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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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setzes vom3. spe. 1814 über die Verpflichtung zum Kriegsdienst erforderlich. Denn
während nach dem bestehenden Gesetz die Neservepflicht nach dem Ablauf der
dreijährigen Dienstzeit nur zwei Jahre, bis zum zurückgelegten 25. Jahre,
dauert, ist bei der veränderten Armeeeinrichtung die Ausdehnung der Neserve-
PfM)t auf vier Jahre bis zum zurückgelegten 27. Jahre, erforderlich. Dies
kann natürlich nur durch ein Gesetz geschehen. Der betreffende Entwurf wird
ohne Zweifel unter den ersten Vorlagen sein, welche dem Abgeordnetenhaus
gemacht werden. Die Abstimmung über diesen Entwurf ist für die Genehmi¬
gung oder Verwerfung des Militärbudgets präjudicirlich. Denn sobald man
dieArmeeresorm im Princip genehmigt hat. kann man die dafür erforderlichen Mit¬
tel nicht verweigern. Also wird die entscheidende Abstimmung der ganzen Session
muthmaßlich diejenige sein, in welcher das Haus sich über die Novelle zum
Gesetz vom 3. Sptbr. 1814 erklärt. Aber auch die Abstimmung über diesen
Entwurf wird sich leicht bis gegen das Ende der Session hinziehen; denn ore
Berichterstattung darüber erfordert die allerumfassendsten finanziellen, Volks'
Wirthschaftlichen und technisch militärischen Vorarbeiten.

Andererseits wird das Herrenhaus gewiß nicht nachgeben. Die Hart¬
näckigkeit Stahl's lebt in dieser edlen Körperschaft fort, wenn auch sein Geist
von den Junkern schmerzlich vermißt werden wird. Schon in den wenigen
formellen Geschäften, die bis jetzt vorgekommen sind, hat das Herrenhaus
bewiesen, daß nur gutmüthige Thoren auf seine Nachgiebigkeit hoffen
können. Die Krcisordnung, die Aufhebung der gutsherrlichen Polizei, das
Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit, das über die Oberrechnungskammer
werden im Herrenhaus fallen, oder sie werden so verstümmelt werden, daß
die Minister ihre eigenen Kinder nicht wieder erkennen. Aber auch das Herren¬
haus wird nicht gern den ersten falschen Schritt thun wollen; es wird nicht
gern sich selbst zuerst ins Unrecht setzen. Deshalb wird voraussichtlich auch
das Herrenhaus mit diesen entscheidenden Abstimmungen möglichst lange zö¬
gern. Die erste Vorlage, welche ihm zugegangen ist, ist eben so umfangreich,
als politisch unverfänglich. Die allgemeine Wegeordnung wird für einige Zeit
im Herrenhaus als nützlicher Blitzableiter dienen.

Das Resultat von alledem ist. daß wir auch in diesem Jahre voraus¬
sichtlich zwischen beiden Häusern einen Wettlauf der Langsamkeit haben werden.
Beide werden sich bemühen, möglichst spät zu den großen entscheidenden Fragen
zu gelangen, weil jedes Haus wünschen wird, vorher die Abstimmung des
anderen Hauses zu kennen. Diejenigen, welche gleich zu Anfang der Session
allerlei aufgeregte Scenen erwartet haben, werden sich bitter getäuscht sehen.
Die ersten Monate werden ohne Zweifel sehr ruhig, vielleicht etwas lang¬
weilig verlaufen. Wie die Sache am Ende ausgeschlagen wird, das vermag
Niemand vorherzusehen.


setzes vom3. spe. 1814 über die Verpflichtung zum Kriegsdienst erforderlich. Denn
während nach dem bestehenden Gesetz die Neservepflicht nach dem Ablauf der
dreijährigen Dienstzeit nur zwei Jahre, bis zum zurückgelegten 25. Jahre,
dauert, ist bei der veränderten Armeeeinrichtung die Ausdehnung der Neserve-
PfM)t auf vier Jahre bis zum zurückgelegten 27. Jahre, erforderlich. Dies
kann natürlich nur durch ein Gesetz geschehen. Der betreffende Entwurf wird
ohne Zweifel unter den ersten Vorlagen sein, welche dem Abgeordnetenhaus
gemacht werden. Die Abstimmung über diesen Entwurf ist für die Genehmi¬
gung oder Verwerfung des Militärbudgets präjudicirlich. Denn sobald man
dieArmeeresorm im Princip genehmigt hat. kann man die dafür erforderlichen Mit¬
tel nicht verweigern. Also wird die entscheidende Abstimmung der ganzen Session
muthmaßlich diejenige sein, in welcher das Haus sich über die Novelle zum
Gesetz vom 3. Sptbr. 1814 erklärt. Aber auch die Abstimmung über diesen
Entwurf wird sich leicht bis gegen das Ende der Session hinziehen; denn ore
Berichterstattung darüber erfordert die allerumfassendsten finanziellen, Volks'
Wirthschaftlichen und technisch militärischen Vorarbeiten.

Andererseits wird das Herrenhaus gewiß nicht nachgeben. Die Hart¬
näckigkeit Stahl's lebt in dieser edlen Körperschaft fort, wenn auch sein Geist
von den Junkern schmerzlich vermißt werden wird. Schon in den wenigen
formellen Geschäften, die bis jetzt vorgekommen sind, hat das Herrenhaus
bewiesen, daß nur gutmüthige Thoren auf seine Nachgiebigkeit hoffen
können. Die Krcisordnung, die Aufhebung der gutsherrlichen Polizei, das
Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit, das über die Oberrechnungskammer
werden im Herrenhaus fallen, oder sie werden so verstümmelt werden, daß
die Minister ihre eigenen Kinder nicht wieder erkennen. Aber auch das Herren¬
haus wird nicht gern den ersten falschen Schritt thun wollen; es wird nicht
gern sich selbst zuerst ins Unrecht setzen. Deshalb wird voraussichtlich auch
das Herrenhaus mit diesen entscheidenden Abstimmungen möglichst lange zö¬
gern. Die erste Vorlage, welche ihm zugegangen ist, ist eben so umfangreich,
als politisch unverfänglich. Die allgemeine Wegeordnung wird für einige Zeit
im Herrenhaus als nützlicher Blitzableiter dienen.

Das Resultat von alledem ist. daß wir auch in diesem Jahre voraus¬
sichtlich zwischen beiden Häusern einen Wettlauf der Langsamkeit haben werden.
Beide werden sich bemühen, möglichst spät zu den großen entscheidenden Fragen
zu gelangen, weil jedes Haus wünschen wird, vorher die Abstimmung des
anderen Hauses zu kennen. Diejenigen, welche gleich zu Anfang der Session
allerlei aufgeregte Scenen erwartet haben, werden sich bitter getäuscht sehen.
Die ersten Monate werden ohne Zweifel sehr ruhig, vielleicht etwas lang¬
weilig verlaufen. Wie die Sache am Ende ausgeschlagen wird, das vermag
Niemand vorherzusehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/199>, abgerufen am 28.12.2024.