, es wird aber vermuthlich auch keinen Einspruch gegen die Aufrichtung dieser Herrschaft thun, da aller Wahrscheinlich¬ keit nach dieselbe ähnliche Folgen wie eine Besitznahme Mexico's durch Frank¬ reich haben, d. h. zur Ablenkung und Schwächung der Kräfte eines heimlichen Feindes führen würde. Ob aber Frankreich Spanien lange, ob es auf die Dauer den jetzigen Bundesgenossen unterstützen kann, ist eine Frage, deren Beantwortung von der Gestalt abhängt, welche die Dinge in der nordameri¬ kanischen Union gewinnen werden. Nehmen wir an, Spanien würde infolge von Ereignissen in Amerika bei Verfolgung von weiteren, hinter den officiellen Versicherungen über die Zwecke der Alliirten verborgenen Plänen allein gelassen, so würde es sich in großer Verlegenheit befinden, und daß Frankreich kein für alle Wendungen sicherer Bundesgenosse ist, hat der Krieg in der Krim den Engländern, der in Ita¬ lien den Piemontesen zur Genüge gezeigt. Spanien -— so versichern seine Freunde, und wir wollen ihnen hier glauben — hat sich in den letzten fünfzehn Jahren merkwürdig gehoben. Durch elende Regenten, dann durch Bürgerkriege tief heruntergebracht, ver. schuldet und verarmt, ist es in erstaunlicher Weise wieder emporgestiegen, so daß es jetzt die erste der Mächte zweiten Ranges ist und sich bereits zum Ein¬ tritt in die Reihe der Großmächte anmelden lassen konnte. Seine Finanzen haben sich gebessert, sein Heer ist in gutem Staude, seine Flotte nach der französischen die stärkste des Mittelmeeres. Dennoch meinen wir nicht, daß es allein im Stande sein würde, seine Herrschaft "in Mexico von Neuem dauernd zu begründen. Im Gegentheil fürchten wir, daß es mit einem sol¬ chen Versuch scheitern und zugleich seine Finanzen von Neuem ruiniren würde. Es ist beinahe ebenso schwer denkbar, daß Spanien seine Verlornen ameri¬ kanischen Besitzungen wieder gewinnt, als daß England die Ver. Staaten wieder in britische Kolonien verwandelt. In Mexico ohne sichere Ver¬ bündete Eroberungspolitik verfolgen heißt über kurz oder lang, d. h. un¬ mittelbar nach Beendigung des nordamerikanischen Bürgerkrieges, gleichviel wie derselbe ausgehe, ob in Wiederherstellung der Union oder, wie wir er¬ warten, in Zerfall in eine Süd- und eine Nordhälfte, an den durch diesen Krieg geweckten kriegerischen ^Geist Cuba und Alles, was sonst in Amerika spanisch ist, verlieren. Aber schon mit Mexico allein würde, wie der Unabhängigkeitskrieg der zwanziger Jahre zeigt, der Kampf kein ganz leichter sein. Oberflächlich be¬ trachtet scheint das nicht so. Miramon, so lesen wir. ist nach Veracruz ab¬ gereist, um unter dem Schutz der spanischen Bayonnette dieselbe verrätherische Rolle gegen sein Vaterland zu spielen, wie Santana in der Republik Domingo. Er wird, so heißt es. die Reste der monarchischen Partei im Lande orgamsiren Grenzboten I. 1662. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/217>, abgerufen am 28.12.2024.