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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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dramatisch einstudirte Aergern und Aufreizen vielleicht ihren eigenen Landsleuten
die Impulse der Leidenschaft mittheilen, wir haben darüber kein Urtheil; wir
sind nicht mehr in der Lage, große Wallfahrten für etwas besonders Jmpo-
nirendes und das Zerschlagen eines Conditorladens für eine patriotische That
zu halten. Wir haben vielleicht begründete Zweifel, daß sie durch solche Mittel
ein großes Ziel erreichen werden; ja wir meinen überhaupt, daß es gar nicht
in ihrem Vortheil liegt, die Russen bis auf das Aeußerste zu reizen, und daß
sie im Zusammenhange mit Nußland viel eher zu einer gedeihlichen Ent¬
wickelung gelangen können, als durch eine neue Republik oder ein unabhän¬
giges Königreich Polen, für welches ihnen zur Zeit noch zu sehr ein ardens'
kräftiges Volk fehlt. Aber das ist ihre Sache, es geht uns nur wenig an.
Eines jedoch bemerken wir der anonymen Gesellschaft, welche gegenwärtig an
der Weichsel die Rollen zu einem neuen Trauerspiel einübt, daß sie ihre Arbeit
durch ein besonderes Ungeschick erschwert hat. Sie hat nicht nur die Russen,
sondern zu gleicher Zeit auch die Deutschen anzugreifen gewagt. Den brutalen Haß
der slavischen Race gegen fremde Bildung und höhere Cultur hat sie ange¬
facht, an mehr als einem Ort sind deutsche Bürger insultirt, gemißhandelt,
am Eigenthum geschädigt, am Leben bedroht worden. Wir geben dem War¬
schauer Comite die Versicherung, daß die polnische Partei dafür vollgiltige
Buße zahlen soll. Wir glauben gern, daß den Polen nicht viel an den Sym¬
pathien der Deutschen liegt, sie haben auch gegenwärtig geringe Aussicht, der-
gleichen bei uns zu finden. Aber es wäre ihnen immerhin vortheilhaft ge¬
wesen, wenn sie ihre stärkeren Nachbarn nicht so lebhaft erinnert hätten, daß
sie sich selbst da nicht versagen können, feindlich gegen deutsches ,Wesen zu
toben, wo es friedlich unter ihren Gesetzen lebt, ihnen selbst Wohlstand und
Bürgerkraft abgebend. Sie zwingen uns, ernsthaft dafür zu sorgen, daß das
deutsche Element, wo es mit ihnen zusammenstößt, vor den Wuthanfällen ihrer
Politiker gesichert werde. Es ist uns durchaus keine Freude, polnisches Land
in Besitz zu nehmen; nur die Pflicht der Selbstbewahrung wird uns dazu
treiben. Und so lange Rußland uns ein friedlicher Nachbar ist, werden wir
den Konspirationen des polnischen Adels an unseren Grenzen ruhig zusehen.
Aber wenn -- was wir nicht für wahrscheinlich halten -- den Polen in der
That gelänge, sich von den Rassen zu lösen, dann werden wir die Landkarte
in die Hand nehmen und uns erinnern, daß Warschau bereits einmal eine
preußische Stadt war. Und unsere lebhaften Nachbarn mögen überzeugt sein,
daß wir einen solchen neuen Erwerb, wie arbeitvoll und unhold er immer sei,
nicht wieder aufgeben werden. Wir werden ihr Land deutsch machen. Denn
jetzt haben die Polen nicht mehr eine einzelne Regierung gegen sich, sondern
das deutsche Volk.

Es hat eine Zeit der Krankheit gegeben -- sie ist jetzt glücklich vorüber --


dramatisch einstudirte Aergern und Aufreizen vielleicht ihren eigenen Landsleuten
die Impulse der Leidenschaft mittheilen, wir haben darüber kein Urtheil; wir
sind nicht mehr in der Lage, große Wallfahrten für etwas besonders Jmpo-
nirendes und das Zerschlagen eines Conditorladens für eine patriotische That
zu halten. Wir haben vielleicht begründete Zweifel, daß sie durch solche Mittel
ein großes Ziel erreichen werden; ja wir meinen überhaupt, daß es gar nicht
in ihrem Vortheil liegt, die Russen bis auf das Aeußerste zu reizen, und daß
sie im Zusammenhange mit Nußland viel eher zu einer gedeihlichen Ent¬
wickelung gelangen können, als durch eine neue Republik oder ein unabhän¬
giges Königreich Polen, für welches ihnen zur Zeit noch zu sehr ein ardens'
kräftiges Volk fehlt. Aber das ist ihre Sache, es geht uns nur wenig an.
Eines jedoch bemerken wir der anonymen Gesellschaft, welche gegenwärtig an
der Weichsel die Rollen zu einem neuen Trauerspiel einübt, daß sie ihre Arbeit
durch ein besonderes Ungeschick erschwert hat. Sie hat nicht nur die Russen,
sondern zu gleicher Zeit auch die Deutschen anzugreifen gewagt. Den brutalen Haß
der slavischen Race gegen fremde Bildung und höhere Cultur hat sie ange¬
facht, an mehr als einem Ort sind deutsche Bürger insultirt, gemißhandelt,
am Eigenthum geschädigt, am Leben bedroht worden. Wir geben dem War¬
schauer Comite die Versicherung, daß die polnische Partei dafür vollgiltige
Buße zahlen soll. Wir glauben gern, daß den Polen nicht viel an den Sym¬
pathien der Deutschen liegt, sie haben auch gegenwärtig geringe Aussicht, der-
gleichen bei uns zu finden. Aber es wäre ihnen immerhin vortheilhaft ge¬
wesen, wenn sie ihre stärkeren Nachbarn nicht so lebhaft erinnert hätten, daß
sie sich selbst da nicht versagen können, feindlich gegen deutsches ,Wesen zu
toben, wo es friedlich unter ihren Gesetzen lebt, ihnen selbst Wohlstand und
Bürgerkraft abgebend. Sie zwingen uns, ernsthaft dafür zu sorgen, daß das
deutsche Element, wo es mit ihnen zusammenstößt, vor den Wuthanfällen ihrer
Politiker gesichert werde. Es ist uns durchaus keine Freude, polnisches Land
in Besitz zu nehmen; nur die Pflicht der Selbstbewahrung wird uns dazu
treiben. Und so lange Rußland uns ein friedlicher Nachbar ist, werden wir
den Konspirationen des polnischen Adels an unseren Grenzen ruhig zusehen.
Aber wenn — was wir nicht für wahrscheinlich halten — den Polen in der
That gelänge, sich von den Rassen zu lösen, dann werden wir die Landkarte
in die Hand nehmen und uns erinnern, daß Warschau bereits einmal eine
preußische Stadt war. Und unsere lebhaften Nachbarn mögen überzeugt sein,
daß wir einen solchen neuen Erwerb, wie arbeitvoll und unhold er immer sei,
nicht wieder aufgeben werden. Wir werden ihr Land deutsch machen. Denn
jetzt haben die Polen nicht mehr eine einzelne Regierung gegen sich, sondern
das deutsche Volk.

Es hat eine Zeit der Krankheit gegeben — sie ist jetzt glücklich vorüber —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/92>, abgerufen am 27.12.2024.